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Nach Millionencoup: Haspa muss Kunden besser entschädigen

Nach Millionencoup: Haspa muss Kunden besser entschädigen

Nach Millionencoup: Haspa muss Kunden besser entschädigen

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
Zuletzt aktualisiert um:
Blick auf den Eingang der Haspa-Filiale in der Rathausallee. Foto: Marcus Brandt/dpa

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Im August 2021 brechen Kriminelle Hunderte Schließfächer bei der Hamburger Sparkasse auf. Die Beute im Wert zwischen 11 und 40 Millionen Euro ist verschwunden. Laut einem Urteil hat die Haspa es den Ganoven zu leicht gemacht - und muss für den...

Der spektakuläre Aufbruch von mehr als 600 Bankschließfächern in Norderstedt könnte die Hamburger Sparkasse (Haspa) teuer zu stehen kommen. Das Landgericht Hamburg gab am Donnerstag den Klagen von drei geschädigten Kunden statt. Die Sparkasse hafte für den nachgewiesenen Schaden der Schließfachinhaber, erklärte der Vorsitzende der Zivilkammer, Christoph Ruholl. Anstatt der 40.000 Euro, die in den Geschäftsbedingungen des Geldinstituts als Maximal-Entschädigung pro Schließfach festgelegt seien, müsse sie den drei Kunden Verluste in Höhe 110.000, 100.000 und 68.000 Euro ersetzen.

Im August 2021 waren unbekannte Täter mit Hilfe eines Kernbohrers aus einer Wohnung über der Haspa-Filiale durch eine Betondecke in den Schließfachraum eingedrungen. Sie stahlen Geld, Gold, Schmuck und viele andere Wertgegenstände aus den aufgebrochenen Schließfächern. Von der Millionenbeute fehlt jede Spur. Rechtsanwalt Jürgen Hennemann, der die Kläger vertritt, geht von einem Gesamtschaden in Höhe von rund 40 Millionen Euro aus. Die Haspa beziffert den Schaden auf 11 Millionen Euro.

Die Sparkasse habe ihre Pflichten bei der Sicherung der Schließfächer erheblich verletzt, erklärte Ruholl. Sie hätte bei der tresormäßigen Sicherung der Schließfächer den sich fortentwickelnden Stand der Technik berücksichtigen müssen. Das gelte insbesondere für den Bewegungsmelder im Tresorraum. Ein weiteres Versäumnis sei, dass der Tresorraum nicht videoüberwacht gewesen sei. Diese Pflichtverletzungen könnten als Ursache für den Schaden angesehen werden.

Von Bedeutung für das Verfahren war ein Einbruchsversuch in eine andere Haspa-Filiale in Hamburg-Altona. Dabei hatten die Täter im Oktober 2020 einen Kernbohrer mit einem Durchmesser von 45 Zentimetern eingesetzt. Zwei Stahltüren öffneten sie mit Trennschleifern und umgingen damit die Alarmanlage. Den Bewegungsmelder im Tresorraum klebten sie mit genau passenden Aufklebern ab, wie die Polizei später feststellte. Aus unbekannten Gründen brachen die Täter ihr Vorhaben ab. Ihr professionelles Vorgehen hätte die Haspa in ihrer Risikobewertung berücksichtigen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen müssen, sagte Ruholl.

Für einen Tresorraum mit Bankschließfächern gelte kein geringerer Schutz als beim Online-Banking, erklärte der Richter weiter. Die Banken stünden in der Pflicht, bei erkannten Schwachstellen auch kurzfristig ihr Sicherungssystem zu ändern. Dass der Standort in Norderstedt am Stadtrand von Hamburg weniger gefährdet gewesen sei, glaubte das Gericht nicht. Tatsächlich hätten Anwohner bei dem Lärm, den die Einbrecher verursachten, nicht die Polizei verständigt, sondern ihn für Baulärm gehalten. Ein Vertreter der Sparkasse kündigte an, die Haspa werde gegen das Urteil Berufung einlegen.

Seine Mandanten seien ein älterer Herr, ein Apotheker und ein Oberstudienrat, sagte Rechtsanwalt Hennemann. Der ältere Herr hatte den Angaben zufolge 150.000 Euro als Bargeld in einem Schließfach deponiert. Er habe das Geld eigentlich mit nach Hause nehmen wollen, weil die Haspa ein Verwahrentgelt (Strafzinsen) für sein Guthaben oberhalb von 50.000 Euro verlangt habe. Ein Mitarbeiter der Haspa habe ihn gewarnt, das sei zu unsicher, und das Schließfach als Alternative angeboten. Ihm sprach das Gericht 110.000 Euro an Entschädigung zu.

Der Apotheker hatte laut Hennemann mindestens 25.000 Euro in bar sowie Goldbarren und Goldmünzen deponiert. Das Gericht hielt einen Schaden von fast 68.000 Euro für erwiesen. Im Falle des Oberstudienrats setzte die Kammer die Entschädigung auf 100.000 Euro fest.

Der Einbruch hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Eine umfangreiche Fahndung einschließlich Durchsuchungen in Berlin und Königs Wusterhausen in Brandenburg im Dezember 2021 brachte die Polizei nicht auf die Spur der Täter. Wenige Tage vor der Razzia hatten die Hamburger Sparkasse und die Staatsanwaltschaft Kiel eine Belohnung von 55.000 Euro für Hinweise ausgelobt, die zur Ergreifung der Täter führen. Auch die ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY... Ungelöst» berichtete damals über den Fall. Letzte Ermittlungsergebnisse stünden noch aus, sagte der Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft, Michael Bimler, am Donnerstag und fügte hinzu: «Bislang gibt es keine Spuren, die zu einer Überführung oder Identifizierung der Täter geeignet wären.»

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