Nordschleswig

Minderheiten-Erfahrung hilft Sonderburger bei Entwicklungsarbeit im Irak

Minderheiten-Erfahrung hilft Sonderburger bei Entwicklungsarbeit im Irak

Minderheiten-Erfahrung hilft bei Entwicklungsarbeit im Irak

Kopenhagen/Bagdad
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Seit gut einem Jahr arbeitet Niklas Maul im Irak. Foto: WFP

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Niklas Maul arbeitet in Bagdad unter hohen Sicherheitsvorkehrungen und zeitweise bei sengenden Temperaturen. Das Gefühl, einen Unterschied mit dem humanitären Einsatz und den Entwicklungsprojekten zu machen, ist ihm viel Entbehrung wert.

Der Abstand von Sonderburg (Sønderborg) nach Bagdad beträgt ungefähr 5.000 Kilometer. Der Unterschied zwischen einem Alltag in Nordschleswig und Niklas Mauls Leben im Irak dürfte – könnte man ihn in Kilometern messen – noch um einiges größer sein.

Im Juni erreichte das Thermometer schon einmal 52 Grad im Schatten. Mauls Alltag spielt sich weitgehend zwischen seinem Büro und seiner fünf Gehminuten entfernten Wohnung ab.

„Auch wenn sich die Lage deutlich verbessert hat, ist der Irak nach wie vor als Konfliktgebiet kategorisiert. Das heißt, wir arbeiten hier und leben hier in Bagdad in einem früheren US-Militärcompound“, erzählt er über eine Videoverbindung aus ebendieser geschützten Anlage.

Einen Unterschied im Leben der Menschen machen

Wenn er eines der Projekte besucht, die er betreut, dann findet der Transport in gepanzerten Fahrzeugen und meist im Konvoi statt. Auch in Bagdad kann er sich nicht frei bewegen.

Und trotzdem fühlt sich der gebürtige Sonderburger hier am genau richtigen Ort. Er arbeitet für die UNO-Organisation World Food Programme, die sich mit humanitärer Hilfe und landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekten befasst. 

„Es ist sehr einfach zu verstehen, was für einen Unterschied wir im Leben der Menschen machen, sowohl was die humanitären Projekte als auch die Entwicklungsprojekte betrifft“, begründet er seine Entscheidung, für eine gewisse Zeit in den Irak zu gehen.

Früher Traum von internationaler Arbeit

Als er Anfang des Jahrtausends die Deutsche Schule Sonderburg besuchte, konnte er sich noch nicht vorstellen, eines Tages für eine UNO-Organisation zu arbeiten. Nachdem er die 9. Klasse der Volksschule 2008 abgeschlossen hatte, besuchte er eine dänische Nachschule. Dort entstand erstmals der Gedanke, in die große, weite Welt zu ziehen.

„Mir kam der Gedanke recht früh, dass ich mich gerne in einem internationalen Umfeld betätigen möchte“, erinnert Maul sich. 

Als Schüler an der Deutschen Schule Sonderburg konnte Niklas Maul sich noch nicht vorstellen, dass er eines Tages für die weltweit größte humanitäre Organisation arbeiten würde. Foto: WFP

Das Abitur machte er an der Sonderburger Staatsschule. Zu diesem Zeitpunkt war ihm noch nicht klar, welche Ausrichtung seine zukünftige internationale Arbeit haben sollte. 

„Ich habe mich dann dazu entschlossen, an der Copenhagen Business School (CBS) European Business zu studieren, was auch eine internationale Ausrichtung hat.“

Interesse für Entwicklungsarbeit geweckt

Bereits nach dem Abitur war er für ein halbes Jahr nach Südafrika gegangen, um an einer deutschen Schule in Kapstadt zu unterrichten. Im ersten Studienabschnitt an der CBS machte er dann ein Auslandssemester in Hongkong. Nachdem Maul sich zunächst in der Privatwirtschaft gesehen hatte, änderte sich nun sein Fokus. 

„Nach meinem Auslandssemester in Hongkong und anderen Reisen hat sich dann auch der Gedanke entwickelt, dass ich mich gerne mit dem Thema Entwicklung beschäftigen wollte, und ich habe dann meinen Master in Wirtschaft und Entwicklung angefangen.“

Vielfalt sagte Niklas Maul zu

Im abschließenden Teil des Studiums sammelte Maul weitere Erfahrungen im internationalen Umfeld. Er machte eine Feldstudienreise nach Uganda und ein zweites Auslandssemester in Mexiko. Nach seinem Master absolvierte er 2019 ein Praktikum bei der dänischen Botschaft in Rom und bei der UNO-Delegation. In diesem Zusammenhang besuchte er das erste Mal das WFP. 

„Als ich das erste Mal das Hauptquartier betreten habe, merkte ich sofort, dass hier sehr viele Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen arbeiten und es sehr divers ist.“

Man wird in so einer Situation schnell mit dem Gefühl des schlechten Gewissens konfrontiert.

Und genau das sagte ihm zu. Attraktiv war für ihn auch, dass er das WFP als sehr dynamisch wahrgenommen hat und als eine humanitäre Organisation geprägt von einer „Ärmel hochkrempeln und loslegen“-Mentalität.

Nach Tropensturm auf den Philippinen

Der Wunsch, für die UNO-Organisation zu arbeiten, ging in Erfüllung. Er arbeitete zunächst vier Jahre im Berliner Büro mit der Koordinierung von Projekten mit den wichtigen Geberländern Deutschland, Österreich und Luxemburg. 

