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Wie das „Mojn“ nach Nordschleswig kam – eine Spurensuche

Wie das „Mojn“ nach Nordschleswig kam – eine Spurensuche

Wie das „Mojn“ nach Nordschleswig kam – eine Spurensuche

Apenrade/Aabenraa
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Mojn hier – Moin da. Foto: Finja Fichte

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Mit dem Wort „Moin“ oder „mojn“ hat es etwas Besonderes auf sich. Es ist ein Gruß, der auf verschiedenen Sprachen einen wichtigen Teil der jeweiligen kulturellen Identität ausmacht. Aber woher stammt dieser Gruß eigentlich? Und haben das deutsche „Moin“ und das dänische „mojn“ einen gemeinsamen Ursprung?

Das Grußwort „Moin“ hat es weit gebracht: Aus dem Norddeutschen stammend, wundert es nicht, den Gruß auch in Mittel- und Süddeutschland sowie darüber hinaus zu hören, aber auch in Sønderjylland ist der Ausdruck zu Hause. Ein Gruß, auf den sich nicht nur verschiedene Regionen, sondern auch alle Generationen einigen können. Im Plattdeutschen und Sønderjysken ist „Moin“ beziehungsweise „mojn“ Teil der Sprachidentität, wobei sich die Aussprache nicht voneinander unterscheidet. 

„Moi’n Dag!“

Der Duden (2019) definiert „Moin“ als ein Grußwort, das seine Abstammung von dem ostfriesischen beziehungsweise mittelniederdeutschen Wort „moi“ hat. „Moi“ kann mit gut, angenehm oder schön übersetzt werden. „Moi’n Dag!“, heißt dementsprechend also „Schönen Tag!“ oder „Guten Tag!“. Und da an dem Vorurteil, Ostfriesinnen und Ostfriesen seien wortkarg, vielleicht doch etwas Wahres dran ist, wurde aus dem „allzu langen“ Gruß die Kurzform „Moin“.

Aber wurde aus diesem „Moin“ auch das dänische Pendant „mojn“? Oder haben diese beiden Wörter überhaupt nichts miteinander zu tun?

Kommt „mojn“ von „Moin“?

Im Jahr 2021 widmete sich „Fyens Stiftstidende“ in einem Artikel dem Phänomen „Moin-mojn“. Dort heißt es: „Mojn stammt von dem deutschen Wort Morgen ab. Dennoch wird das Wort den ganzen Tag über und nicht nur als Morgengruß verwendet. Im Berlinerischen oder Brandenburgischen wird Morgen zu morjen‘, was sich wiederum zu ‚mojn‘ entwickelt hat.“ („Mojn stammer fra det tyske ord Morgen, også selv om det bruges døgnet rundt og ikke kun som morgenhilsen. Morgen udtales i berlinsk og brandenburgsk dialekt morjen‘, som er blevet til ‚mojn‘.) 

Der Autor verweist hier auf den Artikel der Sprachforscherin Karen Margrethe Pedersen aus dem Jahr 1997, der außerdem besagt, dass davon ausgegangen wird, dass jener Gruß durch die Münder preußischer Soldaten, Handwerker und Dienstbotinnen und -boten sowie Händlerinnen und Händler den Weg nach Sønderjylland fand. Der Gruß wurde um 1900 herum, als Sønderjylland beziehungsweise Nordschleswig zu Preußen gehörte, von den jungen Däninnen und Dänen adaptiert.

Diese Aussage, in ihrer Bestimmtheit, erzählt aber nur einen Teil der Wahrheit. Genauer: eine mögliche Erklärung. Wie „mojn“ nach Sønderjylland kam, ist nicht klar zu bestimmen, aber es gibt eine Reihe weitere Theorien, die mitunter als wahrscheinlicher beurteilt werden, als die oben wiedergegebene.

Eine andere Annahme zur Herkunft ist, dass das dänische „mojn“ vom finnischen Gruß „moi“ – ausgesprochen wie „moj“ – abstammt. Wie im Sønderjysken dient dieser Gruß in Finnland sowohl der Begrüßung als auch dem Abschied. 

Aber wieso sollte sich ein finnischer Gruß gerade in Sønderjylland etablieren? In einer Zeit, in der das Deutschtum in diesem Landesteil bereits omnipräsent ist?

Vi vil ha’ det ‚forbøjn‘

Fakt ist: Das „Verdeutschen“ der dänischen Sprache – so hieß es in den Beschwerden jener Zeit – gefiel nicht jedem – die dänisch gesinnten Sønderjyden sahen diese Entwicklung gar nicht gern. „Vi vil gøre ‚møjn‘ til løgn. Vi vil ha’ det ‚forbøjn‘“ (in etwa: Wir möchten mojn zu einer Lüge machen und wollen, dass das Wort verboten wird), hieß es 1938 laut „Fyens Stiftstidende“ in einem Leserbrief in „avisen Hejmdal“. Auf „lustige“ Weise äußerte die Leserin oder der Leser somit ihren beziehungsweise seinen Unmut über diesen „Sittenverfall“.

Und dennoch – trotz aller Kritik – wurde „mojn“ so populär, dass es sich zu einem wichtigen sønderjysken Dialektwort entwickelte, das nicht mehr wegzudenken ist.

Auch Vermarktungszwecke, insbesondere in den 1970er-Jahren, halfen dem Gruß zu immer mehr Anerkennung als Teil der sønderjysken Kultur. Ein Beispiel aus dieser Zeit ist eine Tourismus-Kampagne mit dem Slogan „Mojn – vi ses i ‚Sønderborg‘.“

Abweichender Gebrauch

Und es gibt noch einen markanteren Unterschied als die Schreibweise: Im deutschen Sprachraum wird „Moin“ ausschließlich als Grußformel verwendet, das dänische „mojn“ hingegen ist im Westen Sønderjyllands hauptsächlich ein Abschiedsgruß – im Osten hingegen – wo die deutsche Minderheit stärker vertreten ist – sind beide Verwendungen üblich.

Dass „Moin“ so vielen Menschen „gehört“, ist wohl selbst in den Regionen, in denen „Moin“ beheimatet ist, nicht jedem bewusst. Nicht jede Ostfriesin oder jeder Ostfriese weiß von ihrer Gemeinsamkeit mit den Sønderjyden. 

Ob ebendiese Gemeinsamkeit auch aus denselben Wurzeln gesprossen ist, wird bei einem Kulturgut, das sich so fluide weiterentwickelt wie die Sprache, wohl niemals endgültig geklärt werden können. Nichtsdestotrotz ist es naheliegend, dass die Menschen in Sønderjylland beziehungsweise Nordschleswig sich keinen Gruß angeeignet und umfunktioniert haben, der wohl noch in der Zeit des Ankommens in der Region ausschließlich als Morgengruß „Morjen“ gedient haben wird. Das im norddeutschen Raum verbreitete „Moin“, das den ganzen Tag über gilt, scheint da doch der wahrscheinlichere Ursprung zu sein.

Anmerkung: Um zu verdeutlichen, dass es sich hierbei nicht um ein deutschsprachiges Phänomen handelt, wird Nordschleswig in diesem Artikel mit der dänischen Bezeichnung Sønderjylland ersetzt.

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Leserbeitrag

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