Geschichte

Ein Archäologe auf Schatzsuche an den Küsten von SH

Ein Archäologe auf Schatzsuche an den Küsten von SH

Ein Archäologe auf Schatzsuche an den Küsten von SH

Marc Nasner/shz.de
Schleswig-Holstein
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Schiffsarchäologe Dr. Daniel Zwick untersucht die Wracks von historischen Schiffen. Foto: Staudt/SHZ

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Unentdeckte Schätze liegen an Schleswig-Holsteins Küsten auf dem Meeresgrund. Schätze von historisch großer Bedeutung. Daniel Zwick sucht nach Schiffen, die zum Teil vor hunderten Jahren untergegangen sind.

Wenn Dr. Daniel Zwick im Außeneinsatz ist, hat er meist Wathose, Vermessungsgerät und Kettensäge im Gepäck. In aller Frühe muss er sein Boot besteigen, um Fundplätze zu erreichen. Im Morgengrauen geht es dann von Inseln oder Halligen auf Sandbänke oder ins seichte Wasser. Das Ziel sind Schiffswracks. Zwick ist einer der ganz wenigen Schiffsarchäologen in Norddeutschland. Sein Job: Schiffswracks aufspüren und untersuchen.

An der Hörnum Odde auf Sylt wurde 2016 300 Jahre alte Schiff freigespült

In der Nordsee sind das meist Zufallsfunde. „Im Wattenmeer werden die Teile irgendwann durch Küstenerosion freigelegt“, beschreibt Daniel Zwick das Auffinden. Das bedeutet, dass durch die Strömung oder Stürme die Überreste freigespült werden. Bestes Beispiel: An der „Hörnum Odde“ an der Südspitze Sylts wurde im Spätsommer 2016 plötzlich ein Schiff freigelegt. Es hatte dort 300 Jahre im Meer gelegen.

Aufmerksame Spaziergänger oder auch die Naturpark-Ranger melden solche Funde dann dem Archäologischen Landesamt in Schleswig. „Die Menschen an den Küsten sind auch unsere Augen“, sagt Zwick. Dabei würden viele Bürger gar nicht wissen, dass es eine Pflicht gibt, archäologische Funde zu melden.

Im Falle des Wracks „Süderoogsand“, benannt nach der Sandbank der gleichnamigen Hallig, mussten die Forscher nicht lange suchen. „Das Wrack war schon lange bekannt, da eine Holzplanke aus dem Sand ragte“, berichtet Zwick. Schließlich wurde das komplette Schiff durch einen Sturm freigelegt.

Minutiöse Planung sei dennoch notwendig, um geringen Wellengang, gutes Wetter und eine günstige Tide zu erwischen. Stimmen alle Faktoren, können die Forscher im Boot über Priele und schließlich zu Fuß bis zum Wrack vordringen. Vor Ort bleiben dann nur zwei bis drei Stunden, unter ungünstigen Bedingungen auch nur Minuten, um das Schiff zu erforschen.

Archäologen können Erbauungszeit der Schiffswracks genau bestimmen

„Wir messen die Koordinaten der Fundstellen und dokumentieren die Merkmale des Schiffes“, berichtet der 43-Jährige. Um sich ein genaues Bild von dem einstigen Schiff zu machen, wird das Wrack zunächst genau vermessen. Anhand dieser Daten können Grafiker anschließend einen digitalen 3D-Schnitt des Schiffs für das Archiv erstellen.

Schließlich entnehmen die Wissenschaftler noch Holzproben von verschiedenen Bauteilen, die genaue Informationen über Herkunft und Funktion des Schiffes liefern können. So lässt die sogenannte dendrochronologische Analyse Rückschlüsse auf das Alter zu. Daraus ergibt sich die Epoche, in der das Schiff gebaut wurde. Zwar könne zwischen dem Schlagen eines Baums und dem Bau des Schiffes noch Zeit vergangen sein, das ungefähre Jahrzehnt ließe sich dennoch ermitteln, sagt Zwick.

Auch über einstige Handelsrouten geben die Schiffswracks Aufschluss

„Allerdings geben solche Funde nicht nur Aufschluss über das Schiff selbst“, betont Zwick. Da an den Planken zum Beispiel anderes Holz verwendet wird als am Spand, bestimmen die Wissenschaftler auch die Herkunft jenes Holzes. „Dadurch erhalten wir neue Erkenntnisse über Handelswege in der Vergangenheit“, sagt Zwick. Als „mobile Objekte“ seien Schiffe prädestiniert, Elemente unterschiedlichster Kulturkreise zu verbinden.

