Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
Triumph der Mitte - Haseloff vor dritter Amtszeit
Triumph der Mitte - Haseloff vor dritter Amtszeit
Triumph der Mitte - Haseloff vor dritter Amtszeit
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Die Angst vor einem Sieg der AfD beschert Ministerpräsident Haseloff einen sensationellen Wahlerfolg. Bezahlen müssen für den verhinderten Sieg der AfD die, die ihnen am entschiedensten entgegentraten.
Die Sachsen-Anhalter haben klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht das erste Bundesland sein wollen, in dem die AfD stärkste Kraft wird.
Mit deutlichem Abstand haben sie die CDU und Ministerpräsident Reiner Haseloff zum Wahlsieger gewählt, der Stimmenanteil der AfD hingegen ging sogar leicht zurück. Wie schon seine ostdeutschen Amtskollegen Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg, Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen und Bodo Ramelow (Linke) in Thüringen erreichte Amtsinhaber Haseloff deutlich mehr Stimmen, als Umfragen ihm zutrauten und verhinderte damit einen Sieg der AfD.
Zwei der letzten fünf Umfragen hatten CDU und AfD eng beieinander gesehen, in einer lag die AfD sogar vorn. SPD, Linke und Grüne hatten schon in den Befragungen weit hinten und fern einer eigenen Mehrheit gelegen. Wer bei dieser Wahl verhindern wollte, dass sein Land als erstes Bundesland mit der AfD als stärkster Kraft in die Geschichte eingeht, konnte das also am sichersten durch ein Kreuz bei der CDU verhindern.
Anders als die CDU büßten SPD, Grüne und FDP im Vergleich zu den letzten Umfragen einige Prozentpunkte ein. Es liegt also nahe, dass viele Wählerinnen und Wähler im letzten Moment auf die CDU umgeschwenkt sind, um einen AfD-Wahlsieg zu verhindern. Auch Wahlsieger Haseloff geht davon aus, dass die Umfragen der letzten Tage seine Wähler mobilisiert haben. Das Land habe sich «regelrecht aufgebäumt» nach den Prognosen, sagte Haseloff nach den Prognosen.
Damit profitiert am Ende ausgerechnet die Partei von der hohen Zustimmung der AfD, die nach Meinung vieler Kritiker für ebendiese Stärke am ehesten verantwortlich ist: die CDU. Die Konservativen hatten es in den fünf Jahren AfD-Parlamentszugehörigkeit trotz ständiger Bekundungen der Parteispitze nicht geschafft, sich glaubhaft von der AfD abzugrenzen, die in Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet wird.
Immer wieder fiel die CDU durch verschwimmende Grenzen auf, mal durch fragwürdige Äußerungen ihrer Abgeordneten, mal durch öffentlich gewordene Verbindungen von Mitgliedern ins rechtsextreme Milieu. Höhepunkt der Liebäugeleien waren die Abgeordneten Thomas Ulrich und Lars-Jörn Zimmer, die in einer Denkschrift gefordert hatten, «das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen» und sich der AfD zu öffnen.
Haseloffs klare Ablehnung der AfD steht zwar außer Frage. Die seiner Partei jedoch nicht. Die beiden Rechtsausleger wurden auf dem Listenparteitag mit den Plätzen 3 und 4 belohnt - auf der Landesliste der CDU sichere Freischeine in den nächsten Magdeburger Landtag.
Die SPD, deren Minister im Wesentlichen die Corona-Krise für Haseloff managten, muss nach 2016 erneut mit einem historischen Tiefstand in Sachsen-Anhalt und zum fünften Mal insgesamt mit einem einstelligen Ergebnis rechnen. Die Grünen, die noch vor Tagen mit einer Verdopplung ihres Ergebnisses rechnen konnten, legten deutlich weniger zu als von ihnen erhofft und bleiben wohl kleinste Fraktion im Landtag. Die Linke, die im Landtag die schärfsten Attacken gegen die AfD ritt, wurde vom Wähler abgestraft mit dem wohl schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte in Sachsen-Anhalt.
Hinter den Umfragen zurückgeblieben ist auch die FDP - die Liberalen hatten aber dennoch Grund zum Jubeln. Nach zehn Jahren kehrt die Partei zurück in den Landtag. Damit steht für Haseloff neben SPD und Grünen ein weiterer potenzieller Koalitionspartner bereit. Vor der Wahl hatten Umfragen teils prognostiziert, dass Haseloff für eine Mehrheit sogar auf ein Viererbündnis angewiesen sei. Das war direkt mit den Prognosen vom Tisch. Am späten Sonntagabend hätte sogar eine Koalition nur mit der SPD eine Mehrheit gehabt, wenn auch nur sehr knapp.
Haseloff hatte die Kenia-Koalition vor der Wahl auffällig oft in den höchsten Tönen gelobt und seine Bereitschaft für eine Neuauflage signalisiert. Die fünf Jahre Kenia verliefen allerdings alles andere als harmonisch. Vor allem die Grünen sind in weiten Teilen der CDU geradezu verhasst. Haseloff und sein Fraktionschef Siegfried Borgwardt wollten sich am Wahlabend zwar keine Präferenz entlocken lassen. Zwei von Haseloffs Ministern und weitere Stimmen aus der Partei sprachen sich aber klar dafür aus, die Grünen in der Koalition durch die FDP zu ersetzen.
In den nun anstehenden Gesprächen ist Haseloff in jedem Fall gut beraten, nicht mit geschwollener Brust, sondern mit einer gewissen Demut gegenüber seinen Bündnispartnern aufzutreten, die für seinen Erfolg bluten mussten. In den ersten Reaktionen am Sonntagabend tat er das. Auf dem Papier ist das Ergebnis ein sensationeller Erfolg für Haseloff und die CDU, tatsächlich ist es auch ein Triumph der ganzen politischen Mitte in Sachsen-Anhalt.