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Niederungsstrategie 2100 gesucht: Nass, aber nicht zu nass

Niederungsstrategie 2100 gesucht: Nass, aber nicht zu nass

Niederungsstrategie 2100 gesucht: Nass, aber nicht zu nass

dpa
Meggerdorf (dpa/lno) -
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Wasser fliesst durch die „Alte Sorge-Schleife“, einem Naturschutzgebiet in den schleswig-holsteinischen Niederungen. Foto: Axel Heimken/dpa

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Das Wasser steht hoch in den Gräben, bei jedem Schritt federt die klatschnasse Wiese. In der Flusstallandschaft von Eider, Treene und Sorge liegt das Land nur knapp über dem Meeresspiegel. Jetzt soll eine Strategie für die Zukunft der Niederungen im Klimawandel her.

Wenige Monate bevor Umwelt- und Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) die Landespolitik verlässt, hat er noch das schwierige Vorhaben einer Zukunftsstrategie für die Niederungsgebiete in Schleswig-Holstein angeschoben. Bis 2023 sollen die Interessen von Klima- und Naturschutz mit denen der Landwirtschaft unter einen Hut gebracht werden.

Das Problem: Die Niederungsgebiete - immerhin rund 20 Prozent der Landesfläche - liegen kaum oder wenig oberhalb des Meeresspiegels. Um dort Landwirtschaft betreiben zu können, werden sie entwässert. Das führt besonders in Moorgebieten zum Absinken des Bodens und zu Treibhausgasemissionen. Wird weniger entwässert, gelangt zwar weniger Kohlendioxid und Lachgas in die Atmosphäre. Allerdings ist dann die Landwirtschaft in der bisherigen Form in Frage gestellt.

Vor dem Hintergrund des steigenden Meeresspiegels und zunehmender Starkregen ist das eine große Herausforderung für alle Beteiligten, wie Albrecht am Montag bei einem Besuch in Meggerdorf in der Eider-Treene-Sorge-Niederung sagte. «Um sie (die Niederungen) als Lebens- und Wirtschaftsraum zu erhalten, muss künftig eine nachhaltige, wasserwirtschaftlich sinnvolle und finanziell abgesicherte Entwässerung organisiert werden.»

Kerstin Fuhrmann vom Eider-Treene-Verband erläuterte dem Minister auf einer klatschnassen Wiese im Binnermoor, warum es wahrscheinlich nicht reiche, einfach den Wasserstand in den Gräben zu erhöhen. Zu ihrer eigenen Überraschung sei bei Untersuchungen herausgekommen, dass die Wasserstände in den Gräben und im Boden kaum in Verbindung stehen. Außerdem sei die Verdunstung aus dem Boden die treibende Kraft bei der Austrocknung. Daher sei es schwierig, den Wasserstand zu regeln. In einigen Bereichen verliere das Binnermoor bis zu 2,5 Zentimeter Höhe im Jahr durch Zersetzung des Torfbodens unter Sauerstoffzufuhr.

Allerdings wolle man herausfinden, ob mit einem Aufstauen des Wassers die sommerliche Austrocknung des Bodens verzögert werden kann, sagte Fuhrmann. Eine Erkenntnis der Untersuchungen sei in jedem Fall: «Wichtig ist, dass der Wasserstand flexibel bleibt.»

Unter dem Eindruck der Lebensmittelkrise nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Entwässerung des Bodens für die Landwirtschaft richtig gewesen, heute sei sie allerdings für ein Fünftel der Treibhausgasemissionen in Schleswig-Holstein verantwortlich, stellte Albrecht fest. «Die Vernässung dieser Böden ist biologischer Klimaschutz.» Auch nasse Moorböden könnten weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Eine weitere Chance liege in der Verbesserung der Bedingungen für die Artenvielfalt.

Aus Sicht von Lennart Schmitt vom Bauernverband Schleswig-Holstein ist die Freiwilligkeit bei Veränderungen wichtig. «Wenn es ein Erfolg werden soll, müssen die Landwirte freiwillig mitmachen.» Gemeinwohlorientierung müsse honoriert werden.

Albrecht wies auch auf hohe Millionen-Investitionen zum Beispiel in Schöpfwerke hin, die in den kommenden Jahren bewältigt werden müssen. Bauwerke und Technik stammten überwiegend aus dem Zeitraum von 1950 bis 1970 und seien entweder zu ersetzen oder zu modernisieren.

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