Um Schiffsfunde historisch einordnen zu können, müssen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammenarbeiten. Neben dem Schiffsarchäologen Zwick sitzen dann noch die irische Dendrochronologin Aoife Daly und der Lehrstuhl des regionalgeschichtlichen Instituts der Uni Kiel mit im Boot.

Die eigentliche Arbeit beginnt für Daniel Zwick und seine Kollegen allerdings erst im Nachgang. Dann dokumentieren sie die Erkenntnisse. Auch werden Fundprotokolle für das Archiv erstellt. Mit ihrer Hilfe können weitere Forscher auf die Entdeckungen zurückgreifen. „Ganz so wie bei Indiana Jones ist unsere Arbeit dann doch nicht“, relativiert Zwick allerdings.

Im Fehmarnbelt bezahlt die Deutsche Bahn die Wrach-Suche

Ganz anders als im nordfriesischen Wattenmeer gestaltet sich für Schiffsarchäologen die Arbeit auf der anderen Seite Schleswig-Holsteins. Denn dort gibt es weder Ebbe noch Flut. Wracks werden nicht nebenbei freigespült. Denn das Wasser verschwindet nicht.

Allerdings bietet der Bau des Fehmarnbelt-Tunnels Wissenschaftlern die Möglichkeit, sich mit historischen Überresten auf dem Meeresgrund zu befassen. „Bevor solch große Bauvorhaben starten, wird auf dem Meeresboden nach Kulturgütern gesucht“, erklärt Zwick. Für die Kosten müsse dann der Vorhabenträger, im Falle der Beltquerung die Deutsche Bahn, aufkommen.

„Hier haben wir die Chance, wirklich zu agieren. Im Wattenmeer können wir nur auf Funde reagieren, da das Geld für eine aktive Suche fehlt“, sagt der Schiffsarchäologe.

Wrack der Linddormen wurde wieder verschüttet

Und noch eine weitere Besonderheit birgt die Arbeit in der Ostsee: 2006 entdeckten Forscher im Bereich der Belttunnel-Trasse das Wrack der „Lindormen“. Das dänische Kriegsschiff war 1644 bei Gefechten zwischen Dänen und Schweden in der Schlussphase des Dreißigjährigen Krieges gesunken. Von Sedimenten versiegelt, war es über Jahrhunderte unsichtbar. „Um Wracks zu finden, verwenden die Forscher unterschiedliche Techniken“, berichtet Zwick. Neben elektromagnetischen und geophysischen Untersuchungen des Meeresgrundes würden auch Satellitenbilder ausgewertet.

Im Falle der „Lindormen“ konnten die Forscher nach dem Fund dann relativ schnell Erkenntnisse aus dem Wrack gewinnen. So ist das Kriegsschiff vermutlich durch einen Brand untergegangen. Das Holz des Schiffes lässt diese Schlüsse auch noch nach Jahrhunderten unter Wasser zu. Zudem verformten sich die Kanonen aus Bronze unter der starken Hitze.

Das Besondere: Nachdem die Forschungsarbeiten am Wrack abgeschlossen waren, wurde es wieder unter Sandmassen begraben. „Dies ist notwendig, um das Schiff vor äußeren Einflüssen zu bewahren“, erklärt Zwick.

Forscher versiegeln Wrack

In der Ostsee nagt „Teredo Navalis“, der Schiffsbohrwurm, langsam, aber beständig an den hölzernen Überresten von Schiffen. Eine Sandschicht hält das winzige Tierchen davon ab. „Aber auch vor Beschädigungen durch Ankerwürfe können die Sedimente schützen“, sagt Zwick. Zudem können Sporttaucher sich so keine Souvenirs mit an Land nehmen. „Das wäre natürlich aus wissenschaftlicher Sicht sehr ärgerlich“, bemerkt der Schiffsarchäologe, der Taucher aber auch nicht unter Generalverdacht stellen möchte.

Schleswig-Holstein bietet den Wracksuchern noch unerforschtes Terrain. „Die Schleiregion ist regelrecht ein Archiv“, meint Zwick. Der rege Handel in der Wikingerzeit lebte vor allem durch die vielen Schiffe, die die Schlei entlang nach Haithabu fuhren. Bisher seien aber nur drei Prozent des Haithabuer Hafens erforscht. Für die restlichen 97 Prozent würde Zwick dann gerne wieder mit Kettensäge und Vermessungsgerät losziehen.

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