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Schiffbau in der Krise: Verband will neue Weichenstellungen

Schiffbau in der Krise: Verband will neue Weichenstellungen

Schiffbau in der Krise: Verband will neue Weichenstellungen

dpa
Hamburg/Rostock
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Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik. Foto: picture alliance / dpa/Archivbild

Die Corona-Pandemie zeigt bestehende Systemfehler überdeutlich auf. Dieser Satz gilt auch für große Teile des Schiffbaus. Es ist Zeit für eine Neuorientierung, findet der Branchenverband.

Die durch die Corona-Pandemie verstärkte Krise im Schiffbau sollte nach Meinung des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik Anlass für neue grundsätzliche Weichenstellungen sein. «Die erfolgreiche Entwicklung im Kreuzfahrtbereich hat zum Teil verdeckt, wie viel Substanz wir im deutschen Schiffbau in den vergangenen Jahren verloren haben», sagte Verbandsgeschäftsführer Reinhard Lüken der Deutschen Presse-Agentur. Verantwortlich dafür seien unter anderem Wettbewerbsverzerrungen vor allem durch staatliche Subventionen im asiatischen Raum. «Dazu kommt, dass wir kaum etwas zur Stärkung der Binnennachfrage getan haben.»

Chancen für die Branche sieht Lüken unter anderem im Ausbau der Wasserstofftechnologie, um die Schifffahrt sauber zu machen und fossile Brennstoffe zu ersetzen.» Das maritime Deutschland verfüge über das Know-how für eine internationale Vorreiterrolle auf diesem Gebiet.

Die momentane Krise sei vom Einbruch des Kreuzfahrttourismus ausgelöst worden, sagte Lüken. Die Kreuzfahrtbranche habe 2020 mehr als 20 Milliarden Euro Verlust gemacht. Der Schiffbau sei davon direkt betroffen, denn der Markt für den Neubau der Ozeanriesen sei ein nahezu rein europäischer. «Auch wenn das Reisen wieder möglich wird, müssen die Reeder die riesigen Verluste erst wieder reinholen, bevor sie wieder neue Schiffe bestellen können.» Das werde Jahre dauern.

Die Problematik des Neubaus von Kreuzfahrtschiffen ist derzeit bei der MV-Werften-Gruppe in Mecklenburg-Vorpommern mit den Standorten Wismar, Rostock und Stralsund zu sehen. Dort droht ein drastischer Stellenabbau unter den rund 3100 Mitarbeitern, und die Zukunft der begonnenen Schiffsneubauten ist ungewiss.

Für den Schiffbau gibt es laut Lüken genug zu tun. Dazu zähle die Verjüngung der überalterten Flotte im Binnen- und Küstenverkehr. «Große Ausbaupotenziale gibt es im Bereich der Offshore-Windenergie.» Benötigt werde eine Wasserstoffinfrastruktur inklusive schiffsgebundener Logistik. Die Branche stelle sich darauf ein, dass künftig Offshore-Anlagen wieder abgebaut werden müssen. Von hoher Dringlichkeit sei auch die Beseitigung von Munitionsaltlasten auf dem Meeresboden, die sich immer schneller zu tickenden Zeitbombe entwickelten.

Seit Jahrzehnten sei es nicht gelungen, Schutzmechanismen gegen die Wettbewerbsverzerrungen aufzubauen. Statt die Binnennachfrage zu stärken, seien etwa Ende der 1990er Jahre Betriebsbeihilfen in Europa abgeschafft worden. «Wir haben einen gewaltigen Kapital- und Know-how-Transfer nach Asien organisiert und gleichzeitig enormen Substanzverlust zuhause hingenommen», kritisierte Lüken und erinnerte an die Vielzahl von Werften, die aufgegeben haben. «2021 muss das Jahr werden, in dem wir den Hebel umlegen, wenn wir langfristig weiter Schiffe bauen wollen.»

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