Nationalmannschaft
Kapitän Kimmich: «Große Ziele» - aber kein Politiker
Kapitän Kimmich: «Große Ziele» - aber kein Politiker
Kapitän Kimmich: «Große Ziele» - aber kein Politiker
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Seit September ist Joshua Kimmich Kapitän der Nationalmannschaft. Der Bayern-Profi kennt die Tücken des Amtes ganz genau. Und gibt vor, wie die gute Stimmung rund ums Team erhalten werden kann.
Als Kapitän der Nationalmannschaft auf das hell erleuchtete Pressepodium des Deutschen Fußball-Bundes zu treten, ist nicht immer die angenehmste Aufgabe. Ilkay Gündogan, Manuel Neuer oder auch Philipp Lahm waren in den vergangenen Jahren von Amts wegen zu Dingen weit abseits des Fußballs befragt worden. Oft waren die Antworten schwierig - oder keine richtigen möglich. Wie politisch ein Nationalspieler sein muss oder soll, kann der Kapitän vorleben, und Joshua Kimmich möchte das.
«Generell glaube ich schon, dass wir Spieler für gewisse Dinge und Werte einstehen sollten, gerade als Kapitän», sagte der Bayern-Profi vor den abschließenden Nations-League-Spielen am Samstag (20.45 Uhr/RTL) in Freiburg gegen Bosnien-Herzegowina und drei Tage später in Budapest gegen Ungarn (20.45 Uhr/ZDF). Mit der Erfahrung der auch in gesellschaftspolitischen Fragen desolaten WM 2022 in Katar betont er aber auch: Für die Weltpolitik, da gibt es deutlich besser geeignete Fachleute.
Der triste November 2023 als Warnung
Kimmich führt die seit einem Jahr stark veränderte DFB-Auswahl als Nachfolger von Gündogan seit September als Kapitän an. Aktuell berichtet der 29-Jährige von einem starken Zusammenhalt, einer guten Stimmung. Mit der Erfahrung von 95 Länderspielen weiß er aber auch genau, woran das in erster Linie liegt: «Natürlich steht und fällt der Teamspirit immer mit den Siegen. (...) Wenn man fünf, sechs Spiele in Folge verliert, wird es wieder schwieriger, dass jeder Lust aufeinander hat.»
Mit den Erfolgen der vergangenen Wochen - am Samstag in Freiburg kann der Gruppensieg perfekt gemacht werden - hat sich Kimmich mit der Mannschaft praktisch selbst einen guten Start in die staatstragende Rolle des Kapitäns ermöglicht. Noch vor einem Jahr, als die November-Partien gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) unter Bundestrainer Julian Nagelsmann dramatisch schiefgegangen waren, habe es sich wie «ein absoluter Tiefpunkt» angefühlt, berichtete Kimmich.
Zwölf Monate und eine gute, wenn auch nicht perfekte Heim-EM später geht es für die DFB-Auswahl wieder um einen Titel, darum, mit Fußball zu begeistern. «Natürlich» sei es das «große Ziel», das Finalturnier der Nationenliga im Sommer 2025 zu erreichen, sagte Kimmich, der dann seinen 100. Einsatz in einer Partie mit Titelbedeutung feiern könnte.
Erinnerungen an Katar
Wie schnell die Stimmung drehen kann, weiß der Kapitän aus eigener Erfahrung. Vor und während der Katar-WM war der Bayern-Profi zwar nicht der Spielführer, stand als Wortführer aber mit im Feuer, als der gesamte DFB in der Debatte über Menschenrechte und die (Regenbogen-)Farbe der Kapitänsbinde getrieben vom Weltverband FIFA kein gutes Bild abgegeben hatte.
«Wir haben da in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht», sagte Kimmich. Als Fußballprofi «möchte man schon für etwas stehen und auch die Möglichkeit nutzen, für Werte einzustehen, die auch nicht verhandelbar sind. (...) Aber ich bin politisch kein Experte.» In der aktuellen deutschen Ampel-Krise könne die Nationalmannschaft «Freude bereiten, gerade, wenn man das Gefühl hat, dass politisch nicht alles rund läuft». Nicht mehr, nicht weniger. Bei Gesprächen im Team zeige sich immer wieder, «dass wir schon Fußballer sind und keine Politiker».
Neue Hierarchie in der DFB-Auswahl
Innerhalb der Mannschaft, die am Dienstagabend ein harmonisches Abendessen erlebte, musste in den vergangenen Monaten nach dem EM-Aus im Sommer eine neue Hierarchie gefunden werden. Nicht nur, weil Gündogan seine DFB-Karriere beendete. Auch die Wortführer Manuel Neuer (38), Thomas Müller (35) und Toni Kroos (34) gingen, und mit ihnen das Selbstverständnis der Weltmeister-Generation, die 2014 in Brasilien den Titel gefeiert hatte.
Von den einst hochgelobten Nachfolgern des Jahrgangs 1995/96 sind nicht mehr viele übrig, die wirklich Verantwortung übernommen haben, eigentlich sind es nur noch Kimmich und mit einigen Abstrichen Serge Gnabry. Leroy Sané muss sich ständig neu beweisen. Julian Brandt bekam erstmals seit längerer Pause wieder eine Einladung, im Gegensatz zu Leon Goretzka und dem verletzten Niklas Süle.
«Es ist wichtig, dass ein Konstrukt entsteht, das auch wachsen kann», sagte Kimmich. Für keinen Profi sei von Nagelsmann «die Tür zugemacht» worden. Dass der Bundestrainer vorgegeben hatte, den Kader möglichst wenig zu verändern, habe aber geholfen. Genauso wie die Siege. «Für uns ist wichtig, die Spiele zu gewinnen und durch so wenig Täler wie möglich zu gehen», sagte Kimmich, das helfe auch bei der Identifikation der Fans mit dem Team. Und wahrscheinlich auch dabei, als Kapitän schwierige Fragen zu beantworten.