Schleswig-Holstein

„Absurd“: So viele Lehrkräfte in SH unterrichten nur befristet

„Absurd“: So viele Lehrkräfte in SH unterrichten nur befristet

So viele Lehrkräfte in SH unterrichten nur befristet

Frank Jung
Kopenhagen/Flensburg
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Die meisten befristeten Verträge gibt es an Grundschulen. Foto: Frank Hammerschmidt

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Befristete Verträge für Lehrkräfte erschweren Kontinuität im Unterricht und bedeuten für die Betroffenen Ungewissheit. Über das Ausmaß der Befristungen in Schleswig-Holstein hat der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Habersaat dem Bildungsminis...

Der Anteil der befristet beschäftigten Lehrkräfte in Schleswig-Holstein überschreitet deutlich die Zehn-Prozent-Marke: 3648 Personen und damit 14 Prozent aller Angehörigen des Berufs haben kein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis. Diese Zahl nennt das Bildungsministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Schulexperten der SPD-Landtagsfraktion, Martin Habersaat.

Der beobachtet zunehmend „eine absurde Situation“ an vielen Schulen: „Befristet Beschäftigte fangen jetzt an, sich unbefristet in den Schuldienst einzuklagen. Um solche Klagen nach Kettenverträgen aber zu verhindern, werden Vertretungslehrkräfte nach einigen Verträgen an die Luft gesetzt und durch andere Kräfte ersetzt. Dann müssen Menschen gehen, die schon einige Jahre Praxiserfahrung haben und ins Kollegium integriert sind. An ihre Stelle kommen andere, ebenfalls ohne abgeschlossene Ausbildung, und die Einarbeitung beginnt von vorn.“

Habersaats Vorwurf an die schwarz-grüne Landesregierung lautet: „Wie wir damit mittel- und langfristig umgehen, ist politisch unbeantwortet. CDU und Grüne müssen das Thema endlich offen ansprechen und mit den Schulen und Gewerkschaften diskutieren, wie es weitergehen soll.“

So verteilen sich die Befristungen auf die Schularten

1429 der befristet Tätigen lehren an Grundschulen, 1193 an Gemeinschaftsschulen, 569 an Gymnasien und 457 an Förderzentren. Obwohl Kiel und Lübeck annähernd gleich groß sind, sind für Grundschulen in der Landeshauptstadt mehr als doppelt so viele Befristungen verzeichnet; bei den Gymnasien fällt die Zahl im Vergleich mehr als dreimal so hoch aus.

Eine Antwort auf die Frage, um wie viele Male Verträge der 3648 befristet Beschäftigten schon verlängert worden sind, ist laut Bildungsministerium innerhalb der Frist bei einer Kleinen Anfrage nicht leistbar.

Durch Software-Umstellung Blindflug seit April

Blindflug auch bei der Frage, wie viele der befristet angestellten Lehrkräfte eine abgeschlossene Ausbildung haben: „Aufgrund der Umstellung der Software in der Lehrkräftepersonalverwaltung“ lässt sich die Zahl nach den Worten des Bildungs-Ressorts derzeit nicht ermitteln: „Im Zuge dieser Umstellung müssen tausende Datensätze aus der Abrechnung und Verwaltung konsolidiert und qualitätsgesichert werden.“ Begonnen hat man damit bereits im April.

Kritik von Experten

Dass das Land dem Lehrermangel zunehmed mit dem Einsatz noch nicht fertig ausgebildeter und dann oft befristeter Personen begegnet, ist Experten ein Dorn im Auge. „Da hat sich etwas verselbstständigt, was wir so nicht mehr tolerieren können“, hatte die Vorsitzende der Allianz für Lehrkräftebildung in Schleswig-Holstein, Prof. Ilka Parchmann vom Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) im Dezember gemahnt. Die Betroffenen hätten meist so weitgehende Aufgaben wir reguläre Kollegen und fühlten sich oft überfordert.

So begründet das Ministerium Befristungen

Das Bildungsministerium ist der Auffassung, dass „der Abschluss mehrerer befristeter Verträge hintereinander bzw. die Verlängerung von befristeten Verträgen bei Vorliegen eines Sachgrundes grundsätzlich zulässig ist“. Es beruft sich vor allem auf Vertretungen wegen Mutterschutz, Elternzeit oder Krankheit. „Vertretungsverträge stellen damit ein Instrument zur Sicherung der Unterrichtsversorgung dar.“

Wenn Lehrkräfte nach mehreren Befristungen auf eine Festanstellung klagen, kommt es vor Gericht meistens zu einem Vergleich. Haben Betroffene ihre Lehramtsausbildung noch nicht komplett beendet, wird ihnen im Vergleich oft das ihnen eigentlich noch bevorstehende Referendariat erlassen und das Recht erteilt, sich unmittelbar auf eine Planstelle zu bewerben.

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