Ukraine-Krieg

Forscher sieht Pazifismus durch Putin infrage gestellt

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dpa
Hamburg
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«Frieden schaffen ohne Waffen» - diese Kernforderung des deutschen Pazifismus sieht der Politikwissenschaftler Ulrich Kühn durch den Ukraine-Krieg in Frage gestellt. «Und das eben dadurch, dass Putin so etwas einfach nicht respektiert», sagte Kühn der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und Neue Technologien am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg.

Es sei nicht so, dass gewaltloser Widerstand gar keinen Erfolg habe, sagte Kühn. Das habe man zum Beispiel gesehen, als in von Russland eroberten Gebieten anfangs ukrainische Zivilisten spontan auf die Straße gegangen seien und Panzer zurückgedrängt hätten. «Aber man muss sich natürlich fragen, wie es weitergeht, wenn die andere Seite die Demonstranten einfach erschießt oder verschleppt.» Was dann geschehe, habe man in Belarus erleben müssen, wo die mutigen Proteste gegen den Präsidenten Alexander Lukaschenko durch brutale Waffengewalt erstickt worden seien.

Teile der deutschen Friedensbewegung haben sich gegen die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen, da diese den Konflikt nur verlängerten. «Selbstverständlich verlängern Waffen einen Konflikt», räumte Kühn ein. «Das ist eine Binsenweisheit. Es sollte jedoch im Ermessen desjenigen sein, der angegriffen wird, ob er sich mit Waffen verteidigen will. Und das hat die Ukraine sehr deutlich signalisiert. Eine solche Verteidigung ist absolut vertretbar und im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen. Insofern verpuffen hier meiner Meinung nach die klassischen Slogans der deutschen Friedensbewegung. Und das erklärt auch, warum Friedenskundgebungen derzeit nicht den Zulauf haben, den man angesichts eines Krieges in Europa vielleicht erwarten würde.»

Allerdings kann sich Kühn vorstellen: «Vielleicht stehen wir am Beginn einer neuen Friedensbewegung, die von einer neuen Generation getragen wird. Und das ist eine Generation, die schon vorher auf die Straße gegangen ist, nämlich für Fridays for Future. Eine Generation, die jetzt eben auch gegen den Krieg auf die Straße geht, aber eben vor allem den Angriffskrieg Putins anprangert. Das ist schon etwas anderes.»

Was die Möglichkeit von Friedensverhandlungen betrifft, so betonte Kühn, derzeit habe die russische Seite daran im Gegensatz zu der Regierung in Kiew kein Interesse. Dies könne sich jedoch ändern, wenn auch der geplante Großangriff der russischen Streitkräfte im Donbass von den Ukrainern abgewehrt werde. «Wenn die ukrainische Armee es schafft, die Russen erneut aufzuhalten, dann ist es wirklich möglich, dass Putin versucht, irgendwie gesichtswahrend mittels einer Verhandlungslösung aus der Sache wieder rauszukommen.»

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