Günther im Grenzland

Ministerpräsident auf den Spuren der Zusammenarbeit

Ministerpräsident auf den Spuren der Zusammenarbeit

Ministerpräsident auf den Spuren der Zusammenarbeit

Frank Jung, SHZ/gn
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Museumsleiter und Ministerpräsident: Hauke Grella und Daniel Günther im Gespräch Foto: Sara Wasmund

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und Landtagspräsident Klaus Schlie würdigen zwei Tage lang den deutsch-dänischen Alltag. Freitag sind sie und weitere Spitzenpolitiker auch bei der deutschen Minderheit zu Besuch.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther ist auf Sommer-Tour im deutsch-dänischen Grenzland. Anlass ist die Volksabstimmung vor 100 Jahren, die das jetzige Grenzland schuf.

Günther wird begleitet von Landtagspräsident Klaus Schlie und dem Minderheitenbeauftragten Johannes Callsen. Außerdem stoßen auch Europaminister Claus Christian Claussen und Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack dazu.

Freitag morgen sind die Politiker bei der deutschen Minderheit in Nordschleswig zu Besuch. Daniel Günther sieht sich das neu eröffnete Deutsche Museum Nordschleswig in Sonderburg an.

„Ich finde es klasse, dass der Ministerpräsident kommt. Das bedeutet, dass etwas neues Gutes in Sonderburg entstanden ist, das sich die Politiker gerne anschauen möchten“,  sagt Museumsleiter Hauke Grella vor dem hohen Besuch.

Kooperation an der Westküste

Am Nachmittag geht die Tour an die Westküste, unter anderem um hinter die Kulissen des Grenzhandels zu gucken und in Tondern und Niebüll die grenzüberschreitende Kooperation von Rettungskräften zu erleben.

Ursprünglich sollte der Trip in ein deutsch-dänisches Bürgerfest  münden. Dies ist allerdings wegen Corona abgesagt. Zumindest auf eine Würdigung  des 100-jährigen Grenzbestehens hofft  Schlie noch: Landtag, Bundestag und Folketing haben ihre Pläne für einen Festakt im  Spätherbst noch nicht aufgegeben, wenn auch mit reduzierter Teilnehmerzahl.    

Bereits am Donnerstag besuchten die schleswig-holsteinischen Politiker Danfoss in Norburg/Nordborg, die Duborg-Skolen der dänischen Minderheit in Flensburg sowie das Minderheiten-Institut ECMI in der Fördestadt.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther besuchte Donnerstag das dänische Wirtschaftsunternehmen Danfoss in Norburg/Nordborg. Foto: Staatskanzlei, Kiel

Schülerbotschafter in der Warteschleife

 

60 Termine hatten sie  abgemacht, den ersten davon in Pinneberg, berichten Nantke Toben (19) und Konstantin Jockel (17). So oft sollten die beiden Jugendlichen von der Duborg-Skole, dem dänischen Gymnasium in Flensburg, oder  ihre Mitstreiter  zu   Schulen in Schleswig-Holstein und Dänemark ausschwärmen. Und dort in Workshops  erzählen, was die besondere Identität von Jugendlichen ausmacht, die in einer nationalen Minderheit  aufwachsen.

„Schülerbotschafter“ nennt sich das Projekt gemeinsam mit dem dänischen Gymnasium in Schleswig und dem Deutschen Gymnasium für Nordschleswig der deutschen Minderheit in Apenrade/Aabenraa.

Dann kam Corona und fast alle Begegnungen fielen aus. Ausgerechnet im 100. Jubiläumsjahr der deutsch-dänischen Grenzziehung durch eine Volksabstimmung. Zugleich war es die Geburt der nationalen Minderheiten.

Beide Anlässe  führen   Daniel Günther und Klaus Schlie nicht nur in die Duborg-Skole, wo   sie  Nantke und Konstantin zuhören.  Zwei Tage lang  besuchen der Minister- und der Landtagspräsident beiderseits der Grenze acht Stationen, die exemplarisch für einen gemischten deutsch-dänischen Alltag stehen. Motto: „100 Jahre Volksabstimmungen – gemeinsam über Grenzen“. 

