Mobilität

Mit Behinderung über Stock und Stein

Mit Behinderung über Stock und Stein

Mit Behinderung über Stock und Stein

Tingleff/Tinglev
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Dank des neuen „Sitway“ können Stephan Laukamp und Sohn Emil künftig gemeinsame Touren im Gelände unternehmen. Foto: Friedrich Hartung

Stephan Laukamp aus Tingleff hat sich einen Hightech-Rollstuhl angeschafft, der ihm zu erheblich mehr Mobilität verhilft. Mit dem Sohn sind nun auch wilde Ausflüge in die Natur möglich

„Wenn ein bisschen Schnee liegt, wenn es matschig ist oder ein Ast im Weg ist, dann geht es mit dem normalen Rollstuhl schon nicht weiter. Mit diesem Sitway ist das anders. Es ist fast ein wenig so, als hätte man seine Beine zurück“, sagt Stephan Laukamp aus Tingleff euphorisch.

Seit einem folgenschweren Motorradunfall vor rund neun Jahren ist der Tingleffer querschnittsgelähmt und kann sich seitdem mit Einsatz seiner Arme nur im Rollstuhl fortbewegen. Mit herkömmlichen Modellen ist das mühsam.

Stephan Laukamp, der trotz des harten Schicksalsschlags positiv durch das Leben zieht und für seine Frohnatur bei Familie und Kumpels geschätzt wird, ist ganz gespannt auf sein neues Leben mit dem Hightech-Mobil. Es ist mit der Technik der sogenannten Segways ausgestattet und fährt auf nur zwei Rädern ohne Stützen.

Stephan Laukamp und Sohn Emil beim Auspacken des neuen „Sitway". Foto: Friedrich Hartung

  

„Schon vor drei Jahren wurde ich durch eine Sendung im deutschen Fernsehen auf diesen Sitway aufmerksam. Ich habe mich aber erst vor kurzem intensiv damit auseinandergesetzt. Ich traf zufällig einen Mann aus Fredericia, der so einen Wagen besitzt. Ich habe mir alles zeigen und erklären lassen und habe bei einer Firma in Schweden schließlich dieses Exemplar gekauft“, erzählt der 37-Jährige.

Billig ist so ein 80 Kilogramm schweres Teil nicht. Rund 170.000 Kronen –  249.000 schwedische Kronen – hat der Tingleffer dafür bezahlt. Vor knapp drei Wochen wurde das Fahrzeug angeliefert. „Es gibt billigere Modelle. Ich wollte aber etwas Ordentliches“, so Laukamp.

Und man hat die Hände frei, wenn man sich geradeaus bewegt. Im Supermarkt kann ich jetzt einen Einkaufswagen schieben. Das war zuvor nicht möglich

Der Tingleffer hätte die Kommune bei der Anschaffung miteinbeziehen können, „dann wäre es aber nicht mein Eigentum. Ich möchte selbst über den Sitway bestimmen können“, so Stephan Laukamp. Er wundert sich, dass es in Dänemark noch recht wenige dieser neuen Rollstühle gibt, sorgen sie doch für eine erheblich größere Mobilität. 

Die Batterie mit zehn Jahren Garantie wird über die normale Steckdose aufgeladen. Die Reichweite des Sitway beträgt nach Angaben des Tingleffers 35 Kilometer.

Antrieb durch Verlagerung

Sensoren sorgen dafür, dass der Sitway die Balance hält. Das Fahren und auch das Bremsen werden mit dem Verlagern des Oberkörpers gesteuert. Gelenkt wird mit einer Stange, die vorn eingerastet wird. Bis zu 20 km/h schnell ist das Mobil.

„Auf Gehwegen halte ich aber die vorgeschriebenen 6 km/h ein“, versichert der 37-Jährige. Nicht, dass da noch ein Bußgeld folgt….

