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Dieses Grab im Nørreskov könnte eine Sensation sein

Dieses Grab im Nørreskov könnte eine Sensation sein

Dieses Grab im Nørreskov könnte eine Sensation sein

Nørreskov
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Heidger Brandt auf dem alten Grab im Nørreskov Foto: Ilse Marie Jacobsen

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Ist es ein Hügelgrab oder ein Megalithgrab? Heidger Brandt aus Rendsburg wünscht sich, dass das Museum Sønderjylland ein altes Grab im Nørreskov auf Alsen näher untersucht. Die Denkmalschützer haben dies bislang abgelehnt.

Manchmal kann ein zufälliger Blick hinein in den Wald einen Stein ins Rollen bringen. Heidger Brandt aus Rendsburg fuhr vor einigen Wochen durch den Nørreskov an der Ostküste Alsens. Dabei fiel ihm ein ungewöhnlich steiler, mit grünem Moos bekleideter Hügel auf. Er vermutet, dass sich unter der Moosschicht der Deckstein eines Großsteingrabes befindet.

„Sollte sich meine Vermutung bestätigen, handelt es sich um eine echte Sensation: die Entdeckung eines bisher noch unbekannten Megalithgrabes, das seit etwa 5000 Jahren unberührt in seinem ursprünglichen Hügel liegt. Es wäre zudem die einzige Großsteinanlage im Nørreskov, die noch ungestört und unbeschädigt erhalten ist“, so der Gymnasiallehrer.

Heidger Brandt ist ein historisch-archäologisch versierter Fachmann, der unter anderem in seiner wissenschaftlichen Arbeit „Haithabu und die großen dänischen Ringburgen – Analysen und Antworten zu den offenen Fragen der dänischen und schleswig-holsteinischen Geschichte des 10. Jahrhunderts“ erarbeitet hat.

Gräber sind beschädigt

Alle anderen noch im Nørreskov erhaltenen Großsteingräber, Runddolmen und Langbetten der unterschiedlichsten Typen und Alter aus der Jungsteinzeit sind mehr oder weniger stark beschädigt. Meist fehlen die Decksteine, und oft wurden auch Tragsteine sowie die Randsteine entfernt, so Brandt. Jahrhundertelang wurden Zehntausende Grabanlagen, die auch bei der Feldbestellung störten, für den Kirchen-, Straßen- und Brückenbau, für Uferbefestigungen und für die Schwellen der Fachwerkwände ganz abgeräumt und in die passende Form geschlagen.

Dies passierte häufig vor Ort, sodass man aufgrund der Splitter die ursprüngliche Zahl und Größe vieler Anlagen ermitteln konnte. Bei etlichen der im Nørreskov erhaltenen Gräber finden sich bereits gespaltene, aber noch nicht abtransportierte Steine.

Heidger Brandt Foto: Ilse Marie Jacobsen

Daran knüpfen sich auch Sagen, wonach „Unterirdische“ oder die dort einst Begrabenen das Grab schützen. So führte der tödliche Unfall eines Bauern im Wald von Blommeskoppel dazu, dass der weitere Abtransport von Steinen eingestellt wurde. Der Landwirt wurde unter einer Fuhre bereits verladener Steine begraben, als sein Wagen umstürzte.

Moosschicht ist ein Indiz

„Dieser Raubbau betrifft auch die zwei bekanntesten Langbetten im Nørreskov nördlich der ’Brudgomsegene’, der Bräutigam-Eichen, die zwar in unterschiedlichster Weise beschädigt, aber wie durch ein Wunder doch noch weitgehend erhalten sind, einschließlich einer großen Anzahl teilweise sehr großer Randsteine“, so Heidger Brandt, der sofort seinen Fund in Augenschein nahm.

„Ich vermute, dass dort unten ein oder auch zwei große Decksteine liegen. Für mich ist die Moosschicht ein Indiz, dass sich Staunässe entwickelt hat“, meint er und legt seine Hand behutsam auf die grüne weiche Moosdecke. Staunässe entsteht, wenn das Wasser nicht richtig abfließen kann. So kommt es, dass keine anderen Pflanzen und nur Moos dort gedeihen kann.

Wenn es ein Megatlithgrab ist, könnte es mit dem Runddolmen „Baronens Høj“ am Kulturhof Nygaard verglichen werden. Dieser wurde von seinem ehemaligen Besitzer, Baron Julius Wedel Wedelsborg, königlicher Forstmeister von 1851 bis 1862, unter anderem durch die Umnutzung als Aussichtspavillon mit der Entfernung des Decksteins teilweise zerstört, aber vor einigen Jahrzehnten wieder weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand rekonstruiert.

Das Grab untersuchen lassen

Der Historiker schickte sofort eine E-Mail an das „Museum Sønderjylland“, verbunden mit der Frage, ob das Grab als noch in seinem Hügel erhaltenes Megalithgrab bekannt ist und näher untersucht werden könnte. Die erste Rückmeldung, dass es sich bei der bekannten, als zwei jüngere Grabhügel eingeschätzten Anlage durchaus um einen bisher noch unentdeckten Runddolmen, dänisch: „runddysse“, handeln kann, war ermutigend.

