Traditionsveranstaltung

Wie kann das Ringreiten überleben, Bent?

Wie kann das Ringreiten überleben, Bent?

Wie kann das Ringreiten überleben, Bent?

Lysabbel/Lysabild
Zuletzt aktualisiert um:
Bent Christensen und seine Stute Nikita auf dem Hof am Kegnæsvej Foto: Sara Eskildsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Den Pferdesport Ringreiten gibt es weltweit nur im deutsch-dänischen Grenzland. Doch immer weniger Reiterinnen und Reiter melden sich zu den Turnieren. Hat die Tradition eine Zukunft?

Nikita steht im kalten Frühjahrswind und zupft am Heuberg vor ihr. In zwei Monaten wird die Stute Decke und Winterfell los sein – und zusammen mit ihrem Besitzer Bent Christensen von Ringreitturnier zu Ringreitturnier reisen. Von Norburg (Nordborg) nach Schwennstrup (Svenstrup), über Sonderburg nach Apenrade (Aabenraa) – Bent Christensen und Nikita nehmen jedes Ringreitturnier in Nordschleswig mit.

„Wir Ringreiter sind wie ein Zirkus. Ziehen von Stadt zu Stadt, treten mit dem auf, was wir können, den ganzen Sommer über. Wir kommen mit unseren Pferden, nehmen am Wettkampf teil, bieten Unterhaltung und dann reisen wir nach dem Volksfest wieder ab. Bis zum nächsten Wochenende, wo wir uns an einem anderen Ort treffen“, sagt der 52-jährige Bent Christensen.

30 bis 35 Turniere im Laufe der Saison

Er ist Vorsitzender des Ringreitervereins Ulkebüll und Hörup (Ulkebøl- Hørup Ringriderforening) und lässt kein einziges Turnier aus. „Ich nehme an allen Wettkämpfen in ganz Nordschleswig teil, von Mai bis Oktober. Das sind wohl etwa 30 bis 35 Turniere.“

Seine Stute und er sind dabei seit 2012 ein eingespieltes Team. „Mein Pferd springt in den Anhänger, wenn es losgehen soll, und es springt wieder vom Anhänger, wenn wir wieder zu Hause sind.“

Bent Christensen ist Vorsitzender eines lokalen Ringreitervereins und macht sich dafür stark, dass die Tradition weiterlebt. Foto: Sara Eskildsen

Bent Christensen macht seit 1987 beim Ringreiten mit, damals war er 16. „Ich wollte unbedingt mitmachen und wollte mein eigenes Pferd haben. Das Ringreiten fand ich immer toll. Unser Nachbar war immer mit zum Ringreiten, das hat mir gefallen. Irgendwann hat mir ein Freund sein Pferd angeboten – und ich habe beim Ringreiten mitgemacht.“

Reiten gelernt hat er im Laufe eines Wochenendes. „Ich glaube, ich bin 100-mal heruntergefallen – das Reiten haben wir uns damals selbst beigebracht“, sagt der Nordschleswiger, der in Ulkebüll (Ulkebøl) geboren und auf Alsen aufgewachsen ist.

Erstes offizielles Ringreiterfest 1845 in Augustenburg

Das Leben auf dem Land ist für ihn unwiderruflich mit dem Ringreiten verbunden. „Wir sind eine große, lebendige Gemeinschaft. Man trifft sich am Wochenende, man tritt gegeneinander an, und man feiert zusammen.“

Ringreiten ist eine alte Tradition in Nordschleswig. Das erste Ringreiten fand 1845 statt, als erstes Volksfest seiner Art in Augustenburg. Anlass war die Silberhochzeit von Herzog Christian August und Herzogin Louise. 450 Ringreiter von ganz Alsen machten sich auf den Weg nach Augustenburg, um beim Ringreiterfest gegeneinander anzutreten.

Das Ringreiterfest in Sonderburg ist das größte in der Kommune Foto: Karin Riggelsen

Vor einigen Wochen hatte Bent Christensen alle Ringreitervereine von der Insel Alsen (Als) zum Krisentreffen eingeladen. Um zu besprechen, wie man die Tradition Ringreiten retten kann. Denn die Teilnehmerzahlen bei den Turnieren gehen seit Jahren zurück.

