Informationstag

Auswandern: „In Deutschland ist vieles sehr kompliziert“

Auswandern: „In Deutschland ist vieles sehr kompliziert“

Auswandern: „In Deutschland ist vieles sehr kompliziert“

Sonderburg/Sønderborg
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Die Kommune Sonderburg wirbt aktiv um neue Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland. Bei diversen Zuzüglermessen verteilt sie kleine Geschenke wie diese an die Gäste. Foto: Sara Eskildsen

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Rund 150 Personen haben sich am Montag über ein Leben in Süddänemark informiert. Wie wandert man aus, und was gilt es zu bedenken? Im Saal der Kaserne standen Ausgewanderte, Makler und Schulen den Deutschen Rede und Antwort.

Mit Smørrebrød und geballtem Fachwissen hat die Kommune Sonderburg am Montag rund 150 interessierte Auswanderer mit Informationen und Netzwerk versorgt.

Zum fünften Mal organisierte der kommunale Zuzüglerservice eine solche Veranstaltung. Sprachschule, Immobilienmakler, Zeitarbeitsagentur und Jobcenter, Schulen, Büchereien, Bürgerservice und weitere Akteure berieten an Infoständen all die Menschen, die sich für einen Umzug nach Süddänemark interessieren oder sich schon dafür entschieden haben.

Rund 150 Personen kamen in den Saal der Kaserne, um sich für ein Leben in der Kommune Sonderburg vorzubereiten. So viele wie noch nie, sagt Tatjana Rode, seit sechs Jahren Zuzüglerkoordinatorin der Kommune Sonderburg.

Infobedarf bei den Themen Job und Hauskauf

„Es gab immer ein gewisses Interesse von Deutschen, die in die Sonderburger Gegend ziehen wollen. Meistens waren das Touristen, die oft hier waren. Im vergangenen Jahr konnte ich ein noch größeres Interesse von deutscher Seite spüren. Auch von Personen, die noch nie hier waren. Daher haben wir diese Infotage ins Leben gerufen. Es wurden so viele, da war eine Beratung eins zu eins fast nicht mehr möglich.“

Den größten Infobedarf gebe es bei den Themen Job und Hauskauf. „Auch die Frage, wie man eine CPR-Nummer kriegt, ist relevant. Und für Familien ist die Wahl der Schulen und der Kindergärten wichtig.“

Rund 150 Personen nahmen 2022 bei einem Infotag im Saal der Sonderburger Kaserne teil. Foto: Sara Eskildsen

Eine oft gestellte Frage an die Zuzüglerkoordinatorin: Kann man aus Deutschland in die Kommune Sonderburg ziehen, ohne einen Job zu haben? „Das kann man machen, man muss aber gegenüber der Behörde nachweisen, dass man sich von Tag eins an selbst versorgen kann“, so Rode.

Nachweisen, dass man sich versorgen kann

„Manche kaufen erst ein Haus und bekommen dann eine EU-Aufenthaltsgenehmigung. Aber auch hier muss man zunächst nachweisen, dass man sich versorgen kann.“ Ein Anwalt konnte an einem der Infostände genaueres mitteilen.

Dänischer Lebensstil von Anfang an: zur Begrüßung erstmal einen Gammel Dansk Foto: Sara Eskildsen

Hans Georg Henningsen lebt seit 1995 in der Kommune Sonderburg. Damals zog er vom Land zwischen Flensburg und Kappeln nach Dänemark, der Liebe wegen. „Ich hatte gerade einen Sprachkurs begonnen, als ich meine große Liebe, meinen Mann, kennenlernte. Er war Däne“, so Henningsen, der mittlerweile die dänische Staatsbürgerschaft angenommen hat.

„Wir sind hier sehr praktisch veranlagt, sehr hilfsbereit“

„Als ich hier hergezogen bin, habe ich mich darüber gefreut, dass hier im Grunde alles recht einfach ist. In Deutschland ist sehr vieles sehr kompliziert und das hat sich im Laufe der Jahre noch verschlimmert. Wir sind hier sehr praktisch veranlagt, sehr hilfsbereit und es muss nicht alles diesen großen intellektuellen theoretischen Hintergrund haben. Hauptsache es funktioniert. Das liegt mir und passt mir sehr gut.“

Hans Georg Henningsen aus Südschleswig lebt seit 1995 in der Kommune ist seit vielen Jahren Däne. Foto: Sara Eskildsen

Ich würde sagen: erst kommt die Sprache. Man braucht einen gewissen Grundstock an Sprache, das ist wichtig für die Integration. Die Dänen legen Wert darauf, dass die Einwanderer Dänisch sprechen. Und dann ist natürlich die Frage: an wen wendet man sich?

Hans Georg Henningsen, Berater

Henningsen gab seine Erfahrungen mit Dänemark und dem dänischen System am Montag an Auswanderungswilige weiter.

