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Tourismus: Proteste in Barcelona – Zustimmung in Dänemark

Tourismus: Proteste in Barcelona – Zustimmung in Dänemark

Tourismus: Proteste in Barcelona – Zustimmung in Dänemark

Kopenhagen
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In Gebieten wie Röm sind Urlauberinnen und Urlauber gern gesehene Gäste. Foto: Karin Riggelsen

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Acht von zehn Personen sehen im Tourismus mehr Vor- als Nachteile. In den typischen Urlaubsregionen ist die Zustimmung am höchsten.

In Barcelona bekamen Urlaubsgäste in diesem Sommer von Teilen der Bevölkerung den Unmut über den Massentourismus zu spüren. Doch während Urlauberinnen und Urlauber in der katalanischen Hauptstadt mit „Geht heim“-Parolen konfrontiert wurden, konnten sie am Strand von Röm (Rømø) und anderen dänischen Urlaubszielen friedlich in der Sonne liegen – sofern sich diese zeigte.

Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass sich ähnliche Proteste anbahnen, denn die Unterstützung für den Tourismus ist in der dänischen Bevölkerung haushoch. 78 Prozent der Menschen meinen, dass der Tourismus Dänemark mehr Vorteile als Nachteile bringt. Das zeigt eine Umfrage, die „Epinion“ im Auftrag der Tourismusorganisation „Visit Denmark“ 2023 durchgeführt hat.

„Die große lokale Unterstützung für den Tourismus hängt damit zusammen, dass wir nicht dieselben Probleme haben wie andere Länder“, sagt Lars Fuglsang, Professor am Zentrum für Tourismusforschung an der Universität Roskilde (RUC). 

Carina Ren, Tourismusforscherin an der Universität Aalborg, betont, dass der Massentourismus in Barcelona, auf Mallorca, aber auch in Amsterdam in ganz anderer Weise negativ in den Alltag der Bevölkerung eingreift, als es in Dänemark der Fall ist. 

„Wenn der Tourismus die Wohnungspreise so weit in die Höhe treibt, dass die lokale Bevölkerung sie sich nicht mehr leisten kann, dann können wir von Übertourismus sprechen“, sagt sie.

 

In Dänemark spielt laut Fuglsang außerdem eine große Rolle, dass die Urlauberinne in Dänemark meist etwas anderes suchen als in Südeuropa. Die Gäste kommen an die Westküste, um den Strand und die Natur zu erleben. Nach Kopenhagen fahren sie der Stadt und der Kultur wegen. Wer den Ballermann sucht, fährt woanders hin.

„Die Touristinnen und Touristen, die Dänemark besuchen, kommen, weil sie neugierig auf das Land sind. Und auch wenn wir selbst Urlaub im eigenen Land machen, benehmen wir uns insgesamt vernünftig“, so Fuglsang.

„Es mag ein wenig nerven, wenn wir uns den Fahrradweg, die Straße und den Strand teilen müssen, aber es bedroht nicht unser Alltagsleben“, ergänzt Ren. 

Bevölkerung muss Vorteile spüren

„Visit Denmark“ führt die Untersuchung jährlich durch, und die Unterstützung für den Tourismus ist fast gleichbleibend hoch. Sie ist im ländlichen Raum (Natur und Küste) größer als in den Großstädten.

Sieht man sich die Zahlen etwas genauer, sehen etwas weniger Menschen mehr positive als negative Wirkungen, wenn man sie nach der eigenen Region fragt, als wenn es um ganz Dänemark geht (Figur 1 und Figur ). Tourismus-Forscherin Ren betont, dass Tourismus dann funktioniert, wenn die lokale Bevölkerung etwas davon hat. 

„Es ist entscheidend, dass man sie einbezieht. Mein klarer Eindruck ist auch, dass dies in den allermeisten Fällen geschieht. Das  Wohl der Menschen vor Ort muss an erster Stelle stehen“, sagt sie.

„Möchte man die große lokale Unterstützung für den Tourismus bewahren, muss die Lokalbevölkerung Anteil an der Einnahmen haben und einbezogen werden“, meint auch Fuglsang.

Große Bauvorhaben, Lärm und Abfall lösen Proteste aus

Als Negativbeispiel nennt er Foodtrucks von außerhalb, die den Restaurants vor Ort das Geschäft wegnehmen. Auch große Bauprojekte oder lärmende Veranstaltungen können dazu führen, dass die Bevölkerung negativ reagiert.

„Wir haben diesen Sommer vereinzelt Proteste erlebt. Das geschah in Rørvig, wo der Krug einen 25 Meter hohen Turm bauen wollte. Und in Tisvildeleje gab es Spannungen um das Festival ‚Musik i lejet‘, das ein Teil der Lokalbevölkerung ablehnt“, sagt Fuglsang. 

Größte Unterstützung in Urlaubsregionen

Wie in Rørvig hat es auch auf Röm Proteste gegen Bauvorhaben gegeben. Die Pläne für ein 16 Meter hohes Badehotel in Lakolk sorgten für Unmut. Fuglsang weist auf weitere Belästigungen hin, die das Pendel von Vor- auf Nachteile schwingen lassen können.

„Die Konflikte entstehen, wenn es um Lärm, Abfall, Infrastruktur oder übertriebenen Alkoholkonsum geht.“

Insgesamt ist die Unterstützung für den Tourismus jedoch in den typischen Urlaubsregionen am größten, wie die „Epinion“-Umfrage belegt (Figur 3). Die Zahlen bestätigen Carina Ren darin, dass es gelungen ist, die Lokalbevölkerung einzubeziehen. Im Gegensatz zur Situation in Barcelona kann das Gewerbe somit zu einem besseren Alltag für Menschen beitragen.

„Wenn man erlebt, dass es zum Beispiel Freizeitangebote und Einkaufsmöglichkeiten gibt, die es ansonsten nicht gäbe, dann nimmt man auch ein wenig Gedränge in den Sommermonaten hin“, sagt sie. 

Nach Professor Lars Fuglsangs Einschätzung können die Branche und die lokale Politik einiges tun, damit das auch so bleibt: „Um Konflikten vorzubeugen, sollte man laufend diskutieren, wie viel Tourismus man möchte und wie er reguliert werden sollte.“ 

„Wie gesagt, ist meine Einschätzung, dass das Tourismusgewerbe bereits viel tut, um die Lokalbevölkerung ins Boot zu holen. Und spätestens nach diesem Sommer haben wohl auch alle mitbekommen, wie wichtig das ist. Denn wenn ich mich als Gast nicht willkommen fühle, komme ich nicht ein zweites Mal“, so Ren. 

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