Als über Weihnachten 2021 ein Zyklon die Philippinen verwüstete, war er zum ersten Mal Teil eines WFP-Einsatzes vor Ort. Seine Aufgabe war es, bei der Koordinierung der Projekte und Geberbeziehungen zu unterstützen. 

„Ich wurde dann mit kurzer Vorwarnung auf die Philippinen geflogen und war knapp drei Monate lang vor Ort.“

Schlechtes Gewissen

Die Reaktionen der Menschen auf die Hilfen des WFP haben einen tiefen Eindruck auf den Sonderburger gemacht. Es vermittelte ihm ganz unmittelbar, dass sein Einsatz einen Unterschied macht. Doch es mischte sich auch ein anderes Gefühl in seine Gedankenwelt.

„Man wird in so einer Situation schnell mit dem Gefühl des schlechten Gewissens konfrontiert, einfach dadurch, dass man selbst in einem sehr privilegierten Kontext lebt und man natürlich auch aus diesem Krisengebiet mit Sicherheit wieder herauskommen kann, während die Menschen dort vollständig ausgesetzt sind und sich dann auch mit den Auswirkungen ihr Leben lang befassen müssen.“

Klimakrise im Irak

Seit gut einem Jahr ist Maul nun im Irak. Er übt sich darin, die Balance zu halten: „Wenn ich im Büro sitze, oder wenn ich an einer Mission teilnehme, dann bin ich voll da. Aber wenn der Zeitpunkt gekommen ist, abzuschalten, dann schalte ich auch vollkommen ab.“

Niklas Maul trägt die Kappe vom World Food Programme mit Stolz. Foto: WFP

Für ihn ist es dabei befriedigend, dass er auch hier erlebt, dass der Einsatz etwas nützt. Der Irak ist eines der Länder, die am schwersten vom Klimawandel betroffen sind. Hitzewellen, Staubstürme, aber auch heftige Regenfälle plagen das Land. Landwirtschaftliche Flächen gehen zunehmend verloren.

Das WFP versucht hier gegenzusteuern. Es hat daher im Irak den Schwerpunkt von humanitärer Hilfe auf Entwicklungsprojekte verschoben. Die Projekte werden von den WFP-Teams gemeinsam mit den lokalen Partnern und Gemeinschaften ins Leben gerufen. 

„Das WFP ist für seine Präsenz vor Ort bekannt, und das ist auch eine unserer Stärken.“

Mangroven als Schutz- und Lebensspender

Niklas Mauls Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Projekte korrekt ausgehandelt und anschließend auch so umgesetzt werden, wie das WFP es mit den Geberländern und Partnern vereinbart hat. Einer dieser Einsätze ist die Anpflanzung von Mangroven im Süden des Landes. Das Klimaprojekt wird weitgehend mit deutschen Geldern finanziert.

Hier werden Mangroven-Setzlinge gezüchtet. Foto: WFP

„Die Mangroven sind wichtig für die lokalen Ökosysteme. Wenn man Mangroven pflanzt, finden alle möglichen kleinen Krebstiere und Fische dort Zuflucht. Davon leben dann oftmals die lokalen Gemeinschaften. Gleichzeitig bilden sie einen Küstenschutz, und zudem sind Mangroven sehr effizient darin, Kohlendioxid direkt in den Wurzeln zu speichern.“

Minderheit als Vorbereitung für kulturelle Vielfalt

Es ist das Wissen um diese konkreten Effekte, die Mauls Motivation ausmachen. Wiederholt fällt das Wort „befriedigend“ während des Interviews. Und dann nimmt er auch die Hitze und fehlende Bewegungsfreiheit in Kauf.

Ein Keim der Hoffnung: Mangroven bieten Fischen Lebensraum und schützen bei Sturmfluten. Foto: WFP

Sein Arbeitsplatz erfüllt auch in reichlichem Maß den Wunsch nach internationaler Vielfalt, der bereits in seiner frühen Jugend in ihm wuchs. Er arbeitet täglich mit Kolleginnen und Kollegen aus der Türkei, Pakistan, Kenia, Peru und natürlich dem Irak zusammen. Für diesen Alltag hat er eine wichtige Eigenschaft aus Nordschleswig mitgebracht.

„Mein Hintergrund in der Minderheit kommt mir in meinem Arbeitsumfeld mit unterschiedlichen Kulturen sehr zugute. Ich glaube, ich kann berechtigt sagen, dass ich eine Person bin, die eine Offenheit anderen Kulturen gegenüber mitbringt“, sagt Niklas Maul. 

Der Sonderburger weiß noch nicht genau, wie lange er im Irak bleibt. Üblicherweise sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwei Jahre vor Ort. Das wäre in seinem Fall ein weiteres Jahr.

World Food Programme

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) ist die weltweit größte humanitäre Organisation. 

Das WFP ist eine gemeinsam von der Generalversammlung der Vereinten Nationen und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) getragene Einrichtung.

Es hilft Menschen in Not mit Nahrungsmitteln oder Bargeldtransfers nach Naturkatastrophen, Dürren oder gewalttätigen Konflikten. 

Das WFP arbeitet außerdem mit Projekten, die langfristig die Ernährungssituation verbessern sollen. 

Die Organisation beschäftigt weltweit 23.000 Personen und ist in 120 Ländern und Regionen tätig.

Quelle: WFP

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