Verfassungsgericht

Klage gegen umstrittenen Haushalt für 2024

Klage gegen umstrittenen Haushalt für 2024

Klage gegen umstrittenen Haushalt für 2024

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Der Landeshaushalt wird ein Fall für das Verfassungsgericht. (Archivbild) Foto: Frank Molter/dpa

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Zwei von drei Oppositions-Fraktionen halten den mit Notkrediten finanzierten Landesetat für verfassungswidrig. SPD und FDP stützen sich auf ein Gutachten. Kritik kommt auch von anderer Seite.

Wegen des teilweise mit Notkrediten finanzierten Haushalts wollen SPD und FDP Verfassungsklage einlegen. Ein Gutachten habe ihre Zweifel bestätigt, dass der Haushalt verfassungswidrig sei, sagte SPD-Landtagsfraktionschefin Serpil Midyatli. «Die Verfassung ist nicht verhandelbar.» Die Koalition haben sich in eine Sackgasse begeben. «Auch jedes noch so gemeinnützige politische Ziel rechtfertigt unter keinen Umständen den Bruch geltenden Rechts zu seiner Verwirklichung.»

Ihr FDP-Kollege Christopher Vogt sagte, «wir gehen davon aus, dass das Landesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit feststellen wird.» Es gebe erhebliche Zweifel an den mit der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine begründeten Notlagen. Es sei nicht gut für das gesellschaftliche Klima, aus Corona eine Dauerkrise zu machen und damit Fahrradwege und Schweineställe zu finanzieren. «Es wurde beim Haushalt massiv getrickst.»

«Viele der Maßnahmen, die die Landesregierung aus Notkrediten finanziert, sind schlichtweg Daueraufgaben des Landes und lassen sich nicht auf die festgestellten Notlagen zurückführen», sagte Vogt. Manche Begründungen klängen wie in einem Loriot-Sketch: «Dies zeigt sich zum Beispiel beim aus dem Corona-Notkredit finanzierten Radwegebau, wo es heißt: "Radfahren stärkt nachweislich das Immunsystem und schützt so vor Erkrankungen – wie zum Beispiel Corona. Die Option 'Fahrrad' ermöglicht es, insbesondere in der Erkältungszeit volle Busse und Bahnen zu vermeiden."»

Nach Ansicht Midyatlis heiligt der Zweck nicht die Mittel. «Wie jede Bürgerin und jeder Bürger müssen sich auch Regierungen und Parlamente an geltendes Recht halten, seien es einfache Gesetze oder Verfassungsrecht.» Auch Schwarz-Grün stehe nicht über dem Gesetz. «Ein offener und bewusster Verfassungsbruch von Regierung und Regierungsfraktionen, der darauf spekuliert, dass die Opposition nicht klagt, ist mit uns nicht machbar.»

CDU verwundert

Finanzministerin Monika Heinold bezeichnete die Verfassungsklage als gutes Recht der Opposition. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt habe die Nutzung von Notkrediten klargestellt, sagte die Grünen-Politikerin. Und aus Sicht der Landesregierung seien diese Auflagen im Haushalt auch erfüllt. «Sollte es zusätzliche Hinweise und weitere Klarheit über die Anwendung der Schuldenbremse bei Notlagen und Naturkatastrophen geben, werden auch diese künftig berücksichtigt.»

Unabhängig davon halte sie eine Reform der Schuldenbremse für richtig. «Notkredite müssen auch überjährig genutzt werden können, gerade wenn es um große Investitionen wie die Sicherung der Küsten durch Deiche geht.» Weshalb die SPD auf Landesebene die Nutzung von Notkrediten kritisiere und auf Bundesebene vehement fordere, bleibe Geheimnis der handelnden Akteure.

CDU-Fraktionschef Tobias Koch zeigte sich verwundert, dass sich SPD und FDP bis zur Sommerpause mit der von Ihnen angekündigten Prüfung einer Verfassungsklage Zeit gelassen hätten. «Bei der von der Opposition vermuteten Verfassungswidrigkeit des Landeshaushalt 2024 hätte man erwarten können, dass SPD und FDP mit einem Eilantrag beim Landesverfassungsgericht vorstellig werden, so wie es die CDU/CSU- Bundestagsfraktion beim verfassungswidrigen Bundeshaushalt der Ampel-Koalition getan hat.» 

Seine Fraktion sei unverändert überzeugt, dass die mit großer Mehrheit beschlossenen Notkredite sowohl den Vorgaben der Landesverfassung als auch dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden.

Drei Notkredite

Der Landtag hatte im März den Haushalt mit den Stimmen von Schwarz-Grün und dem oppositionellen SSW verabschiedet. Ausgaben in Höhe von knapp 18 Milliarden Euro finanziert die Koalition unter anderem mit drei neuen Notkrediten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro (Corona-Notkredit von 573 Millionen Euro, Ukraine-Notkredit von 798 Millionen Euro und der Ostsee-Notkredit von 154 Millionen Euro). Hinzu kommen 130 Millionen Euro konjunkturelle Schulden. Das Land ist aktuell mit gut 32 Milliarden Euro verschuldet.

Aus Sicht des SSW sei der Landeshaushalt verfassungskonform, sagte Fraktionschef Lars Harms. «Und wir zweifeln nicht daran, dass auch das Landesverfassungsgericht zu dieser Einschätzung gelangen wird.»

Vogt und Midyatli kündigten an, dass der von den Fraktionen beauftragte Bielefelder Rechtswissenschaftler Simon Kempny bis Ende August eine Klageschrift erarbeiten soll. Sie wollen vor dem Verfassungsgericht dann eine Normenkontrollklage einreichen. Ein Sprecher des Landesverfassungsgerichts sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei unwahrscheinlich, dass noch in diesem Jahr auch ein Urteil falle. Er begründete dies unter anderem mit langen Stellungnahmefristen in einem solchen Verfahren.

Kritik des Steuerzahlerbundes

Der Bund der Steuerzahler begrüßte die angekündigte Klage. «Landesregierung und Regierungskoalition müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass man mit Verfassungsbrüchen und der ständigen Diskussion über die Ausgestaltung der Schuldenbremse keine Haushaltsprobleme lösen kann», sagte der Präsident des Landesverbands, Aloys Altmann. «Selbst wenn es Anpassungen bei der Formulierung der Schuldenbremse geben sollte, wird dadurch keine neue Finanzierungsquelle erschlossen.»

2021 hatte ein Gutachten im Auftrag des Verbandes ergeben, dass es beim Umgang mit den Notkrediten für die Corona-Pandemie Verfassungsverstöße gegeben hat.

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