Vergangenheit Nordschleswigs

Geschichte erleben am Beispiel Otto Didrik Schacks

Geschichte erleben am Beispiel Otto Didrik Schacks

Geschichte erleben am Beispiel Otto Didrik Schacks

Mögeltondern/Møgeltønder
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Das Foto aus dem neuen Buch zeigt Otto Didrik Schack (l.) in seiner Funktion als Amtmann von Tondern im Jahre 1934. Er erwartet in prunkvoller Uniform die Ankunft des Königs gemeinsam mit Polizeimeister Thyge Martensen Larsen an der Grenze des Amtes. Foto: Museum Sønderjylland

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Mariann Christensen und Nicolai Durafour haben viele interessante Aspekte aus dem Leben des Grenzlandakteurs in ihrem gerade erschienenen Buch „Brobyggeren – Lensgreve Otto Didrik Schack“ beschrieben. Das 112 Seiten starke Werk ist in den Museen und später auch im Buchhandel erhältlich.

Das parallel zur Eröffnung der Ausstellung in Mögeltondern über den einstigen Amtmann von Tondern und Besitzer von Schloss Schackenborg samt Gutsbetrieb, Otto Didrik Schack, erschienene  Buch „Brobyggeren– Lensgreve Otto Didrik Schack“ ist ein bemerkenswertes Werk. Über 72 Jahre nach dem Tod des bei der Grenzziehung zwischen Dänemark und Deutschland 1920 zu großer Bekanntheit gelangten Nordschleswigers präsentiert das Werk unbekannte oder in Vergessenheit geratene Details der Grenzlandgeschichte.

Der Einband des neuen Buches Foto: Volker heesch

 

Geschichte verständlich erzählt

Das Autorenteam, bestehend aus der Museumsinspektorin Mariann Kristensen und dem Historiker und Autor geschichtlicher Werke, Nicolai Durafour, hat in dem 112 Seiten starken, reich mit Fotos illustrierten Buch sehr ausgewogen die Privatperson Otto Didrik Schack porträtiert und zugleich den Verlauf der deutsch-dänischen Geschichte im heutigen Grenzland am Wirken dieser Persönlichkeit verständlicher gemacht. Dabei wird aus Reden und Briefen Schacks zitiert, die seine eigenständigen Positionen deutlich machen.  Interessant ist die Darstellung, dass Otto Didrik Schack wie der eigene Vater zunächst wenig Anteil am deutsch-dänischen Konflikt im seit 1864 unter preußischer, seit 1871 Teil des neuen Kaiserreichs, stehenden Schleswig nahm.

Engagement in dänischer Bewegung nach 1905

Erst nach seiner Rückkehr nach Mögeltondern nach Abitur und Studium zog den jungen Adligen offenbar die Standhaftigkeit seiner dänisch gesinnten Mitmenschen in der Umgebung seines Herrenhauses in den Bann, was ihn veranlasste, Funktionen in dänischen Organisationen zu übernehmen.

 

1905 hat Otto Didrik Schack die Leitung des in deutscher Zeit als Grafschaft Schackenburg bezeichneten Gutsbetriebs übernommen, der verwaltungsrechtlich vom Dorf Mögeltondern getrennt war. Für den jungen Grafen bedeutete die Rückkehr nach Nordschleswig auch Abschied nehmen von der Metropole München, in der er Kunst- und Kulturleben genossen hatte. Foto: Museum Sønderjylland

 

Es wird im Buch Schacks Sonderstellung als einziger Adliger innerhalb der dänischen Organisation erläutert. Außerdem wird auf die wichtige Rolle des Gutsinspektors an seiner Seite, H. C. Davidsen,  hingewiesen, der auch als Berater des in politischen Fragen zunächst unerfahrenen Grafen Einfluss hatte. Es wird berichtet, dass Schack kurz vor dem Ersten Weltkrieg als Kandidat für den deutschen Reichstag anstelle des Spitzenmanns der dänischen Nordschleswiger, H. P. Hanssen, im Gespräch war, weil dieser sich nach Ansicht vieler dänischer Aktivisten zu sehr auf Zusammenarbeit mit der deutschen Politik eingelassen hatte. 

 

Das Foto zeigt das Wachpersonal, das während der Internierung Graf Schacks in Flensburg im Einsatz war. Viele der Wachposten waren Nordschleswiger, die mit den meist nur wenige Wochen zu Beginn des Krieges festgenommenen Dänen sympathisierten. Foto: Museum Sønderjylland

 

Konsequenzen hatte das Engagement für die dänische Sache für Otto Didrik Schack beim Kriegsausbruch 1914. Ausführlich werden die Hintergründe seiner Internierung in Flensburg zusammen mit weiteren dänischen Persönlichkeiten beschrieben. Besonders beeindruckend sind die Darstellungen über Schmährufe beim Abführen Schacks und weiterer Dänen in Tondern, wo Gerüchte kursierten, der Graf habe Verrat begangen. Es kursierten sogar Meldungen in Zeitungen, Schack sei bei einem Fluchtversuch erschossen worden. Selbst bewahrte der Graf die Fassung während der Internierung zusammen mit weiteren bekannten Dänen. Offenbar hatte  es dabei eine Stärkung der Gemeinschaft gegeben, die gegen Kriegsende im Herbst 1918 im zerstrittenen dänischen Lager Schacks Rolle als Vermittler begünstigen sollte.

