Jubiläum
90 Jahre Arbeit für die Gesundheit und für das Miteinander
90 Jahre Arbeit für die Gesundheit und für das Miteinander
90 Jahre Arbeit für die Gesundheit und für das Miteinander
Der Ur-Rapstedter Horst Jacobsen und seine Frau Ingrid haben sich mit der Geschichte des Sozialdienstes Rapstedt anlässlich des 90-jährigen Bestehens beschäftigt und den Werdegang in eigene Worte gefasst. In den 90 Jahren ist einiges passiert.
Gründungszeit 1929
Zur Zeit unserer Vorfahren spielte die nationale Zugehörigkeit eine zentrale Rolle. Die pflegerische Betreuung, insbesondere der Landbevölkerung, lag noch im Argen, und eine Gleichstellung von Mann und Frau war noch völlig undenkbar.
Das galt auch für die Zeit um 1929 in Rapstedt und Umgebung (Hünding, Fauderup, Quorp, Heisel, Haustedt, Bredewatt und Horns). Deshalb versammelten sich am 29. November in Nissens Gasthof in Rapstedt 36 Frauen, um einen Verein zu gründen mit dem Ziel, ein lokales Pflegesystem der deutschen Gemeinschaft mit eigener Krankenschwester einzurichten.
Der neue „Frauenverein für Rapstedt und Umgebung“ wählte Frau Heldt als 1. Vorsitzende mit 18 zu 14 Stimmen vor Frau Petersen. Nachdem man den Jahres-Mitgliedspreis auf 4 Kronen festgelegt hatte, ging es sogleich ans Eingemachte, nämlich der Frage, ob nicht ein Mann zum Vorstand gehören solle.
Erst in einer 2. Abstimmung wurde mit 16:15 Stimmen beschlossen, dass von den 5 Mitgliedern im Vorstand einer ein Mann sein könne.
Bereits wenige Wochen nach der Gründung wurde als Krankenschwester und Pflegerin die Diakonisse Marie Andresen eingestellt. Sie wohnte zur Miete bei Johannes Jakobsen (jetzt „Ravstedhus"), von wo aus sie zu Fuß oder per Fahrrad ihren Dienst am 7. Februar 1930 aufnahm mit einem Arbeitsradius von 5 Kilometern.
Die Einwohnerzahl im Betreuungsgebiet der Schwesternstation Rapstedt betrug 1.500, wie aus dem 1. Arbeitsbericht zu entnehmen ist. Aus diesem Bericht geht ferner hervor, dass 10 Tuberkulosefälle, 4 Krebs-, 20 rheumatische und 27 Unglücksfälle sowie 8 „Wöchnerinnen“ versorgt wurden bei insgesamt 4.265 Hausbesuchen. Alles zu Fuß oder per Fahrrad und ohne Telefon!
Tätigkeitsbericht
1959/60, als Schwester Elsa Berdiin für den Krankenpflegeverein arbeitete, gab es immerhin noch 2.967 Kranken- und Hausbesuche!
Mit der Einstellung von Alwine Holt 1983 als Familienberaterin wurde die Arbeit neu strukturiert und völlig umgestellt. Die Tätigkeit einer Schwester und einer Familienberaterin lässt sich nicht mehr direkt miteinander vergleichen.
Heute sind Telefon, Handy und Auto bei Problemlösungen und für Betreuungsbesuche unerlässlich und nicht mehr wegzudenken, dagegen eine Ausbildung als Krankenschwester nicht mehr erforderlich.
Geblieben sind die menschlichen Kontakte, wovon die folgenden Zahlen Zeugnis ablegen: von 1929 bis 1983 und von 1983 bis 2009 sind insgesamt 214.300-mal Menschen im Betreuungsgebiet Rapstedt und Umgebung versorgt worden. Eine fast unvorstellbare Zahl.
Wir kennen solche Statistik genau, weil vom Tag der Gründung ein Protokollbuch angelegt wurde, um alle wichtigen Ereignisse, Beschlüsse und Geldverhältnisse schriftlich festzuhalten.
So wurde im Laufe von vier Generationen ein Ordner nach dem anderen angelegt. Da die meisten noch erhalten sind, ist daraus inzwischen ein wahrer Aktenberg gewachsen.
Übrigens: Die 1. Diakonisse Marie Andresen bekam für ihre Tätigkeit ein Haushaltsgeld von 50 Kronen im Monat, und dieses „Gehalt“ wurde zehn Jahre lang nicht erhöht! Allerdings stand ihr eine Wohnung frei zur Verfügung. Sie wohnte bei Johannes und Maria Jakobsen und deren Tochter.
