Architektur

Schweriner Dom Vorbild für Backsteingotik im Norden

Schweriner Dom Vorbild für Backsteingotik im Norden

Schweriner Dom Vorbild für Backsteingotik im Norden

dpa
Schwerin/Lübeck
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Die Grabnischen im Chorumgang gehören zum ältesten Teil des Schweriner Dom. Foto: Jens Büttner/dpa

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Ein gerade erschienenes Buch des Historikers Rudolf Conrades sieht den Schweriner Dom als erstes Beispiel der hochgotischen Architektur im Norden. Bisher wurde diese Ehre dem Dom beziehungsweise der Marienkirche in Lübeck zugeschrieben.

Die Backsteingotik mit ihren mächtigen Kirchen von Lübeck bis Stralsund ist einer der großen kulturellen Touristenmagnete im Norden. Doch auf welchem Weg kam dieser Baustil aus Frankreich an die deutsche Küste? Welcher Kirchenbau war der erste im Norden und Vorbild für all die anderen? Bisher wurde diese Ehre dem Dom beziehungsweise der Marienkirche in Lübeck zugeschrieben. Der Schweriner Historiker Rudolf Conrades sagt nun nach zehnjährigen Forschungen: Es war der Schweriner Dom.

In seinem soeben im Imhof-Verlag erschienenen Buch «Der Schweriner Dom und König Ludwig IX. von Frankreich» legt Conrades neue Quellen und Interpretationen vor. Zentral ist dabei für ihn eine Reise des Schweriner Bischofs Rudolf im Jahr 1262 nach Paris. Der Bischof gehörte zu einer Braunschweiger Delegation anlässlich einer fürstlichen Hochzeit in der französischen Hauptstadt.

In Paris traf er König Ludwig IX., der Jahre zuvor für eine enorme Summe die Dornenkrone Jesu als eine der wichtigsten Reliquien vom byzantinischen Kaiser gekauft hatte, berichtet Conrades. Extra für diese Reliquie ließ Ludwig die Sainte-Chapelle in Paris errichten - ein strahlendes Beispiel der Hochgotik.

Bischof Rudolf erhielt von König Ludwig einen Dorn aus dieser Dornenkrone geschenkt - eine überaus kostbare Gabe. Der Monarch verschenkte nördlich der Alpen nur drei solcher Dornen, schreibt der Historiker. Bischof Rudolf, so Conrades, plante nach dem Vorbild der neuesten architektonischen Mode, die er während seines zweimonatigen Paris-Aufenthaltes 1262 gesehen hatte, einen neuen Dom für Schwerin als würdige Behausung für die Dornen-Reliquie.

Einige Jahre vor 1272 begann Conrades zufolge der Dombau in Schwerin. Begonnen wurde demnach mit einem Kranz von Kapellen um den Jahrzehnte später vollendeten Chor des Doms. Der mit den Kapellen ganz speziell verbundene Chorumgang sollte ein wichtiges Merkmal der Backsteingotik-Basiliken im Norden werden.

Am Lübecker Dom, so der Autor, wurde zwar 1269/1270 mit einem Chorbau begonnen, aber in Form eines Hallenchores, der lange nicht über das erste Joch hinausgekommen sei. Die Marienkirche in Lübeck werde noch immer gern als «Mutter der Backsteingotik» bezeichnet, obwohl längst nachgewiesen sei, dass dort der Umgangschor erst ab 1277 begonnen wurde - deutlich später als in Schwerin.

Für die Referentin für Kunst- und Kulturgut im Landeskirchenamt der Nordkirche, Antje Heling-Grewolls, sind die Forschungsergebnisse von Conrades stimmig. Sie verweist zudem auf eine aktuelle Dissertation von Anna Hoffmann zur Baugeschichte des Schweriner Doms. Beide Bücher zusammen, erklärt Heling-Grewolls, lieferten die Daten und die Begründung dafür, dass der Schweriner Dom am Anfang der Gruppe der norddeutschen backsteingotischen Basiliken mit Umgangschor und Kapellenkranz stehe.

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