Schack als Vermittler

Erläutert wird, dass sich Otto Didrik Schack noch vor der Volksabstimmung in der Zone 1 (Nordschleswig) und Zone 2 (Mittelschleswig mit Flensburg) in Dänemark für eine Teilung des Kreises Tondern einsetzte. Er unterstützte die von H. P. Hanssen vertretene Clausen-Linie, die, sich an sprachlichen Gegebenheiten orientierend, fast der bis heute geltenden Grenzlinie entsprach. Er widersetzte sich somit auch Forderungen vor allem aus Kopenhagen, größere Teile Schleswigs, auch ohne Legitimation durch eine Volksabstimmung, Dänemark einzuverleiben. Interessant ist, dass Schack mit dem deutschen Landrat in Tondern, Emilio Böhme, der im August 1914 die Internierung des Grafen forciert hatte, noch während des Ersten Weltkriegs vertrauensvoll zusammenarbeitete. Nach der Ausweisung der deutschen Spitzenbeamten aus dem Abstimmungsbiet Anfang 1920, betroffen war auch Böhme, wurde Schack von der Internationalen Kommission zum Landrat des gesamten Kreises Tondern ernannt. In der Übergangszeit agierte Schack ausgleichend in der angespannten Lage, in der in Tondern der deutsche Bevölkerungsteil nach der Entscheidung am 10. Februar 1920 mit Bangen der Einverleibung ins dänische Königgreich entgegensah, vor allem weil das wohlhabende südliche Hinterland der Stadt im neuen Kreis Südtondern wirtschaftlich abgetrennt wurde.

Landrat und Amtmann

Schack wurde im Juni 1920  Amtmann im neuen Amt Tondern, das im Norden durch zuvor zum Kreis Hadersleben gehörende Gemeinden vergrößert wurde. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als Amtmann gab es Konfrontationen mit neuen dänischen Amtsträgern wie dem Tonderner Polizeimeister Seidenfaden, der die deutschen Nordschleswiger hart anpacken wollte, wird im Buch berichtet. Es kam sogar zu Zwischenfällen, als Schack bei Veranstaltungen der deutschen Tonderaner erlaubte, die alte Fahne des Kaiserreichs und die Schleswig-Holstein-Fahne zu hissen. Wenig zur Sprache kommt im Werk über den Brückenbauer Schack der Aspekt, dass in der Stadt Tondern, die 1920 bei der Volksabstimmung mit rund 75 Prozent Stimmenanteil für den Verbleib bei Deutschland gestimmt hatte, bis 1937 als Stadtoberhaupt ein deutschen Politiker amtierte, zuletzt Johannes Thomsen.

 

Ab 1933 hatte es Otto Didrik Schack (4. v. rechts) auch mit Nazis als Vertreter der deutschen Regierung zu tun. Dokumentiert durch das Foto der deutsch-dänischen Grenzkommission, die 1934 bei Buhrkall abgelichtet wurde. Alle zehn Jahre überprüft die Kommission den Grenzverlauf und die Grenzsteine. Foto: Museum Sønderjylland

 

Nachzulesen ist, dass Schack den deutschen Folketingsabgeordneten in den Jahren 1920 bis 1939, Johannes Schmidt-Wodder, Anfang der 1920er Jahre auf Schackenborg als Gast beim Besuch des dänischen Königs empfangen konnte. Schmidt-Wodder war am 12. Juli 1920 noch dem ersten Besuch König Christian X. in der Wiedaustadt demonstrativ ferngeblieben.

 

Eine Provokation der NS-treuen Nordschleswiger in Tondern: 1940 „schmückten“ sie beim Einmarsch der Wehrmacht in Dänemark das Rathaus der Wiedaustadt mit der Hakenkreuzfahne. Foto: Museum Sønderjylland

 

Die Passagen über das Agieren Schacks gegenüber den NS-gesteuerten deutschen Nordschleswigern Ende der 1930er Jahre und während der Besatzungszeit von 1940 bis 1945 sind sehr lesenswert. Dabei musste der Amtmann, der es schaffte, die Lähmung des Betriebs des Lehrerseminars in Tondern durch Umwandlung der Lehranstalt in eine deutsche „Fahnenjunkerschule“ zu verhindern, die Beschlagnahme seines Schlosses durch das Militär hinnehmen.

Balanceakt in Krisenzeiten

Deutlich wird der Balanceakt, den der Amtmann meistern musste. Er trat trotz böser Erfahrungen mit den Nazis auch nach der Befreiung des Landes für den Verbleib der deutschen Nordschleswiger in der gemeinsamen Heimat eintrat. Das Buch schließt mit Ausführungen über die letzten Lebensjahre Schacks, die von Anfeindungen überschattet waren, er sei zu deutschenfreundlich gewesen. Erwähnt werden Amtshandlungen bei drohender Aberkennung der dänischen Staatsbürgerschaft von Frauen, die deutsche Partner geheiratet hatten. Auch dort wird die Menschlichkeit des Grafen sichtbar. Das Buch ist zum Preis von 99 Kronen zunächst in den Shops der Museen des Verbundes Museum Sønderjylland erhältlich, später auch im Buchhandel. 

https://www.nordschleswiger.dk/de/nordschleswig-tondern-daenemark-kultu…

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