Leitartikel

„Katalanische Verhältnisse: Tourismus-Proteste auch bei uns?“

Katalanische Verhältnisse: Tourismus-Proteste auch bei uns?

Katalanische Verhältnisse: Tourismus-Proteste auch bei uns?

Apenrade/Aabenraa
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In Barcelona gehen die Menschen auf die Straße, um gegen den Massentourismus zu demonstrieren, der für die Einheimischen tiefgreifende Konsequenzen bekommen hat. Aber wie sieht es hier bei uns aus? Auf Röm gibt es sehr umstrittene Projekte, die den Tourismus ankurbeln sollen. Anna-Lena Holm beschäftigt sich mit der Frage, was die Insel erwarten könnte.

Röm ist nicht La Rambla. Doch auch bei uns in Nordschleswig könnte Massentourismus an den beliebten Ferienorten zum Problem werden, wenn nicht feststeht, wo Schluss ist.

Die Spanierinnen und Spanier in Barcelona haben die Nase voll: Touristinnen und Touristen so weit das Auge reicht. Der Tourismus nimmt überhand. Die katalanische Großstadt übt seit jeher eine Anziehungskraft auf Reiselustige mit den unterschiedlichsten Interessengebieten aus. 

Barcelona hat viel zu bieten: Kultur, Architektur und Gastronomie von Weltrang – und all das am Strand. Die Stadt hat für jeden Urlaubstypen etwas zu bieten und wird daher nur allzu gerne zum Urlaubsziel auserkoren.

Jetzt protestieren die Einwohnerinnen und Einwohner der meistbesuchten Stadt Spaniens gegen den Massentourismus. Der Slogan: „Genug! Lasst uns dem Tourismus Grenzen setzen!“

Im vergangenen Jahr waren mehr als zwölf Millionen Besucherinnen und Besucher nach Barcelona gereist. Mit massiven Konsequenzen für die Einheimischen der Stadt. Laut „tagesschau.de“ sind die Mieten mittlerweile um rund 68 Prozent gestiegen. Ergo: Es wird immer schwieriger, ausreichend Geld aufzubringen, um den eigenen Wohnraum zu finanzieren.

Es ist nicht nur ein spanisches – es ist ein internationales Problem. Gentrifizierungsprozesse, welche die Mietpreise in die Höhe treiben, sind in vielen Großstädten ein wunder Punkt. Man schaue nur einmal nach Kopenhagen.

Auch in Nordschleswig führt die Diskrepanz zwischen wohlwollenden und kritischen Stimmen immer wieder zu kontroversen Diskussionen. Ein anschauliches Beispiel ist das Schicksal der beliebten Urlaubsinsel Röm (Rømø). An Bauvorhaben wie dem Badehotel in Lakolk oder den Ferienwohnungen in Kongsmark scheiden sich seit Bekanntgabe der geplanten Projekte die Geister.

Ein Beispiel: Nachdem die Lakolker Hotelpläne öffentlich bekannt wurden, lief die Facebook-Seite der Kommune Tondern (Tønder) heiß – meine Kollegin Brigitta Lassen berichtete im März 2023 darüber. Einheimische sowie viele Ferien- und Tagesgäste aus Deutschland brachten in ihren Kommentaren unverschleiert ihren Unmut und ihre Befürchtungen zum Ausdruck. Ein „Sylt im Miniformat“ sei zu befürchten. Hier wird schließlich seit Jahren die Verdrängung der Einheimischen durch die Vielzahl kaufkräftiger Sylt-Anbeterinnen und -Anbeter in Urlaubsstimmung beklagt.

Auf Röm habe man außerdem Bedenken, dass „die Ruhe gestört und die schöne Natur verschandelt“ werde. Ihrer Meinung nach sei Röm bereits jetzt überlaufen und biete keinen Platz für noch mehr Feriengäste.

In Unterzahl schienen 2023 auf Facebook die Stimmen derjenigen, die in diesen geplanten Tourismuskurbeln Chancen für die Insel und die Kommune Tondern erkannten. Touristikchef Colin John Seymour befürwortete damals die Entwicklungen. Die Natur werde immer eine große Rolle auf Röm spielen, versicherte er im selben Jahr. Die Insel böte aber Platz für mehr Gäste als bisher. Die Gefahr eines zweiten Sylts bestehe seiner Ansicht nach daher nicht.  

Den Missmut hegt so manch einer dennoch. Einige so sehr, dass sie aktiv werden. So auch Peter Jensen Gad aus Kolding, der eine Protestwelle gegen den Bau der 32 Ferienhütten in Kongsmark auf Röm anstieß und eine Online-Unterschriftensammlung gegen das Hotel in Lakolk startete. Es sei eine absolute Fehlplatzierung, das 16 Meter hohe Hotel mitten in die unter Naturschutz stehende Dünenlandschaft zu bauen.

Das Badehotel in Lakolk soll den Ganzjahrestourismus anheizen und eine jüngere, kaufkräftigere Zielgruppe anlocken. Was passiert, wenn der Plan erfolgreich ist, kann man sich denken: weitere Investoren, mehr Tourismus. Daraus würde sich eine Preisspirale ergeben, die es für ökonomisch weniger dehnbare Geldbörsen schwieriger macht, die Ferien auf der dänischen Nordseeinsel zu verbringen. Und das passt so gar nicht zu dem Selbstverständnis der dänischen Seele, in der Chancengleichheit ein wichtiger Baustein ist. Röm ist für alle da! Für alle – aber bitte nicht zeitgleich. 

Ist aber damit zu rechnen, dass die Menschen wie in Barcelona auf die Barrikaden gehen? Letztendlich ist es unter anderem das so große, diverse Angebot an Attraktionen und Unterkünften, das Barcelona für Gäste so nahbar und finanzierbar hat werden lassen.

Einzelne Menschen sind zwar schon aktiv geworden. Dass sich Barcelona-ähnliche Zustände entwickeln, ist aber wohl unwahrscheinlich. Dennoch werden auch im von deutschen Gästen so beliebten Nordschleswig die Grenzen des touristischen Wachstums spürbarer.

Was werden die meinungsstarken Gemüter sagen, wenn die ersten „zusätzlichen“ Gäste ihren Urlaub auf Röm genießen und die Insel zum nordschleswigschen La Rambla wird?

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