Heidger Brandt auf dem Grab im Nørreskov Foto: Ilse Marie Jacobsen

Eine archäologische Untersuchung, das heißt eine Grabung, um herauszufinden, ob sich tatsächlich ein größeres Megalith-Grab in dem Hügel befindet, hält Museumsinspektorin Tenna R. Kristensen aufgrund des sehr restriktiven dänischen Denkmalschutzgesetzes jedoch nicht für möglich. Es müssen besondere Umstände für eine solche Untersuchung eines unter Denkmalschutz stehenden Grabes vorliegen. „Und das ist im Augenblick offenbar nicht der Fall“, so Brandt.

Dolmen die einfachste Form

Ein Dolmen ist ein aus großen, unbehauenen oder behauenen Steinblöcken errichtetes Grab. Es besteht in seiner ursprünglichsten Form, dem „Urdolmen“, aus liegenden, teilweise recht langen Tragsteinen, die mit eingestellten kleineren Endsteinen die Kammer bilden. Diese wurde mit einem oder auch zwei Decksteinen von oben geschlossen. In der nächsten Entwicklungsstufe, dem „Rechteckdolmen“, wurden die Tragsteine aufrecht gestellt. In der einfachsten Form bilden drei Tragsteine und ein „Schwellenstein“ die Kammer, auf die ein Deckstein gelegt wurde. Die Zwischenräume wurden mit kleineren Steinen sorgfältig verschlossen und anschließend alles mit einem Hügel bedeckt. Insbesondere diese Bauform ist in einigen heute frei stehenden Exemplaren im Nørreskov erhalten.

Die Dolmen werden traditionell als die einfachste Form eines Megalithgrabes betrachtet. In Europa waren die meisten Dolmen ursprünglich mit Hügeln aus Steinen oder Erde bedeckt, so Wikipedia.

Sollte sich meine Vermutung bestätigen, handelt es sich um eine echte Sensation: die Entdeckung eines bisher noch unbekannten Megalithgrabes, das seit etwa 5000 Jahren unberührt in seinem ursprünglichen Hügel liegt. Es wäre zudem die einzige Großsteinanlage im Nørreskov, die noch ungestört und unbeschädigt erhalten ist.

Heidger Brandt, Gymnasiallehrer und Historiker

Sonar-Untersuchung eine Möglichkeit

Heidger Brandt hat seine Hoffnung aber noch nicht aufgegeben. „Ich hoffe, dass das Museum Sønderjylland angesichts der Bedeutung der mutmaßlichen Entdeckung trotz des sehr restriktiven dänischen Denkmalschutzgesetzes einen Weg findet, zumindest einen Minimaleingriff vorzunehmen, mit dem die vermutete Steinformation einer Rechteck- oder auch Polygonalkammer aus Tragsteinen mit einem großen oder auch zwei Decksteinen und einem Kranz kleinerer Randsteine bestätigt werden kann“, meint er.

Eine Alternative wäre eine Sonar-Untersuchung. So hat unter anderem eine Schweizer Firma auch für archäologische Untersuchungen einen kleinen Rollwagen mit einem Bodenradargerät entwickelt, das 2- und 3-D-Bilder von bis zu zehn Meter Tiefe produzieren kann. Dieser Hinweis wurde bereits wohlwollend aufgenommen und an die entsprechende Fachabteilung weitergeleitet.

Enges Verhältnis zu Dänemark

Brandt hat an der Muthesius-Kunsthochschule in Kiel Kunst und an den Universitäten Kiel und Kopenhagen Kunstgeschichte und Skandinavistik mit den Schwerpunkten Dänisch und Altnordisch für das gymnasiale Lehramt studiert. In Rendsburg unterrichtet er aufgrund des Lehrermangels im Fach Kunst seit Langem nur noch dieses Fach.

Der Hügel liegt einige Meter von der Straße entfernt im Wald. Foto: Ilse Marie Jacobsen

Zu Dänemark hatte er schon immer ein enges Verhältnis. In seiner Kindheit hat die Familie jeden Sommer bei Freunden in Osbek (Osbæk) bei Augustenburg (Augustenborg) verbracht. Bei den vielen Ausflügen über die Insel ging es oft auch in den Nørreskov. Dort haben ihn schon damals besonders die großen Hünengräber bei den Bräutigam-Eichen beeindruckt. Heute hat er ein kleines Segelboot am Alsfjord liegen und schreibt nach den Segeltouren je nach Wetterlage häufig beim Leuchtturm Tranerodde an einem Klapptisch an seinem neuen, diesmal politischen Buch.

Viele prähistorische Gräber

Und so fährt der Lehrer im Auto auf dem Rückweg immer mal wieder durch den Nørreskov.

Im Nørreskov sind noch rund 80 verschiedene prähistorische Gräber mehr oder weniger gut erhalten. Dies ist sicher den vielen Hügeln, Schluchten und feuchten Senken zu verdanken, vermutet Brandt, die ihn für die neuzeitliche landwirtschaftliche Ackernutzung ungeeignet machten.

Damit gehört der Nørreskov heute zu den Gebieten mit der größten Dichte erhaltener prähistorischer Grabanlagen überhaupt. Hinzu kommen Schalensteine und die mittelalterliche Burganlage „Helvedgaard Voldsted“ mit erhaltenem Burghügel und Burggraben sowie die in Fundamenten erhaltene Burgruine „Østerholm“ am westlichen Waldrand. Mutmaßlich waren auch deren große Granitquader überwiegend einmal Bestandteile von Megalithgräbern der unmittelbaren Umgebung. 

 
 

 

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