Seine Tipps: „Ich würde sagen: erst kommt die Sprache. Man braucht einen gewissen Grundstock an Sprache, das ist wichtig für die Integration. Die Dänen legen Wert darauf, dass die Einwanderer Dänisch sprechen. Und dann ist natürlich die Frage: an wen wendet man sich? Ich habe mit einer Frau gesprochen, die war Krankenschwester und will sich im Krankenhaus bewerben. Ich habe ihr geraten: einfach hingehen und sagen, dass man ausgebildete Krankenschwester ist und einen Job sucht. Das würde man in Deutschland nie tun. Wenn man da nicht eine Form von Aufsatz schreibt, kriegt man keinen Job. Das ist hier nicht nötig. Das wird dann schon geregelt. Das ist dieser Pragmatismus, den ich so schätze.“

Hans Georg Henningsen lebt südlich von Mommark auf der Insel Alsen, in Sarup. Zurück nach Deutschland? „Never ever“, so der Däne, der die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben hat. „Ich finde es besser, wenn man sich entscheidet. Ich bin Europäer – und dänischer Staatsbürger, und das ist gut.“

Iben Vind-Hansen informierte als Schulleiterin der Humlehøjskole über das Angebot der Integrationsklassen. Foto: Sara Eskildsen

Iben Vind-Hansen ist Schulleiterin an der dänischen Volksschule „Humlehøjskolen“ in Sonderburg. Dort gibt es seit August von der 0. bis zur 9. Klasse Integrationsklassen („modtagerklasse“), in der die Kinder intensiv Dänisch lernen und je nach Sprachfähigkeit langsam in die „normalen“ Klassen eingeführt werden.

Derzeit besuchen 30 Kinder und Jugendliche diese Klassen, sie kommen von Grönland und Island, aus Deutschland, Schweden, Rumänien, der Ukraine, Vietnam und Brasilien. Die Lehrerinnen und Lehrer sind entsprechend darauf eingestellt, dass die Kinder zunächst kaum oder nicht Dänisch sprechen.

Der Fokus liegt auf dem Dänischlernen

Unterrichtet werden alle Fächer, aber der Fokus liegt auf dem Dänischlernen. „Das Interesse an diesem Angebot ist derzeit groß, dieser Infotag ist eine sehr gute Gelegenheit für alle Interessierten!“, so die Schulleiterin der Humlehøjskole.

 Gerade das Bildungssystem unterscheidet sich total vom Deutschen.

Jennifer Ohm

Jennifer Ohm und ihre Familie ziehen Ende April von Schleswig nach Øster Snogbæk, rund zehn Kilometer nordwestlich von Sonderburg. Sie haben sich entschieden, ihre Tochter Emilie am Kindercampus Lunden einzuschulen und renovieren gerade ihr Haus, das sie sich gekauft haben. „Wir haben uns verschiedene Schulen angeschaut und sind dann zu dem Entschluss gekommen, bei Marion einzuschulen“, so Jennifer Ohm.

Der Weg nach Lunden führt von Øster Snogbæk entweder mit der Fähre von Ballebro nach Hardeshøj – oder mit dem Auto über Sonderburg. „Das werden wir dann wohl je nach Jahreszeit machen“, so die Mutter. 

„Anlass war überwiegend das Bildungssystem“

Die Entscheidung zum Auswandern nach Dänemark fiel mit Blick auf die bevorstehende Einschulung. „Anlass war überwiegend das Bildungssystem in Deutschland. Unsere Tochter ist jetzt fünf und wird im April sechs. Wir haben uns überlegt: bleiben wir in Deutschland? Schulen wir in Deutschland ein oder gehen wir lieber nach Dänemark, wo die Kultur ja wirklich eine andere ist und der Umgang und das Miteinander. Gerade das Bildungssystem unterscheidet sich total vom Deutschen. Die Klassen sind kleiner, es ist alles auf Augenhöhe. Und gerade auch das Duzen macht viel aus, auch für die Kinder.“

Schulleiterin Marion Petersen und Zuzüglerin Jennifer Ohm am Infostand des Kindercampus Lunden Foto: Sara Eskildsen

Marion Petersen ist Schulleiterin am Kindercampus Lunden und zum fünften Mal beim Infotag dabei. Sie kann deutlich spüren, dass sich immer mehr Deutsche für einen Umzug nach Süddänemark entscheiden: zum kommenden Schuljahr hat sich die Schülerzahl verdoppelt, es gibt eine neue Lerngruppe.

„Derzeit finden viele persönliche Gespräche mit Eltern statt. Ich freue mich, es sind sehr nette und interessierte Eltern. Ich habe heute auch über Nachschule und Gymnasium gesprochen und mache einen DSSV-Rundumschlag, auch mit dem Kindergartenbereich. Manche fragen auch nach Arbeitsstellen, da verweise ich dann auf die Internetseite des DSSV“, so Marion Petersen.

Schulleiterin Marion Petersen war zum fünften Mal beim Infotag für Zuzügler dabei. Foto: Sara Eskildsen

Derzeit besuchen 20 Kinder die deutsche Schule auf dem Kindercampus Lunden, ab Sommer sind es knapp 40. „Viele der neuen Kinder kommen von Waldorf- oder Montessorischulen und kennen das Prinzip der Lerngruppen und finden es gut.“ Noch ist Platz nach oben, bei rund 50 Schülerinnen und Schülern wäre die Schule ausgelastet.

Gegen 13.30 Uhr endete das Infotreffen in der Sonderburger Kaserne. Es war bestimmt nicht das letzte, sagt Zuzüglerkoordinatorin Tatjana Rode. „Das Interesse ist größer denn je – und damit einhergehend auch der Informationsbedarf.“

 

 

 

Vor dem Saal der Kaserne wartete die Kommune mit dänischen Flaggen zur Begrüßung auf. Foto: Sara Eskildsen
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