Amtsgericht

Baggerschiff-Unfall: Geldstrafen für Lotse und Kapitän

Baggerschiff-Unfall: Geldstrafen für Lotse und Kapitän

Baggerschiff-Unfall: Geldstrafen für Lotse und Kapitän

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Die Angeklagten (l, M, und hinten r) sitzen mit ihren Anwälten zu Beginn des Prozesstages im Strafjustizgebäude. Foto: Marcus Brandt/dpa

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Auf einer Routinefahrt durch den Hamburger Hafen schlägt der Arm eines Baggerschiffs gegen eine Hochspannungsleitung. Mit lautem Knall fällt der Strom aus, Seile reißen. Das Amtsgericht stellt fest: Verantwortlich für den Unfall sind ein Lotse...

Im Prozess um einen folgenschweren Baggerschiffunfall hat das Amtsgericht Hamburg einen Lotsen und einen Kapitän zu Geldstrafen verurteilt. Das Gericht sprach die beiden Angeklagten am Montag der fahrlässigen Gefährdung des Schiffsverkehrs schuldig. Ein angeklagter Zweitlotse wurde freigesprochen. Bei dem Unfall vor gut drei Jahren war der hochgeklappte Ausleger des Baggers während der Fahrt auf einem Ponton gegen eine Hochspannungsleitung im Hafen geschlagen. Infolge der Beschädigung fiel im Stadtteil Wilhelmsburg für mehrere Stunden der Strom aus. An der Leitung und am Schiff entstand ein Sachschaden von 687.000 Euro.

Der 56 Jahre alte Lotse und der 79-jährige Kapitän hätten sich beim Schleppen des Bagger-Pontons «Simone» grob fahrlässig verhalten, sagte Richter Arno Lehmann. Keiner habe gewusst, wer der verantwortliche Schiffsführer des Schleppverbandes gewesen sei. Einer habe sich auf den anderen verlassen. «Zusammengefasst und rechtlich betrachtet war die Verholung der «Simone» am 7. Januar 2020 ein Stück aus dem Tollhaus», sagte Lehmann.

Der Schleppverband bestand aus einem Schlepper, der Hubinsel und einem Schubboot. Der Raupenbagger befand sich auf der Hubinsel, einer Plattform mit absenkbaren Stelzen. Wie die Lotsen in ihrer Aussage erklärten, war an jenem Tag Eile geboten. Der Bagger sollte noch bei Hochwasser von seinem Liegeplatz im Reiherstieg, einem Seitenarm der Elbe, nach Blankenese gebracht werden, um möglichst nah an das Ufer heranfahren zu können. Ziel war eine Baustelle für ein neues Leuchtfeuer.

Die Lotsen hatten die Höhe des Kranauslegers vor der Abfahrt auf 40 Meter geschätzt, wie sie vor Gericht sagten. Zum Unfallzeitpunkt ragte das Gerät nach Feststellung von zwei Gutachtern 63 Meter über dem Wasserspiegel auf. Die maximale Durchfahrtshöhe unter der Freileitung und der danach zu passierenden Köhlbrandbrücke beträgt 53 Meter. Die Höhe des Krans wäre für die Lotsen feststellbar gewesen, sagte Lehmann. Sie sei nach dem Ablegen auch nicht mehr verändert worden. Ein kurz nach der Abfahrt gemachtes Foto eines Zeugen zeige exakt die Position des Kranauslegers, in der er bei der Kollision war.

Die Angeklagten hatten zu den Vorwürfen zunächst geschwiegen. Erst am sechsten und letzten Verhandlungstag schilderten die beiden Lotsen den Vorfall aus ihrer Sicht. Dabei gaben sie an, sie hätten den Baggerführer für den Schiffsführer gehalten. Er habe bei einem kurzen Briefing an Bord gesagt, dass der Ponton «reiseklar» sei. Bei der Durchfahrt durch die geöffnete Retheklappbrücke habe es einen lauten Knall wie von einem starken Böller gegeben, berichtete der 56-Jährige. «Wir konnten uns keinen Reim darauf machen, bis einer sagte: «Wir hängen in der Leitung.»» Der fast senkrecht stehende Ausleger hatte 6 der 8 Leitungsseile mit einer Spannung von 110 Kilovolt durchtrennt.

Der hauptverantwortliche Lotse wurde zu 135 Tagessätzen zu je 200 Euro verurteilt. Der Kapitän muss 75 Tagessätze à 30 Euro zahlen. Hinzu kommen Verfahrenskosten und möglicherweise zivilrechtliche Forderungen, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Der Zweitlotse hätte die Höhe des Krans hinterfragen sollen, aber nicht müssen. Seine Nachlässigkeit sei nicht als grobe Pflichtverletzung einzuschätzen, sagte der Richter zur Begründung des Freispruchs für den 53-Jährigen.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den hauptverantwortlichen Lotsen 180 Tagessätze à 200 Euro, für den Zweitlotsen 150 Tagessätze ebenfalls zu je 200 Euro und für den Kapitän 90 Tagessätze à 30 Euro beantragt. Die insgesamt sechs Personen an Bord seien erheblich gefährdet gewesen und nur durch Zufall nicht verletzt worden, sagte die Staatsanwältin. Die Verteidiger hatten jeweils Freispruch gefordert.

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