Das 95-jährige Vereinsmitglied Anni Jakobsen hat berichtet, dass Schwester Marie bisweilen mächtig schimpfen konnte, weil das Versprechen des Vereins auf ein eigenes Haus nie eingelöst wurde.
Änderungen
1942 beschloss man, den Verein in „Krankenpflegeverein für Rapstedt und Umgebung“ umzubenennen. 1. Vorsitzender wurde nun ein Mann, nämlich Andreas A. Carstensen aus Heisel.
Manchmal findet sich in den Unterlagen die Bezeichnung „Deutscher Frauenverein für Rapstedt und Umgebung“. Es konnte jedoch kein offizieller Vereinsbeschluss ausfindig gemacht werden.
In Protokollen wird Laust Jepsen erwähnt. Viele von den Älteren erinnern sich an diesen humorig-verschmitzten Verkäufer von Milchprodukten der Meierei. Bedeutung erlangte er für unseren Verein, weil er zusätzlich „lillebil“ fuhr und deshalb ein Telefon besaß.
Dieses Telefon nun wiederum durfte die Schwester des Krankenpflegevereins bei Notfällen benutzen, wofür Laust Jepsen 30 Kronen vom neuen Vorsitzenden Andreas A. Carstensen als Entschädigung erhielt.
Neuanfang
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges traten vermehrt Männer dem Verein bei, zunächst fast ausschließlich als zahlende Mitglieder, aber nach und nach auch als Teilnehmer der Veranstaltungen und als gewählte Vorstandsmitglieder.
Mit der Verabschiedung von Schwester Erika Enemark 1983 und der gleichzeitigen Einstellung von Alwine Holt als Familienberaterin wandeln sich der Auftrag und damit auch das Angebot und die Arbeitsweise des Vereins.
Die medizinisch behandelnde und pflegerische Arbeit gibt es nicht mehr. Sie wird im Rahmen der dänischen Gesetzgebung ausgeführt und dem dänischen Gesundheitssystem überlassen.
Nach der Neuausrichtung kümmert sich die Familienberaterin um Betreuung, Beratung, praktische Information und Hilfsmöglichkeiten. Außerdem steht sie dem Verein bei seinem Unterhaltungs- und Bildungsprogramm zur Seite.
Hyggeclub
In Rapstedt erfolgte eine allmähliche Wandlung zu einem Pensionärsverein. Als Vorstandsposten nicht mehr besetzt werden konnten, war die Durchführung von vielen Aktivitäten in Eigenregie nicht mehr möglich. Die Konsequenz erfolgte 2016 mit der Umwandlung in einen „Hyggeclub“, deren Leitung seither Ingrid und Horst Jacobsen innehaben.
Einmal im Monat trifft man sich zu einem Gemeinschaftsessen im Krug. Wir singen Lieder aus unserem eigenen Rapstedt-Liederbuch, hören kleine Geschichten, klönen und „hyggen“ uns.
Hat jemand Bedarf nach „Bildung“, fährt er zu Veranstaltungen von einem der Nachbarvereine, die uns zu ihren Programmen immer gerne empfangen.
Noch gibt es in Rapstedt und Umgebung eine kleine Gruppe, die in diesem Miteinander, verbunden mit der Pflege der deutschen Sprache und Kultur, etwas Erhaltenswertes sehen.
Die Zeichen der Zeit zu erkennen und Veränderungen anzunehmen und umzusetzen, haben die Menschen rund um Ihren Sozialverein seit vier Generationen versucht.
Wir verneigen uns in Respekt vor den Gründern und den vielen, die danach unter dem Motto „Dienst am Menschen“ diesen Verein 90 Jahre geführt und mit Leben erfüllt haben. Wir bedanken uns bei den nahezu unzähligen Bürgern, die seit Bestehen Hilfe der Schwestern und der Familienberaterin in Anspruch genommen haben, die durch sie Rat, Pflege, Zuspruch oder Trost erfahren haben.
Feier in Osterhoist
Das Vereinsjubiläum des Sozialdienstes Rapstedt wird am 1. November ab 11 Uhr im Rahmen einer kleinen Feier mit Freunden, Wegbegleitern, Vertretern von Nachbarvereinen, der Geschäftsstelle und der Kirche bei einem Mittagessen in Osterhoist begangen.