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Fischerei berät über Zukunft: Existenzsorgen und «Angelboom»

Fischerei berät über Zukunft: Existenzsorgen und «Angelboom»

Fischerei berät über Zukunft: Existenzsorgen und «Angelboom»

dpa
Emden
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Ein Krabbenkutter fährt aus einem Hafen. Foto: Sina Schuldt/dpa/Illustration

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Um die Weltbevölkerung künftig klimagerecht zu ernähren, wird die Fischerzeugung nach Ansicht des Fischerei-Verbandes wichtiger. Aktuell sehen sich die Hochsee- und Küstenfischer aber mit vielen Problemen konfrontiert. Es gibt aber auch einen Lichtblick.

Für eine klimagerechte Ernährung der Weltbevölkerung muss nach Ansicht von Fischern, Anglern und Teichwirten künftig deutlich mehr Fisch gefangen und produziert werden - auch in Deutschland. «Das ist die globale Aufgabe, vor der wir uns im Rahmen der Klima-Diskussion sehen», sagte der Generalsekretär des Deutschen Fischerei-Verbandes, Peter Breckling, zum Auftakt des Deutschen Fischereitages am Dienstag in Emden. Dem Fisch komme insgesamt eine wichtige Rolle bei der künftigen Welternährung zu, da dieser größtenteils eine günstigere Klima- und Umweltbilanz vorweise als die meisten anderen Quellen tierischen Proteins, sagte Breckling.

Bei dem Deutschen Fischereitag beraten rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus der Fischerei, von Behörden und aus der Politik noch bis Donnerstag zur Lage der Fischwirtschaft in Deutschland - die Rolle von Fisch in einer klimagerechten Ernährung ist dabei nur ein Thema. Denn auf dem Weg dorthin sieht sich die deutsche Fischwirtschaft aktuell auch mit vielen Problemen konfrontiert: Streit um Fangrechte und Fangquoten, Nutzungskonflikte in Fischfanggebieten, Umweltauflagen, sich ändernde Klimabedingungen und ausbleibende Preise erschweren aus Sicht der Verbände der Hochsee- und Küstenfischer den Erwerb. Ein Überblick:

- Küstenfischerei: Mit Sorge blickt die Branche zurzeit insbesondere an die Ostsee, wo sich Kutterfischer angesichts sinkender vorgegebener Fangmengen für Westdorsch und Westhering in ihrer Existenz akut bedroht sehen. «Da sieht es sehr düster aus», sagte der Vize-Präsident des Deutschen Fischerei-Verbandes, Dirk Sander. Eine «normale Fischerei» werde so kaum noch lange aufrechterhalten werden können. Viele Kutter stünden bereits zum Verkauf. Nun soll es Gespräche mit Bundes- und Landesbehörden geben, um Lösungen für die Fischer vor Ort zu finden.

Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Beate Kasch, sicherte in ihrer Rede bei der Eröffnung des Fischereitages Unterstützung zu: «Ich werde angesichts der äußerst schwierigen Situation Anfang Dezember zu einem runden Tisch einladen - und zwar zur Zukunft der Ostseefischerei.» Ziel sei es mit allen Beteiligten Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Für 2022 sei zudem erneut geplant, eine vorübergehende Stilllegung von Kuttern finanziell zu fördern.

An der Nordsee sehen sich die Küstenfischer nach eigenen Angaben immer mehr mit anderen Raumansprüchen wie Offshore-Windparks, Naturschutzgebieten, Kabeltrassen oder Schifffahrtsrouten konfrontiert. Viele Fischer fühlten sich daher von ihrem Arbeitsplatz etwa auf der Nordsee vertrieben, sagte Sander. «Überall wo Wasser ist, ist noch lange kein Fisch und sind auch keine Krabben.» Auch der aktuell hohe Dieselpreise mache den Küstenfischern zu schaffen.

- Hochseefischerei:Die deutschen Hochseefischer spüren noch immer die Auswirkungen des Brexits - nun könnte zudem eine Eskalation um Fangquoten zwischen der EU und Norwegen bevorstehen. «Wir stehen vor der größten Herausforderung der jüngsten Geschichte», sagte Samuel Rodriguez Ortega vom Deutschen Hochseefischerei-Verband. Nach Darstellung der deutschen Fischerei versucht Norwegen nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU, Fangquoten zu seinen Gunsten zu erhöhen - jedoch zu Lasten der EU-Fischer. Es gehe um 7000 Tonnen Kabeljau, die Norwegen für 2021 den EU-Fischern weniger gewähren will, sagte Rodriguez Ortega. Diese Menge sei «substanziell».

Den Hochseefischern zufolge wird die von Norwegen gewährte Quote in Kürze abgefischt sein. Sie befürchten harte Maßnahmen von Norwegen, sollten EU-Fischer dort dennoch weiter fischen.

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) sagte bei der Eröffnung des Fischereitages, sie stehe mit ihren Ministerkollegen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu den Verwerfungen um die Kabeljau-Quote im Austausch. «Wir halten es wirklich für ernsthaft und für erforderlich, dass sich die EU nachdrücklich gegenüber Norwegen für die Durchsetzung der Interessen der EU-Fischerei einsetzt, um den weiteren Verlust von EU-Fangrechten abzuwenden», sagte Otte-Kinast.

- Freizeitfischerei: Während sich die Berufsfischerei vielerorts mit Existenzsorgen konfrontiert sieht, ist in der Freizeitfischer ein gegenläufiger Trend zu beobachten: «Wir haben durch Corona einen Boom erlebt», sagte der Präsident des Deutschen Angelfischerverbandes, Klaus-Dieter Mau. Menschen hätten mehr Zeit im Freien verbracht und gezielt die Natur gesucht - das sei auch der Angelfischerei zu Gute gekommen. In Deutschland gab es 2020 laut dem Verband 6,6 Millionen Freizeitfischer, die mindestens einmal im Jahr angeln gehen.

- Binnenfischerei: Die Ausweisung von Naturschutzgebieten sowie Probleme mit Kormoranen, Ottern und Reihern setzen den Binnenfischern, wie etwa Teichwirten zu. Gleichzeitig komme die Entwicklung von Aquakulturen in Deutschland nicht voran, sagte Torben Heese, Vorstandsmitglied des Verbandes der Deutschen Binnenfischerei und Aquakultur. Als Grund führt der Verband unter anderem langsame Genehmigungsprozesse in kommunalen Baubehörden an.

Die Naturschutzorganisation WWF nahm den Fischereitag zum Anlass, um auf die Auswirkungen der Fischindustrie auf das Klima hinzuweisen: «Global betrachtet setzen Fischereien mit Grundschleppnetzen ebenso viel CO2 frei wie der weltweite Flugverkehr», teilte WWF-Fischereiexperte Philipp Kanstinger mit. Daher müsse auch auf umweltverträgliche Fangmethoden gesetzt werden, um Fischbestände in einem gesunden Ökosystem zu erhalten.

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