Kunstausstellung

Kunstmuseum Tondern zeigt die Essenz nordischer Kunst – und Emil Nolde

Kunstmuseum Tondern nordische Kunst – und Nolde

Kunstmuseum Tondern zeigt die Essenz nordischer Kunst

Tondern/Tønder
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Søs Bech Ladefoged zwischen zwei XXL-Zeichnungen von Svend Wiig Hansen. Foto: Sara Wasmund

Von Emil Nolde bis Asger Jorn: Das Museum Sønderjylland zeigt im Kunstmuseum Tondern eine Ausstellung über die Wesenszüge nordeuropäischer Kunst. Aber was bedeutet das eigentlich, nordisch? Museumsinspektorin Søs Bech Ladefoged ist mit uns durch die Ausstellung gegangen.

Da steht er, der kleine Tollpatsch, und schaut auf den letzten Apfel am Baum. Die Installationen von Tommi Toija sind die ersten Werke, die Besucher der neuen Ausstellung des Kunstmuseums in Tondern zu sehen bekommen. Ein grandioser Auftakt voller Witz und feiner Ironie.

In drei Themen gibt das Museum Antworten und Einblicke, was nordeuropäische Kunst eigentlich ausmacht: Humor und Ironie, Gefühls- und Geistesleben sowie Expressivität und Urkraft.

Der kleine tönerne Tollpatsch am Apfelbaum, Installation von Tommi Toijas Foto: Sara Wasmund

Essenz heißt sie Werkschau, es sind allesamt eigene Werke des Museums, die in Tondern gezeigt werden. „Das ist sozusagen unsere DNA, wir tauchen hinab in unsere Sammlung und zeigen die Essenz dessen, was wir an nordischer Kunst haben“, sagt Søs Bech Ladefoged, Museumsinspektorin.

Und das, so viel sei verraten, ist eine ganze Menge. Wie erklärt man sie, jene ureigene Ausstrahlung nordischer Kunstwerke? Jene Komposition aus Melancholie und Sinnessuche, Einsamkeit und ewiger Sehnsucht nach dem Einklang mit sich selbst? Das Museum lässt die Bilder für sich sprechen.

Wie erklärt man sie, jene ureigene Ausstrahlung nordischer Kunstwerke? Jene Komposition aus Melancholie und Sinnessuche, Einsamkeit und ewiger Sehnsucht nach dem Einklang mit sich selbst? Das Museum lässt die Bilder für sich sprechen.

 

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Unruhe des nordeuropäischen Menschen. In Tondern wird sichtbar, wie unterschiedlich Künstler das Thema, die eigenen Emotionen, zum Ausdruck bringen – und was sie dabei stets vereint.

Da ist das in Grautönen gehaltene Bild des Künstlers Vilhelm Hammershøj, das eine reine, melancholische Stimmung auf den Punkt bringt. Oder das Werk von Jens Søndergaard, das die türkisfarben tobende Urkraft der Nordsee mit spazierenden Menschen schmückt.

Søs Bech Ladefoged neben dem Bild von Jens Søndergaard Foto: Sara Wasmund

 

„Diese Bilder zeigen die Größe der Natur und wie klein der Mensch dabei ist. Wie wenig der Mensch selbst unter Kontrolle hat“, sagt die 28-jährige Museumsinspektorin.

Die nordische Kunst  entstehe aus dem Spannungsfeld zwischen Kraft und Religion, aus der Suche nach der nie ganz zu erreichenden Zufriedenheit, aus dem Wissen, dass man nie alles ganz unter Kontrolle hat, schon gar nicht das eigene Leben und den Tod, analysiert Søs Bech Ladefoged.

Ein Bild von Samuel Joensen-Mikines, „Aften“, 1939 Foto: Sara Wasmund

 

Die vor Kraft strotzenden, meterhohen menschlichen Zeichnungen von Svend Wiig Hansen sprechen Bände und sein kreischend buntes Bild – Hansen ist übrigens 1922 in Mögeltondern/Møgeltønder geboren – versprüht derartig viel Expressivität, dass sich der subjektive und experimentelle Umgang mit der Kunst von damals quasi ganz alleine erklärt.

„Diese Expressivität kam auch aus dem Wunsch heraus, sich wieder einem schlichten, einfacheren Leben zuzuwenden. Kunst, das sollte etwas sein, das alle Menschen unabhängig von ihrem Bildungsstand berührt und inspiriert. Während man im Süden eher auf schöne Dinge schaute, war es hier im Norden eher die Frage, wie man sich fühlt und wie man das zum Ausdruck bringt“, so die Museumsinspektorin.

Info:

  • Die Ausstellung im Kunstmuseum Tondern ist noch bis zum 1. März 2020 zu sehen. Konzipiert haben die Werkschau Anne Blond, Bereichsleiterin und Museumsinspektorin, und Søs Bech Ladefoged.
  • „Essenz – Wesenszüge Nordeuropäische Kunst“ zeigt 45 Werke aus dem eigenen Bestand des Museum Sønderjylland.
Emil Nolde hängt im Themenbereich Expressivität und Urkraft, eines von zwei Werken in der Ausstellung Foto: Sara Wasmund

Man kann meiner Meinung nach sehr wohl die Kunst betrachten und ihren Wert erkennen, abgesehen von der Privatperson. Das ist Kunst und ich freue mich, wenn hier vor Ort im Museum darüber diskutiert wird.

Søs Bech Ladefoged, Museumsinspektorin

 

Auch zwei Bilder von Emil Nolde sind Teil der Ausstellung. Nolde ist umstritten, seit bekannt ist, dass er antisemitisch gedacht hat. Sollte man einen solchen Künstler noch zeigen? „Ich kann nur dazu auffordern, zwischen Künstler und Privatperson zu unterscheiden“, sagt Søs Bech Ladefoged.

„Ja, ich habe mir überlegt, ob ich das Nolde-Bild so zentral platziere, aber es war das beste Bild für den Platz, und da es ein Hauptwerk unserer Sammlung ist und ganz klar in diese Ausstellung gehört, habe ich mich dafür entschieden. Man kann meiner Meinung nach sehr wohl die Kunst betrachten und ihren Wert erkennen, abgesehen von der Privatperson. Das ist Kunst, und ich freue mich, wenn hier vor Ort im Museum darüber diskutiert wird.“

Brita Barnekow, „Freundinnen“, 1904 Foto: Sara Wasmund

 

Wer es lieber weniger ernst mag, kann sich am Ausgang der Ausstellung dann nochmal am kleinen Tollpatsch freuen, wie er, einen Luftballon haltend, buchstäblich in der Luft hängt. Und dem Besucher am Ende noch eine kleine typisch nordische Weisheit mit auf den Weg zu geben scheint: Es läuft halt nicht immer alles rund. Aber mit Kunst lässt sich das alles besser verarbeiten …

„Lille Fjols“ von Tommi Toija hängt in der Luft Foto: Sara Wasmund
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Leitartikel

Anna-Lena Holm
Anna-Lena Holm Hauptredaktion
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