Einzelhandel

Tonderns Antwort auf Leerstand: „Zusammen packen wir es an“

Tonderns Antwort auf Leerstand: „Zusammen packen wir es an“

Tonderns Antwort auf Leerstand: „Zusammen packen wir es an“

Tondern/Tønder
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Frank Hoffmann (Bildmitte) freute sich über 140 angemeldete Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Foto: Bjarne Lund Henneberg

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Eine Visionsgruppe präsentierte einen Plan, wie mehr Leben in die Innenstadt gebracht werden kann. Kultur, Secondhand und Vintage sollen unter anderem die leerstehenden Läden füllen.

Das Geheimnis von plötzlich an seiner Mülltonne hängenden Zetteln mit der Aufschrift „Sammen“ im QR-Code-Format, entsprechende Schilder an den Straßen und auch Autoaufklebern haben Einheimische ins Grübeln gebracht.

Jetzt ist das Geheimnis gelüftet worden. „Sammen“ ist das Schlagwort, mit dem Tondern dem Leerstand in der Innenstadt den Kampf ansagt, um dem Einzelhandel einen Schub nach vorne zu geben. Dieser steht wie in anderen dänischen Städten unter starkem Druck. Die leerstehenden Geschäftsräume sollen unter anderem mit Kultur, Vintage, Secondhand und Speisestätten/Cafés gefüllt werden. 

Ein Quartier Latin

Im Zuge des Plans soll ein Quartier Latin (auf Dänisch Latinerkvarter) im Kleinformat wie in Paris geschaffen werden. In der Seine-Metropole ist dieses Viertel ein beliebter Treffpunkt der Einheimischen und Urlaubsgäste, die dort in freundlicher und lebendiger Atmosphäre flanieren. In Tondern soll das Viertel Tønder Marked heißen.

Die Visionsgruppe hat einen Plan entwickelt, der stark auf den Zusammenhalt zwischen Wirtschaft, dem Handelsverein, dem Touristikverein sowie dem kreativen Kopf der Initiative, Claus Scheelke, baut, der für sein ungewöhnliches Design bekannt ist.

Zur Gruppe gehören neben dem früheren Goldschmied auch der Vorsitzende des Handelsvereins, Frank Hoffmann, der Touristikdirektor Colin John Seymour, Melanie Hansen vom Autohaus Next Mobility (ehemals Carl Knudsen VW) und die Werbeagentur Add-Wise an.

Das Interesse am Projekt „Sammen“ war groß. Die Veranstaltung war voll ausgebucht. Foto: Bjarne Lund Henneberg

Die Visionsgruppe warb am Mittwochabend bei sommerlichen Temperaturen im Garten hinter dem ebenfalls leer stehenden Geschäftslokal in der Vestergade 4 für dieses Konzept.

Trotz hochsommerlicher Temperaturen und paralleler Fußball-EM-Spiele im Fernsehen hatten sich 140 Personen für diese Veranstaltung angemeldet. Weiteren 80 bis 100 Interessierten musste abgesagt werden.

Um viele Innenstädte ist es schlecht bestellt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Nicht nur den Onlinehandel. 

Frank Hoffmann

„Diese Unterstützung zeugt vom Wunsch, der Stadt Tondern Gutes zu tun. Ein möglicher Erfolg würde auch auf andere Orte in der Kommune abfärben können“, so Frank Hoffmann. „Dieses Projekt können wir bereits unter Druck stehenden Geschäftsleute nicht stemmen. Daher ist eine Zusammenarbeit erforderlich, auch mit Unterstützung von freiwilligen Bürgerinnen und Bürgern“, unterstrich der Vorsitzende des Handelsvereins. 

Mehrere Gründe für Krise im Einzelhandel

„Wir müssen selbst anpacken, denn sonst tut das keiner. Um viele Innenstädte ist es schlecht bestellt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Nicht nur den Onlinehandel. Eine Rolle spielt auch die globale Unruhe. Zudem haben die Menschen beim Einkaufen weniger Geld in der Tasche. Sie sparen lieber wegen der Ungewissheit und besonders seitens der Deutschen gibt es aufgrund der wirtschaftlichen Situation eine noch größere Zurückhaltung als in Dänemark. Es entsteht der Eindruck des totalen Chaos. So sieht es aber nicht aus, ohne dass wir uns darüber freuen sollten, dass es vielleicht in anderen Städten zu mehr Geschäftsschließungen gekommen ist als in Tondern“, meint der stets optimistische Geschäftsinhaber.

