Leserinbeitrag

Durch ganz Nordschleswig an einem Tag

Durch ganz Nordschleswig an einem Tag

Durch ganz Nordschleswig an einem Tag

Karen Lender
Nordschleswig
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Für Karen Lender ist der Wunsch, nach 21 Jahren in der Fremde in die Heimat zurückzukehren, durch das Yoga-Wochenende lauter geworden. Foto: Karen Lender

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Die in Nordschleswig aufgewachsene Karen Lender aus Norderstedt schreibt von einem idyllischen Yoga-Wochenende im Haus Quickborn, das längst vergessene Erinnerungen aus der geliebten Heimat wieder zum Leben erweckt.

Nach eineinhalb Stunden Autofahrt, es ist schon dunkel draußen, komme ich im Haus Quickborn an. 27 Jahre bin ich nicht mehr hier gewesen. Ich habe jetzt als Teilnehmerin, früher als Kinderbetreuerin und in der Kindheit  viele Kinderfreizeiten hier verbracht.

Ich möchte wieder Kontakt aufnehmen, zu mir Selbst, zur Förde und den Menschen hier. Seit Längerem habe ich Fragen. Fragen, ob ich wieder zurückgehe, und ich bin offen für Antworten, die kommen – oder auch nicht kommen.

„Yoga für alle“ heißt der Kurs, für den ich mich dieses Wochenende angemeldet habe. Als ich meinen Schlüssel erhalte und mich auf die Zimmersuche begebe, muss ich schmunzeln. Dieselben Türschilder wie vor 40 Jahren. Vorbei an Bau, Lundtoft und Hoyer erreiche ich Apenrade II, mein Zimmer für die nächsten zwei Tage. Somit laufe ich mehrmals durch ganz Nordschleswig an einem einzigen Wochenende. Ein Heimatgefühl macht sich breit.

Karen Lender (Foto) lebt mittlerweile im Hamburger Vorort Norderstedt. Foto: Privat

Noch vor dem Abendessen komme ich ins Gespräch mit den ersten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Eine kurze Einführung über den Ablauf von Susanne Horn und kleine organisatorische Dinge von Bert Hansen, und dann geht es auch schon los. Welch schöne Begrüßung im Keller – Kerzenschein und Fachliteratur zum Stöbern laden uns ein, unsere Yogamatten auszubreiten.

Wir atmen ein, wir atmen aus und wieder ein. Erst synchron nach Susannes Anleitung, später in unserem eigenen Rhythmus. Die Anspannung fällt ab, ich erde mich und werde ganz ruhig. Nur noch achtsames Atmen – sonst nichts.

Danach gehen wir zum gemütlichen Teil über. Die Sofaecke steht auch noch am selben Platz wie damals. Es wird gespielt, gestrickt, und unser Geburtstagskind Jytte bekommt selbstverständlich ein Ständchen, erst auf Deutsch, dann auf Dänisch. Dafür dürfen wir uns nach Herzenslust an der reichlich mitgebrachten Schokolade bedienen. Wer möchte, reinigt den Körper mit Bullenschluck.

Am nächsten Morgen beginnt für einen Teil von uns Yoga am Strand. Andere bevorzugen Winterbaden in der Förde oder schlafen aus bis zum Frühstück. Alles ist freiwillig. NICHTS MUSS – ALLES KANN! Das ist das Schöne hier.

Teilnehmerinnen des Yoga-Kurses bei der „Naturtherapie“ Foto: Karen Lender

Später wandern wir Richtung Schusterkate in den Kollunder Wald, ausgerüstet mit Outdoor-Matten einer der Sonderburger Naturschulen. Was hat sich hier vieles geändert auf dem Molevej. Wo ich früher Klassenkameraden mit dem Fahrrad besuchte, steht jetzt ein größeres Haus neben dem nächsten. Und die Fähre fährt wohl schon längst nicht mehr.

Wir verlangsamen unseren Gang und werden zum Schweigen und achtsamen Gehen angehalten.

In der Stille werden die Sinne geschärft. Während wir wieder gemeinsam atmen, diesmal an Bäumen sitzend, nehme ich vorher nicht realisierte Geräusche wahr, und ich spüre die milde Herbstluft. Kurz darauf ein leichter Nieselregen auf meinem Gesicht, über den ich dankbar bin, ihn in Gemeinschaft erleben zu dürfen. Früher hätte ich mich über das schlechte Wetter geärgert. So hat sich die Wahrnehmung verändert.

Susanne nennt es Naturtherapie. In der Neuzeit auch „Waldbaden“ genannt. Neben uns der Rauch eines Lagerfeuers von den zwei Männern, die hier in den Sheltern übernachtet haben.
Kulinarisch verwöhnt uns auch die Küche im Hause. Spätestens nach der Mittagspause kennt jeder jeden, hat man gemeinsame Freunde oder ist zusammen in die Schule gegangen. Nordschleswig halt – eine große Familie. Viele längst vergessene Erinnerungen werden wieder zum Leben erweckt und man verbindet mich mit meinem Opa, der Pastor war oder den Pflaumenbäumen aus meinem Elternhaus. Erzählt mir doch eine Teilnehmerin, dass sie immer bei meinen Eltern als kleines Kind zum Pflaumen ernten eingeladen wurde und natürlich stehe ich jetzt in ihrer Kontaktliste unter dem Namen „Karen Pflaume“.

„Yoga verbindet – mit dir selbst, mit der Natur und mit deinem Umfeld“, schreibt Lender. Foto: Karen Lender

Mir gefällt das alles, das ist Heimat. Ich habe das auch vermisst in der Fremde.

Wir lernen noch den Sonnengruß, meditieren zusammen und schicken aufkommende Gedanken einfach weiter. Ganz nebenbei erfahren wir, Störgeräusche willkommen zu heißen. Früher habe ich die Batterien aus der tickenden Uhr herausgenommen, um meine Ruhe zu haben.

Sonntag entscheiden wir uns noch mal für Naturtherapie im Freien, und wir wandern dazu auf dem „Hjertesti“ zu einem idyllischen Plätzchen. Heute schenkt uns die Sonne ihre Strahlen, und während wir wieder synchron atmen, begrüßt uns ein Buntspecht, und eine Kuh gibt mantraartig ihr „Muuhen“ von sich.

Zwei Tage Yoga liegen hinter uns. Zwei Tage „Medienfasten“: kein TV, kein Rumsurfen mit dem Handy und wohltuenden Abstand zu der Corona-Welt da draußen.
Ich habe meine innere Stimme gehört. Mein Wunsch, nach 21 Jahren in der Fremde zurückzukommen, ist sehr viel lauter geworden.

Yoga verbindet – mit dir selbst, mit der Natur und mit deinem Umfeld. Yoga ist Atmen – Atmen ist Leben.
Namaste.

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