Höchst selten ist ein solcher Doppel-Auftritt der  obersten Repräsentanten des Lands. Bei aller Lockerheit im Ablauf soll das den Stellenwert deutlich machen, den  Schleswig-Holstein der nach langen Reibereien  befriedeten Nachbarschaft der Nationalitäten  beimisst.

In die Minderheit hineinrutschen

Heute  „rutschen einige in die Minderheiten“ sogar  „einfach hinein“, wie es Nantke über ihre eigentlich gewöhnlich deutschstämmige Familie  mit zwei weiteren Geschwistern sagt. Weil einst der dänische Kindergarten der nächstgelegene war, wählten die Eltern den. Nach dieser Grundierung blieben die Kinder im dänischen Bildungssystem.

Andere dort haben wie Konstantin  Elternteile aus Dänemark. Beide Teenager mögen, dass sie  die Lehrer wie in Dänemark duzen – „das zeigt, dass das Verhältnis etwas entspannter ist“.

Auch, dass die Duborg-Skole als vermutlich einzige Schule im Land eine Lizenz zum Bierausschank hat, erfahren die Besucher aus der Landeshauptstadt. Allerdings gilt die nur für Freitagnachmittag. Damit folgt das Gymnasium der dänischen  Tradition der „Freitags-Bar“: Man  beschließt die Woche  mit geselligem Beisammensein bei Gerstensaft.

Absperrband mit Abstands-Hinweisen gibt es in der Schule mal mit deutschem, mal mit dänischem Aufdruck.


Als der Ministerpräsident die Schülerbotschafter fragt, ob sie denn irgendwelche Wünsche  hätten, bleiben dezidierte Forderungen aus.  Außer der Andeutung, dass kleinere Klassen als  mit  zum Teil 30 Schülern  noch besser wären.   

In Flensburg besuchten Daniel Günther und Klaus Schlie sowohl die Duborg-Skolen, die dänische Minderheit (bei SSF) und das Minderheiten-Institut ECMI. Foto: Staatskanzlei, Kiel

Besuch bei der dänischen Minderheit

Begonnen hat das Programm von zunächst nur Günther und Schlie bei der kulturellen Dachorganisation der dänischen Minderheit. Sowohl Vorsitzende Gitte Hougaard Werner  als auch Günther und Schlie überbieten sich mit  Begriffen wie  „freundschaftlich“ oder „unter Freunden“ über die Begegnung. 

Wobei Hougaard ergänzte, bei aller Liebe wolle man  „auch nicht zu Tode geliebt werden“. Im Sinne von: Integration  ja, Assimilation nein.

Aus Sicht Schlies steht dem nichts im Wege: Der Staat garantiere einen  Rahmen, „damit die kulturelle Identität, die Bildungsidentität und die Sprachidentität der Minderheit erhalten bleiben“. Für den Parlamentspräsidenten ist das „ein starkes Zeichen gegen den Nationalismus. Den brauchen wir nicht.“

Grenzkontrollen durch Dänemark auch nicht, erklären Günther wie Schlie.

Konfliktlösung beim ECMI

Wie sich konfliktreichere Regionen vom  Beispiel im Norden inspirieren lassen können, erfahren Günther und Schlie im European Centre for Minority Issues (ECMI). Zwölf Wissenschaftler forschen  in dem von Kiel, Berlin und Kopenhagen finanzierten Institut über Volksgruppen auf dem ganzen Kontinent.

„Neben dem eigenen Erleben ist auch die wissenschaftliche Aufarbeitung  nötig, um Erfahrungen transportieren zu können“, findet Schlie.

Günther lobt, „dass das ECMI daran arbeitet, eine stärkere regionale Verankerung als bisher zu haben“.  

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