Warum? „Ein Pferd zu halten, und vor allem ein Pferd zu kaufen, ist wahnsinnig teuer geworden. Das leisten sich nicht mehr viele. Wir wollen in Zukunft vermehrt zusammenarbeiten“, sagt der Vorsitzende der Ringreitervereins Ulkebüll und Hörup (Ulkebøl-Hørup Ringriderforening). „Also die Ringreitervereine untereinander.“

Bislang richtet jeder Verein sein eigenes Fest aus. Einzelne Vereine teilen sich ein eigenes Festzelt. „Es geht nicht darum, dass wir ein gemeinsames Fest ausrichten, überhaupt nicht. Die Feste haben vor Ort ihre ganz eigene Bedeutung. Aber wir können uns noch besser unterstützen“, sagt Christensen.

Zwei, drei große Ringreiterfeste statt 35 in der ganzen Kommune – dieses Szenario sei nur als Notlösung denkbar. „In Schauby beispielsweise ist das Ringreiten ein riesengroßes Fest. Das bedeutet etwas. Es wäre ein großer Verlust, wenn es die lokalen Ringreiterfeste nicht mehr gäbe.“

„Besser darin werden, voneinander zu leihen“

Gemeint ist die Hilfe ganz praktisch – beim Galgenaufstellen oder beim Finden der Preise für die Siegerinnen und Sieger.

Elf Ringreitervereine auf Alsen haben sich vor Jahren ein gemeinsames Festzelt gekauft – es reist von Fest zu Fest, und die Vereine konnten sich die Anschaffungskosten teilen. Die Sonderburger Kommune hatte die Anschaffung mitfinanziert.

„Vielleicht würde das auch für die größeren Ringreiterfeste Sinn ergeben“, gibt Christensen zu bedenken. Auch gemeinsame Toilettenwagen könnten eine Idee für die Zukunft sein – um teure Mieten zu sparen. „Wir müssen generell besser darin werden, voneinander zu leihen“, sagt Christensen.

Für manche Familien in Nordschleswig ist das Ringreiten ein Familienereignis. Foto: Karin Riggelsen

Die fragen uns oft: Wie könnt ihr nur so viel Glück haben und so viel Geld kriegen. Und dann sagen wir: Wir hatten Glück und hatten einen Stephan Kleinschmidt, der den Ringreitervereinen helfen wollte!

Bent Christensen, Vorsitzender

Finanziell geht es den Vereinen gut in der Kommune Sonderburg, sagt Bent Christensen.

„Hier auf Alsen können wir uns ökonomisch wirklich nicht beklagen. Das Fest Ulkebüll-Hörup kriegt rund 15.000 Kronen Zuschuss pro Saison, ein kleineres privates Ringreiten in Ulkebüll erhält beispielsweise 7.500 Kronen. Davon kann man gut ein Ringreiterfest ausrichten! Die Politik in Apenrade hingegen sollte sich schämen. Deren Ringreitervereine bekommen, wenn überhaupt, 500 Kronen als Zuschuss. Die haben es richtig schwer. Die fragen uns oft: Wie könnt ihr nur so viel Glück haben und so viel Geld kriegen. Und dann sagen wir: Wir hatten Glück und hatten einen Stephan Kleinschmidt, der den Ringreitervereinen helfen wollte!“

Vizebürgermeister Stephan Kleinschmidt von der Schleswigschen Partei hatte vor Jahren selbst mit dem Ringreiten angefangen und trat bei Wettkämpfen an. Als damaliger Vorsitzender des Kulturausschusses machte er sich für die Ringreitertradition stark. Ein Einsatz, den die Vereine bis heute spüren.

Doch für Nachwuchs und Vereinsmitglieder müssen die Vereine selbst sorgen – und daran hapert es.

Überlegt wird aktuell, wie man über die Reitvereine Kinder und Jugendliche für das Ringreiten begeistern kann. „Vielleicht mit einem Wochenendangebot oder einem Kurs, da gibt es bestimmt Möglichkeiten“, so eine Idee von Bent Christensen.

Typisch Nordschleswig: das Ringreiten hat es als Kulturgut bis ins Museum im Sonderburger Schloss geschafft. Foto: Sara Eskildsen

Müssen die alteingesessenen Ringreitenden offener gegenüber neuen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sein?

