Minderheitengeschichte

Historiker: Dachböden nach Erinnerungsstücken durchstöbern

Historiker: Dachböden nach Erinnerungsstücken durchstöbern

Historiker: Dachböden nach Erinnerungsstücken durchstöbern

Paul Sehstedt
Apenrade/Aabenraa
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Doktorand Jon Thulstrup forderte zur Unterstützung seiner Forschungsarbeit auf, verborgenes Material aus der Vor- und Kriegszeit zu überlassen. Dies kann bei Frank Lubowitz im Archiv & Forschungsstelle im Haus Nordschleswig abgegeben werden. Foto: Paul Sehstedt

Jon Thulstrup berichtete auf dem Knivsberg über seine Forschungsarbeit zur Minderheitsgeschichte. Er betonte, wie wichtig verborgene Quellen für ein vollständiges Bild sind.

„Auf Dachböden könnte viel interessantes Material aus der Vor- und Kriegszeit herumliegen, dass für mein Forschungsprojekt interessant sein kann“, sagte Jon Thulstrup, der an der Süddänischen Universität SdU ein Forschungsprojekt zum Thema „Der Zweite Weltkrieg und dessen Bedeutung in der Minderheit“ durchführt, im Anschluss an einen Vortrag in der Bildungsstätte Knivsberg, in dem er den 26 Zuhörern einen Einblick in seine Arbeit gewährte. Thulstrup fordert dazu auf, ihn mit Material zu versorgen oder Personenkontakte zu vermitteln, die etwas über diese Epoche aus der Minderheitsgeschichte erzählen können.

Der Forscher erklärte u. a.: „Unsere Minderheit hat, verglichen mit Deutschland, zu einem späten Zeitpunkt angefangen, sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Doch im Laufe der Jahre haben insbesondere Forscher aus Dänemark angefangen, sich mit Themen wie Erinnerungskultur und Identität innerhalb der Minderheit zu beschäftigen. Deshalb soll mein Projekt darauf aufbauen und die Erinnerung über den Zweiten Weltkrieg als Generationenprojekt darstellen, dass höchstwahrscheinlich im Laufe der Jahre neu definiert wird. Deshalb stellt sich auch die Frage, wie verhielten und verhalten sich die vier Generationen zur Besatzungsgeschichte und zur Kriegsteilnahme der Minderheit?“

„Das Projekt soll voraussichtlich im Januar 2023 in einer 200-seitigen Monografie enden. Diese soll laut aktuellem Plan in vier grobe Teile mit unterschiedlichen Teilfragen unterteilt werden. Im ersten Teil widme ich mich der Elterngeneration. Wie stand diese Generation zu den heimkehrenden Kriegsfreiwilligen?  Wurde um Verluste gesprochen. Gab es Minderheitenangehörige aus dieser Generation, die aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit der Minderheit den Rücken kehrten?
Im zweiten Teil ist der Fokus auf die Kriegsgeneration gerichtet. Wie verhielt sich diese Gruppe zu ihren Kriegserfahrungen? Wie wurden unterschiedliche Meinungen gehandhabt? 

Waren Kriegsverbrechen ein Thema?

Der dritte Teil widmet sich der Frage, wie die Minderheit eine kritische Aufarbeitung umgehen konnte, die zu dem Zeitpunkt in Deutschland angekurbelt wurde. Welche Bedeutung bekam die „Auswanderung“ junger Minderheitenangehörige für die Volksgruppe. Verhüllte sich die Kindergeneration in Bezug auf die Kriegszeit in Schweigen? Haben einige sich aus Job- oder Identitätsgründen außerhalb Nordschleswigs niedergelassen?
Im vierten Teil stellt sich die Frage, wo die Impulse für eine kritische Aufarbeitung der Minderheitengeschichte herkamen? Welche Bedeutung wurde dieser Aufarbeitung in der Enkelgeneration zugeschrieben, in den Organisationen und in den Familien?
Das sind alles Bereiche, denen ich mich in den kommenden drei Jahre widmen werde.“

Wissen für zukünftige Diskussionen

„Von diesem Projekt erhoffe ich mir, dass ich unserer Minderheit neues Wissen für zukünftige Diskussionen liefern kann. Wir sind mit der kritischen Aufarbeitung nach zögernden Anfängen weit gekommen. Vor sieben Jahren hielt ich einen Vortrag bei einer Konferenz in Zusammenarbeit mit unserer Forschungsstelle und des Instituts für Grenzregionsforschung in Sonderburg. Damals unterstrich ich, dass die Minderheit selbstkritisch, aber auch selbstbewusst zur eigenen Geschichte stehen sollte. Meines Erachtens ist das heute, sieben Jahre später, auch der Fall.“

In der anschließenden Diskussionsrunde wurden verschiedene Ideen und Anregungen laut, die der Referent in seiner weiteren Arbeit näher bewerten wollte. Aus dem Publikum wurde der Wunsch geäußert, dass Thulstrup regelmäßig Zwischenberichte veröffentlichen sollte, weil die Forschungszeit sich über drei Jahre hinweg ziehen wird. 
Dies wird auch geschehen. 

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“