Das Umsteigen vom Rollstuhl auf den Sitway ist für Stephan Laukamp kein großes Problem. Foto: Friedrich Hartung

„Man braucht eigentlich Bauchmuskeln, um die Impulse zu geben. Ich bin ab der Brust gelähmt, bekomme das Fahren zum Glück aber trotzdem gut hin. Es hat bei den allerersten Versuchen, als ich mit der Anschaffung noch liebäugelte, sofort geklappt“, so Laukamp erleichtert.

Mit seinem neuen Sitway hat er schon die ersten kleinen Probefahrten unternommen, und als ehemaliger KFZ-Mechaniker hat er zuvor noch etwas justiert und die optimale Sitzposition eingestellt. 

Die robusten Reifen können viel mehr Hindernisse und Unwegsamkeiten als herkömmliche Rollstühle meistern. „Man kann sogar Winterreifen bekommen“, ergänzt Stephan Laukamp mit einem Schmunzeln.

„Und man hat die Hände frei, wenn man sich geradeaus bewegt. Im Supermarkt kann ich jetzt einen Einkaufswagen schieben. Das war zuvor nicht möglich“, nennt Laukamp einen Vorteil von vielen.

Erste Testfahrt in der Garage. Foto: Friedrich Hartung

Den größten Vorteil sieht er darin, sich ohne fremde Hilfe auf unebenem Gelände fortbewegen zu können. Und es sei mal ganz schön – daraus macht er keinen Hehl – dass der dynamische Sitway nicht wie ein Behindertenfahrzeug, sondern wie ein Outdoormobil für jedermann wirkt.

„Ein elektrischer Rollstuhl mit drei Rädern oder so kam für mich nicht infrage“, so Laukamp, der sich mit eigener Kraft ganz schnell vom Rollstuhl in den Sitway und umgekehrt umsetzen kann.

Raus in den Wald

Am meisten freut sich der Tingleffer darauf, mit Sohn Emil in die Natur zu kommen und die Zeit mit ihm dank des robusten Sitway auf eine ganz andere, viel aktivere Art verbringen zu können.

„Emil liebt es, draußen zu sein und herumzutoben. Er findet den Sitway auch ganz spannend und hat auch kurz damit fahren dürfen“, bemerkt Stephan Laukamp mt einem Lächeln.

Der Achtjährige, dessen Mutter in Bülderup-Bau lebt und der die Deutsche Schule Buhrkall besucht, muss seinen Papa nun nicht mehr schieben, wenn es mal zu matschig wird, Schnee liegt, es bergauf geht oder ein Stock im Weg liegt. An der Seite des Vaters kann Emil jetzt mit seinem Roller herumcruisen.

Natürlich könne er mit dem Sitway auch mal umkippen, so Stephan Laukamp. Allein kommt er dann nicht herauf. Dafür ist das Gefährt etwas zu hoch. „Mit dem Rollstuhl kann ich ja festfahren, wenn ich allein unterwegs bin, und dann müsste ich auch Hilfe holen“, sieht der Tingleffer eventuellen Problemen mit der neuen Errungenschaft gelassen entgegen.

Wann er den Rollstuhl und wann er den Sitway einsetzt, das müsse sich noch einspielen, sagt Laukamp. 

Er arbeitet in Teilzeit beim Bülderuper Unternehmen „Matronics“, das auf Fahrzeug-Zusatzbeleuchtung spezialisiert ist. Als Folge des Unfalls war er zuvor noch als Frühpensionär eingestuft.

„Das habe ich nicht ausgehalten und ich bin froh, wieder einer Arbeit nachgehen zu können“, so Laukamp, der bei sich in der Hauptstraße mit Freunden auch immer noch gern an Autos schraubt. Handwerklich geschickt, wollte er bei der Arbeit etwas mit Technik zu tun haben, und das sei bei „Matronics“ zum Glück der Fall.

Mit dem neuen Sitway ist Technik nun auch im Alltag allgegenwärtig.

Stephan Laukamp ist sich sicher, mit dem Sitway mobiler zu sein und dadurch an Lebensqualität zu gewinnen. Foto: Friedrich Hartung
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