„Ja, das müssen wir vielleicht. Darüber nachdenken, wie es für die Neuen ist, die dazukommen. Aber neue Teilnehmende müssen auch anerkennen, dass es eine alte Tradition ist. Mit ungeschriebenen Regeln, die man befolgen muss. Die Kleidung beispielsweise. Es gilt schwarze Stiefel, weiße Reithosen, weißes Hemd und Schlips, schwarze Jacke und eine weiße Kopfbedeckung, wenn wir auf Alsen reiten. Auf der anderen Seite, also beispielsweise in Apenrade, tragen wir eine blaue Kappe. Man trägt nicht einfach nur ein T-Shirt oder eine braune Jacke.“

Die Ringreitenden seien ein eigenes Völkchen. „Wir sitzen auf den Pferden und rufen uns gegenseitig Sachen zu, wir haben viel Spaß dabei, und es ist viel Spaß und Quatsch dabei.“

Im Galopp muss der Reitende einen Ring aufspießen, der von einem sogenannten Galgen hängt. Foto: Karin Riggelsen

Neue Mitglieder für die Vorstandsarbeit zu gewinnen, wird eine der großen Aufgaben. „Die harte Antwort, warum es so schwer ist, Leute für die Vorstandsarbeit zu gewinnen, ist, dass die Leute heutzutage keine Lust mehr haben, nach Feierabend etwas zu tun. Eine andere Erklärung ist, dass es so viele Vereine gibt, die neue Mitglieder werben. Ich suche seit Langem verzweifelt nach einem Kassierer für unseren Verein. Jetzt überlegen wir, eine Buchhalterfirma zu engagieren, die die Aufgabe übernimmt“, schildert Christensen die Situation.

Die nächste Generation ist gefragt

Zur jüngsten Generalversammlung seien lediglich sechs Personen aufgetaucht.

Kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man sagen muss: Jetzt geht es nicht weiter? „Ich hoffe, dieser Augenblick kommt nie. Zumindest nicht, so lange ich lebe. Aber wenn die Jungen keine Lust darauf haben und mithelfen wollen, dann stirbt die Tradition. Dann gibt es innerhalb von zehn Jahren kein Ringreiten mehr, zumindest nicht im selben Umfang.“

Royale Ringreiter-Zuschauerin: Königin Margrethe schaut sich regelmäßig den Ringreiterumzug durch den Ort an, wenn sie im Schloss Gravenstein Urlaub macht. Foto: Karin Riggelsen

Bent Christensen hat noch Hoffnung. „Vielleicht können wir die Kinder für das Ringreiten begeistern. Rein in die Reitschulen und Werbung für das Ringreiten machen.“ Sein Sohn sei als Junge ein ausgezeichneter Ringreiter gewesen – „er hat sogar mal einen Königstitel im Ponyreiten gewonnen. Er war definitiv besser als sein Vater“, lacht Bent Christensen. Weitergeführt hat sein Sohn die Tradition aber nicht.

Bislang fehlt die Königskrone noch …

Ringreiterkönig, also der Sieger eines Wettkampfes, ist Bent Christensen im Laufe seiner langen Karriere noch nie gewesen. „Noch nicht ein einziges Mal. Aber wenn ich von einem Ringreiten nach Hause fahre, bin ich einfach froh, dabei gewesen zu sein. Natürlich mache ich mit, um zu gewinnen. Aber das ist nicht mein Hauptziel. Ich will an dem Wochenende abschalten können – und aufladen. Ringreiten ist für mich Entspannung pur, das tut mir gut.“

Bent Christensen vor einem Foto seiner Kinder. „Der Sohn reitet besser als der Vater“, lacht der Ringreiter. Foto: Sara Eskildsen

Am 30. Mai steht mit dem Ringreiterfest in Norburg das erste Ringreiten auf dem Saisonkalender. Mit dem Training hat Bent Christensen noch nicht begonnen. „Das kommt demnächst“, sagt der 52-Jährige. Bis dahin hat Nikita auch wieder ihre alte Figur zurück – ohne Winterfell.

Eine Übersicht über alle Ringreiterturniere in der Kommune Sonderburg gibt es hier.

 

 

Mehr lesen