Leitartikel

„Rücktritt Löfvens: Wird Schweden jetzt dänischer?“

Rücktritt Löfvens: Wird Schweden jetzt dänischer?

Rücktritt Löfvens: Wird Schweden jetzt dänischer?

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Neue Parteichefin im November, Wahlen 2022: Schwedens Sozialdemokratie steht ein aufregendes Jahr bevor. Gibt es Anzeichen für einen Rechtsruck auf der anderen Seite des Öresunds? Cornelius von Tiedemann glaubt – noch – nicht daran.

Schwedens sozialdemokratischer Regierungschef Stefan Löfven hat seinen Rückzug angekündigt. Seine Nachfolgerin könnte im November die bisherige Finanzministerin Magdalena Andersson werden. Eine Politikerin, die für Geradlinigkeit steht. Über deren politische Agenda allerdings noch Rätselraten herrscht.

Wie in Dänemark, so ist es auch in Schweden der politischen Rechten gelungen, die Themen Identität, Einwanderung und Integration über Jahre hinweg im Zentrum der öffentlichen Debatte zu halten.

Anders als bei uns hat die schwedische Sozialdemokratie an ihrem Prinzip internationaler Solidarität allerdings bisher festgehalten. Auch in Bezug darauf, geflüchtete Menschen und andere, die sich in Schweden eine sichere Existenz aufbauen wollen, nicht grundsätzlich als Bedrohung zu betrachten.

Löfven regiert jedoch in einem fragilen Linksbündnis. Zuletzt im Januar wäre es fast zerbrochen. Es konnte nur deshalb notdürftig wieder zusammengeklebt werden, weil die liberale Zentrumspartei sich, anders als ihre anderen ehemaligen Verbündeten aus dem bürgerlichen Lager, standhaft weigert, den kulturnationalistischen Schwedendemokraten Regierungseinfluss zu gewähren.

Es gibt durchaus andere Optionen als Magdalena Andersson, doch sie gilt als wahrscheinlichste nächste Regierungschefin in Stockholm. Niemand sonst unter den möglichen Kandidatinnen und Kandidaten ist so gefestigt wie Andersson, die jahrelang Chefin der schwedischen Steuerbehörde war und international bestens vernetzt ist. „Wer sie herausfordert, muss einen politischen Selbstmordwillen besitzen“, sagt etwa der Politikwissenschaftler Stig-Björn Ljunggren in „Aftonbladet“.

Sie hat es in jüngster Zeit, auch mithilfe von Beratern, geschafft, das linke wie das rechte Lager der Partei hinter sich zu vereinen, hat viel politische Erfahrung und ist dennoch ein in der öffentlichen Debatte einigermaßen unverbrauchtes Gesicht. Herausgestochen haben vielleicht ihre Äußerungen zum Thema Integration.

Vor vier Jahren machte sie als Finanzministerin darauf aufmerksam, dass ihrer Meinung nach die Integration nicht mehr funktioniere, wenn mehr Schutzbedürftige „als wir bewältigen können“ nach Schweden kommen. Zu „Dagens Nyheter“ sagte sie damals, die betreffenden Personen hätten bessere Aussichten auf Integration, wenn sie sich in einem anderen Land, indem das Asylsystem nicht so ausgelastet sei, bewerben würden.

„Es gibt Grund für uns Sozialdemokraten, selbstkritisch zu sein“, so Andersson.

Aussagen, die noch lange nicht den harten Kurs einer Mette Frederiksen ankündigen. Die aber hellhörig werden lassen, ob eine der letzten sozialdemokratischen Bastionen des Widerstandes gegen den Rechtsruck in Europa standhaft bleibt. Der dänische Weg, die Sozialdemokratie nicht mehr als globale, sondern nur noch als nationale Solidaritätsbewegung zu definieren, ist machtpolitisch schließlich äußerst verlockend.

Zumal, weil Andersson sich wirtschaftspolitisch zuletzt immer weiter vom marktliberalen Kurs ihrer (möglichen) Vorgänger distanziert hat – ganz, wie Frederiksen es einst machte.

Doch wer auch immer auf Löfven folgt: Ein so massiver Rechtsruck der Arbeiterpartei wie in Dänemark ist vorerst schwer vorstellbar. Denn es bleibt nur ein Jahr bis zur nächsten Wahl, in der sich die Sozialdemokraten nach acht schwierigen Regierungsjahren wieder attraktiv für die Wählerinnen und Wähler machen müssen.

Andersson oder einer anderen Kandidatin bleibt zu wenig Zeit, die Partei ideologisch so umzupolen und auf Linie zu bringen, wie Mette Frederiksen es mithilfe ihres Teams im Laufe von vier Jahren fertiggebracht hat.

Auch deshalb wird in Schweden wohl, zumindest bis zur Wahl im Herbst ’22, auch mit neuer Chefin, vorerst vieles anders bleiben. 

 

Mehr lesen