Wort zum Sonntag

„Ein echter Protestant“

Ein echter Protestant

Ein echter Protestant

Pastorin Dorothea Lindow
Dorothea Lindow
Tondern/Tønder
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Ein Protestant war ursprünglich jemand, der protestiert. Das ist es, was den Glauben ausmacht. Gesellschaften und Werte verändern sich und daher muss Glaube immer wieder neu interpretiert werden. Das Wort zum Sonntag, 25. Juni 2023 von Dorothea Lindow.

Ein echter Protestant ist Pastor Quinton Ceasar, der beim Kirchentag in Nürnberg die Abschlusspredigt hielt. „Gott ist queer“, sagte er und provozierte damit. Er sagte auch: „Es ist leichter, von befreiender Liebe zu predigen, als eine Liebe zu leben, die befreit.“ 

Ein Protestant war ursprünglich jemand, der protestiert. Im April 1529 machten sich sechs Fürsten stark für den evangelischen Glauben. Über Martin Luther war die Reichsacht verhängt worden. Die Ausbreitung des lutherischen Glaubens stand auf dem Spiel. Äußerst politisch kam es zur Protestation zu Speyer im Jahre 1529. Die sechs Fürsten protestierten lautstark dafür, dass der evangelische Glauben erhalten bleibt. 

Seit dieser Zeit nennt man den evangelischen-lutherischen Glauben auch protestantischen Glauben. Seit dieser Zeit gab und gibt es immer wieder Menschen, die echte Protestanten oder Protestantinnen sind. Sie machen sich stark für ihren evangelischen Glauben. Sie rücken einen Aspekt in den Vordergrund, der ihrer Meinung nach vernachlässigt wird: Bildung, Frömmigkeit, Widerstand, Nächstenliebe, Toleranz, ... 

Denn lutherischer Glaube ist auch vielfältiger Glaube. 

Luther hat damals gesagt: Grundlage ist allein Christus, allein die Bibel, allein die Gnade, allein der Glaube. Damit hat Luther auch schon protestiert, nämlich gegen den katholischen Glauben der damaligen Zeit. „Allein durch die Bibel“ protestierte Luther. Er lehnte überlieferte Traditionen ab, die Gesetzescharakter hatten. Er stellte sich gegen die Ablassbriefe, die versprachen, dass man Sündenvergebung kaufen kann.

Glaube muss immer wieder neu interpretiert werden. Gesellschaften und ihre Werte verändern sich. Immer wieder müssen wir gucken, was das für uns als Christenheit bedeutet. Im Verlauf der 500 Jahre seit Luther gab es immer wieder Protestanten und Protestantinnen, die bestimmte Akzente herausstellten, die ihrer Meinung nach zu kurz in unserem Glauben kamen. Aus dem Lesen der Bibel (sola scriptura) heraus entstanden neue Schwerpunkte innerhalb des evangelisch-lutherischen, ja protestantischen Glaubens.

Berühmtere Protestanten sind u. a. der Prediger Martin Luther King und sein Engagement für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung. Oder auch Elisabeth Schwarzhaupt, die erste deutsche Ministerin, die sich für die evangelische Frauenarbeit in der Kirche engagierte. Oder: Katharina von Bora, Johann Sebastian Bach, Dorothee Sölle, Richard von Weizsäcker oder Hanns Dieter Hüsch ... Pastor Ceasar hat sich als Protestant auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag für Geschlechtergerechtigkeit stark gemacht. 

Aber damit ist kein Absolutheitsanspruch verbunden. Andere können anderes wichtig finden. Wir können und dürfen auch für anderes in unserem evangelischen, protestantischen Glauben protestieren. 

Was ist mir wichtig? Was ist Euch wichtig? Wo wünsche ich mir eine andere Kirche, einen modifizierten Protestantismus? Einen anderen Schwerpunkt?

Wenn Ihr „Protestan-O-Mat“ googelt, findet ihr einen Test. Dort könnt Ihr 22 Fragen über Euren Glauben beantworten. Als Testergebnis wird Euch angezeigt, welche berühmte Protestantin, welcher berühmte Protestant ähnlich wie ihr denkt. Denn unser Glaube braucht mutigen Protest, damit er lebendig bleibt.

Dorothea Lindow, Pastorin in Tondern

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