Leitartikel

„Nur niemandem wehtun“

Nur niemandem wehtun

Nur niemandem wehtun

Kopenhagen
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Die sozialdemokratische Regierung spricht gerne von ihren ambitionierten Klimazielen. Mit ihrem großen Infrastrukturplan hat sie eine wichtige Chance verpasst, den Worten Taten folgen zu lassen, meint Walter Turnowsky.

160 Milliarden Kronen will die sozialdemokratische Regierung bis 2035 dafür verwenden, dass der Verkehr besser flutscht. Zwar laufen Projekte für gut 50 Milliarden Kronen bereits, aber 106 Milliarden sind neue Investitionen.

Und für 100 Milliarden kann man allerhand schöne Dingen kaufen: Autobahnen zum Beispiel. Und von denen wünscht sich die Regierung gleich mehrere.

46,9 Milliarden sollen in Straßen investiert werden. Mit 39,5 Milliarden Kronen fällt weniger als die Hälfte für den öffentlichen Verkehr ab.

Angesichts der ambitionierten Klimaziele der Regierung mutet diese Priorisierung eigentümlich an. Noch eigentümlicher erscheint es, dass die Ministerriege Nicolai Wammen, Benny Engelbrecht und Kaare Dybvad Beck (Finanz, Verkehr und Inneres) es als großen Erfolg feiert, dass der Plan einige wenige Gramm CO2 einspart.

Am Donnerstag haben die Minister Kaare Dybvad Beck, Nicolai Wammen und Benny Engelbrecht den neuen Infrastrukturplan vorgestellt. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Mit anderen Worten, zu dem Ziel einer 70-Prozent-Reduktion trägt er so gut wie nichts bei.

Gewiss, es gibt auch Initiativen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, des Radverkehrs und der Elektromobilität. Doch alles in allem ist es ein Plan nach dem Motto: Für jeden etwas und bloß keinem wehtun.

Wer es jedoch mit der Klimapolitik ernst meint, muss auch den Mut haben zu priorisieren. Denn Geld, das für Asphalt ausgegeben wird, kann logischerweise nicht für Züge verwendet werden.

Und priorisieren heißt eben auch, Wünsche nicht zu erfüllen, Menschen zu enttäuschen. Selbstverständlich wünscht sich jeder, der täglich im Stau steckt, eine weitere Autobahnspur. Und Regionen, die verkehrsmäßig schlecht angebunden sind, möchten bessere Straßen, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.

Das ändert jedoch alles nichts daran, dass ein moderner und zukunftsweisender Infrastrukturplan anders aussehen würde. Denn eine Verlagerung des Verkehrs auf Schiene, Bus, Fahrrad und Elektro ist unabdingbar, will man den Klimaproblemen begegnen.

Selbstverständlich steht ein solcher Umbau im ländlichen Raum vor besonderen Herausforderungen. Denn Busse werden auch in Zukunft nicht im viertelstündigen Takt zwischen Apenrade und Hadersleben verkehren. Täglich mit Fahrrad zwischen Tondern und Sonderburg zu pendeln, ist auch ein wenig weit.

Doch wer den Umbau so zögerlich angeht wie die Regierung, wird auch die zukunftsweisenden Lösungen für den ländlichen Raum kaum finden.

Seit Jahren schlagen Verkehrsexperten ein Instrument vor, das einerseits den Autoverkehr begrenzen und andererseits zwischen Stadt und Land differenzieren kann. Gemeint ist das Roadpricing, bei dem man je nach Ort und Zeitpunkt für die gefahrene Strecke zahlt. Oder anders formuliert: Wer des Nachts von Hellevatt nach Bülderup-Bau rollt, zahlt nichts. Wer darauf besteht, in der Stoßzeit durch Kopenhagen zu fahren, wird zur Kasse gebeten.

Doch dieses Instrument wird noch nicht einmal in Erwägung gezogen. Zu groß ist wohl die Befürchtung der Sozialdemokraten, eigene Wähler und Bürgermeister zu verprellen.

In den kommenden Wochen soll der Plan mit den Parteien verhandelt werden. Die Unterstützerparteien haben bereits Nachbesserungen in puncto Klima eingefordert.

Wie viele dieser Forderungen diese durchsetzen können, ist eine offene Frage. Denn die Regierung wird darauf hinweisen, dass sie auch eine Absprache mit den bürgerlichen Parteien machen kann.

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