Claus Scheelke liebt seine Geburtsstadt Tondern. Foto: Bjarne Lund Henneberg

Ein Beispiel ist besagter Claus Scheelke. „Ich bin in Tondern geboren, aufgewachsen und ich liebe die Stadt. Wir können das schaffen“. Als Beispiel nannte Scheelke das Oldtimer-Rennen auf Röm/Rømø, das seinerzeit von Enthusiasten als Privatinitiative gestartet wurde und sich zu einem Riesenevent entwickelt hat.  

Dass der Handel und der Tourismus voneinander abhängig sind, verdeutlichte Colin John Seymour. Denn gute Shoppingmöglichkeiten stehen bei den Urlaubsgästen, aber auch eventuellen Zugezogenen an vierter Stelle ihrer Wunschliste. Vom steigenden Tourismus in der Kommune Tondern profitiert der Einzelhandel, der 20 Prozent des Umsatzes durch den Fremdenverkehr macht.  

Colin John Seymour ist Mitglied der Visionsgruppe. Er freute sich über die große Unterstützung. Rechts von ihm Gruppenmitglied Melanie Hansen vom Autohaus Next Mobility Foto: Bjarne Lund Henneberg

Potenziellen neuen Geschäftsleuten soll unterstützend zur Seite gestanden werden, sowohl bei der Kontaktaufnahme zu Gebäudeeigentümern, als auch bei Beratung, Vertragsabschlüssen und der Haushaltsplanung. „Das wird eine riesige Aufgabe.“

Daher ist bereits ein Mitarbeiter angestellt worden, der diese Aufgaben übernehmen soll. Und das Projekt „Sammen“ kostet Geld. Der Handelsverein will 500.000 Kronen beisteuern. Die entsprechende Summe ist bei der Kommune beantragt worden.

Begeisterte Politikerin

Zu den Gästen aus der Politik zählte mehr als ein Drittel der 31 Stadtratsmitglieder, die sich über den Enthusiasmus der Visionsgruppe freuten. Anita Uggerholt Eriksen (Tønder Listen) war eine der anwesenden politisch Gewählten. Sie hatte sich schon vor mehreren Jahren gemeinsam mit ihrem sozialdemokratischen Stadtratskollegen Harald Christensen für ein solches Konzept starkgemacht. „Es ist wunderbar, dies heute Abend mitzuerleben“, strahlte die Bürgermeisterkandidatin ihrer Partei.

Diese Schilder sieht man vielerorts im Stadtbild. Foto: Brigitta Lassen

„Wenn wir uns nicht zusammensetzen, wird nichts geschehen. Wir hoffen auf die Unterstützung der Politikerinnen und Politiker. Ich finde, dass wir in Tondern die beste Fußgängerzone, gemessen an der Größe der Stadt, haben. Unsere Einkaufsmeile ist das Herz der Stadt, und ihr Wohlergehen liegt vielen am Herzen“, so Hoffmann.

 

Kunst und Handwerk. Claus Scheelkes Design zeigt, wie ein leerstehendes Geschäft genutzt werden kann. Foto: Brigitta Lassen

„Wir wünschen uns auch die Gründung einer Stadt-Stiftung mit risikowilligem Kapital“, erläuterte Frank Hoffmann, der als gutes Beispiel einer gelungenen Zusammenarbeit die Mitte Juni in einem leer stehenden Geschäft eröffnete Sportbar „Victory“ hervorhob. Den Eigentümern der Gaststätte, Torben Jessen und Jacob Nøjsen, war diese Aufgabe zu groß. Als Mitinvestoren wurden örtliche Geschäftsleute gefunden.

Ziel: neues Leben für 15 leere Geschäfte bis 2026

Ziel ist es, dass in diesem Jahr vier leere Gebäude mit neuem Leben gefüllt werden. Im kommenden Jahr sollen es sechs und 2026 fünf sein.

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