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Bahn wird Ziel von Sabotage: Zugchaos für Reisende im Norden

Bahn wird Ziel von Sabotage: Zugchaos für Reisende im Norden

Bahn wird Ziel von Sabotage: Zugchaos für Reisende im Norden

dpa
Berlin/Hannover
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Ein Bahnsteig im Hauptbahnhof Hannover ist verwaist. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

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Ausgerechnet zum Start ins Wochenende werden unzählige Bahnreisende am Samstag ausgebremst. Eine Störung legt den gesamten Fern- und teils auch den Regionalverkehr im Norden Deutschlands lahm. Die Bahn geht von Sabotage aus.

Über Stunden geht nichts mehr auf den meisten Schienen im Norden Deutschlands: Ein Sabotageakt hat nach Angaben der Bahn eine massive Störung des Zugfunks ausgelöst - und vielen Reisenden den Start ins Wochenende vermasselt. Betroffen waren am Samstag der Fern- und teils auch der Regionalverkehr der Deutschen Bahn in weiten Teilen Norddeutschlands. Im Laufe des Vormittags meldete die Bahn dann, dass die Störung behoben sei, es aber weiter zu Beeinträchtigungen kommen könne. Auch andere Bahnunternehmen meldeten massive Störungen.

Die Bahn ging von Sabotage aus: «Aufgrund von Sabotage an Kabeln, die für den Zugverkehr unverzichtbar sind, musste die Deutsche Bahn den Zugverkehr im Norden heute Vormittag für knapp drei Stunden einstellen», sagte eine Sprecherin. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing sprach von Sabotage. An zwei Standorten seien Kabel durchtrennt worden. Zu möglichen Tätern und ihrem Motiv machte der FDP-Politiker keine Angaben. Die Bundespolizei ermittele.

«Wir haben einen Tatort in Berlin-Hohenschönhausen», sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin der Deutschen Presse-Agentur. «Ein weiterer befindet sich in Nordrhein-Westfalen.» Aus Sicherheitskreisen hieß es, am Karower Kreuz in Berlin und in Herne in Nordrhein-Westfalen seien vorsätzlich so genannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen.

Unzählige Fahrgäste strandeten während des Ausfalls an großen Bahnhöfen wie Hannover, Hamburg und Berlin. An Auskunftsschaltern bildeten sich lange Warteschlangen, während an den Anzeigetafeln in den Bahnhofshallen entweder pure Leere herrschte oder über «unbestimmt verspätete» Züge oder Komplettausfälle informiert wurde.

Am Bahnknotenpunkt Hannover, an dem sich wichtige Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen der Bahn treffen, bewahrten die wartenden Bahnreisenden weitgehend Ruhe, wie ein dpa-Reporter berichtete. Viele von ihnen hätten zwar kopfschüttelnd vor der großen Anzeigetafel, die über die Zugausfälle informierte, gestanden. Aber eine aggressive Stimmung habe nicht geherrscht.

Später habe die Bahn beginnen wollen, Kaffee und Tee an die Wartenden zu verteilen. Draußen hätten sich am Taxistand Grüppchen gebildet und versucht, sich in kleinen Fahrgemeinschaften per Taxi in die nächste Großstadt durchzuschlagen.

Auch bei der Nordwestbahn ging wegen der Störung zwischenzeitlich nichts mehr. «Wir fahren auf einem Großteil der Strecken im Moment nicht», sagte eine Sprecherin des Bahnunternehmens am Samstagmorgen - vor Behebung der Störung. Das gesamte Weser-Ems-Netz war zwischenzeitlich betroffen, außerdem die Regio-S-Bahn und Teile Ostwestfalens. Einzelne Ersatzverkehre sollten organisiert werden.

Auch die S-Bahn Hannover war betroffen, alle Züge standen stundenlang still, wie ein Sprecher sagte. Die Regionalzüge von Metronom, Enno und Erixx fielen ebenfalls aus. Nach Behebung der Störung mussten Zugreisende noch mit Verspätungen rechnen.

Die heftigen Probleme seien auf eine Störung des digitalen Zugfunks GSM-R (Global System for Mobile Communications - Rail) zurückzuführen, erklärte eine Bahn-Sprecherin. «Er dient der Kommunikation zwischen den Leitstellen, die den Zugverkehr steuern, und den Zügen und ist damit unverzichtbarer Bestandteil für den reibungslosen Zugverkehr.»

Am Morgen hatte die Hiobsbotschaft gelautet: «Es gibt derzeit keine Reisemöglichkeiten mit dem Fernverkehr von/nach Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen in/aus Richtung Kassel-Wilhelmshöhe, Berlin und NRW.» Beispielsweise war der gesamte ICE-Verkehr zwischen Berlin, Hannover und Nordrhein-Westfalen eingestellt. Auch internationale Verbindungen waren betroffen. So fuhren IC-Züge zwischen Berlin und Amsterdam gar nicht. Stillstand herrschte teils auch bei Regionalzügen der Bahn.

Als Alternative schlug das Unternehmen Reisenden zwischen Berlin und Köln sowie zwischen Berlin und Baden-Württemberg und der Schweiz vor, Verbindungen des Fernverkehrs mit Umstieg in Erfurt und Frankfurt am Main zu nutzen. Viele Reisende, die etwa von Berlin nach Nordrhein-Westfalen fahren wollten, folgten der Empfehlung der Bahn und nahmen den Umweg mit Umstieg in Frankfurt auf sich. Die Folge waren völlig überfüllte Züge, wie ein dpa-Reporter aus dem ICE 934 auf der Fahrt nach Frankfurt berichtete.

In Norddeich-Mole fuhr ein Regionalexpress nach Hannover am Samstagvormittag mit fünf Minuten Verspätung ab - der Zug war mit vielen Fahrgästen besetzt, aber nicht überfüllt. Zahlreiche Fähren von Norderney und Juist hatten angelegt. Ein Schaffner rief per Megafon vom Bahnsteig in Richtung Schiffsanleger: «Bitte steigen sie in diesen Zug ein. In den nächsten Stunden fährt kein Zug von hier.»

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