Affäre um ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger

Die ARD und ihr Problem mit dem Schmuddelkind RBB

Die ARD und ihr Problem mit dem Schmuddelkind RBB

Die ARD und ihr Problem mit dem Schmuddelkind RBB

Martin Schulte/shz.de
Deutschland
Zuletzt aktualisiert um:
RBB-Affäre: Patricia Schlesinger Foto: Paul Zinken/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Warum die Öffentlich-Rechtlichen endlich konsequent reformiert werden müssen

In der Mediathek der ARD ist Patricia Schlesinger noch an prominenter Stelle vertreten. Die ehemalige RBB-Intendantin blickt die Zuschauer direkt an, man könnte sie für die Moderatorin der Sendung halten, die dort angekündigt wird: „Was nun, ARD? Der Fall Schlesinger und die Folgen“. Aber Schlesinger selbst ist das Thema dieses Sonderausgabe des Medienmagazins „Zapp“.

Der Skandal um die ehemalige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) ist längst zu einem geworden, der die gesamte ARD in eine große Krise gestürzt hat. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Detail öffentlich oder eine weitere personelle Konsequenz verkündet wird. Am Wochenende nun rückte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow im Namen aller Anstalten demonstrativ von der gesamten RBB-Führung ab: „Wir, die Intendantinnen und Intendanten der ARD, haben kein Vertrauen mehr, dass der geschäftsführenden Leitung des Senders die Aufarbeitung der diversen Vorfälle zügig genug gelingt.“

Warum sollte, was im RBB scheiterte, bei anderen Anstalten funktionieren?

Eine Bankrotterklärung für den RBB, aber auch ein Alarmzeichen für die öffentlich-rechtliche Sendergruppe, denn zwei Dinge sind aus dieser beispiellosen Distanzierung der ARD-Anstalten vom vorher geschätzten Mitglied abzulesen: Zum einen, dass die Kontrollmechanismen innerhalb des RBB, in dem merkwürdige Beraterverträge, geheime Boni und üppige Geschäftsessen im privaten Kontext gar nicht oder viel zu spät aufgefallen sind, komplett versagt haben. Hier schließt sich ganz automatisch die Frage an, warum diese Kontrolle in den anderen Anstalten besser funktionieren sollte?

Zum anderen fällt auf, dass die ARD-Familie sehr schnell eine maximal große Distanz zum neuen Schmuddelkind RBB schaffen will. Als wäre man nur Beobachter, aber nicht Teil des Problems.

Alle gutgemeinten und offensiv verkündeten Bemühungen um Transparenz gehen allerdings ins Leere, wenn die ARD sich jetzt nicht grundsätzlich die Frage stellt, warum im gesamten Senderverbund kaum eine Anstalt weiß, was die andere macht; und warum einzelne Personen so viel Macht entwickeln können, dass sie eigene Königreiche im großen System bilden können.

Erinnerungen an den Fall Heinze

Im Fall Schlesinger werden natürlich auch Erinnerungen an den Heinze-Skandal wach: Die ehemalige NDR-Fernsehspielchefin hatte unter anderem eigene Drehbücher, die sie unter Pseudonym schrieb, an ihren Sender verkauft. Gerüchte über diese besondere Form der Ich-AG waren schon lange vor Bekanntwerden des Skandals über die Flure und im Umfeld des Senders gewabert, aber niemand traute sich an Doris Heinze heran. Sie hatte so viel Macht im Haus, dass es sich niemand mit ihr verscherzen wollte. Auch hier hatten die Kontrollmechanismen im Sender versagt.

Was folgt für die ARD aus diesen Affären?

Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen schon länger unter Druck – aus der Gesellschaft und der Politik. Wer jetzt eine Abschaffung dieses gebührenfinanzierten Systems fordert, der zielt allerdings weit an der Problemlage vorbei.

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind heute wichtiger als je zuvor, denn die Vereinfacher und Verdummer gerade von den politischen Rändern, die vornehmlich in den sozialen Medien ihr Gift und ihre Lügen verbreiten, brauchen mediale Gegenpole. Darüber hinaus gibt es einige Rechercheformate in der ARD, die mit investigativer Beharrlichkeit und großem Erfolg den Mächtigen dieser Republik auf die Finger schauen. Umso tragischer, wenn ausgerechnet im eigenen Haus ähnliche Geschäftsgebaren aufgedeckt werden. Da liegt der Reflex nahe, alles in diesem komplizierten Senderverbund über einen Kamm zu scheren.

Endlich Profil und Struktur statt noch mehr Gebühren

Nein, die Öffentlich-Rechtlichen müssen endlich konsequent reformiert werden. Sie müssen mit deutlich weniger Geld auskommen, indem sie ihr Profil und ihre Struktur schärfen. Der immer neue Ruf nach noch mehr Gebühren hat zu einem Mangel an Veränderungsbereitschaft geführt, der sich kaum noch verbergen lässt. Welcher Zuschauer schafft es heute, unfallfrei alle Anstalten der Länder samt Intendanten aufzuzählen?

Jedes Haus hat seine eigene Verwaltung, mit zahlreichen viel zu hoch dotierten Chefposten. Es muss also endlich zu Fusionen kommen, es muss klar definiert werden, welches Programm zur Grundversorgung gehört. Und endlich, endlich sollte das ewige Schielen auf die Quote ein Ende haben. Das Privileg von gebührenfinanzierten Sendern ist doch gerade, dass man sich der der ewigen Quotenmeierei entziehen kann. Wenig Quote heißt im Umkehrschluss ja nicht, dass die Sendung schlecht war.

Wer mit Mitarbeitern in den Häusern spricht, erfährt schnell: Die Probleme sind alle bekannt, aber der Wille zu Veränderungen fehlt. Und wer kritisiert, wird oft genug kaltgestellt, da funktionieren die unterschiedlichen Machtzirkel innerhalb der Sender erstaunlich gut.

Dabei hat die ARD mit dem Fall Schlesinger eine große Chance, die Veränderungen anzustoßen. Allerdings nicht, indem die Senderspitze sich öffentlichkeitswirksam vom RBB distanziert, sondern indem sie genau hinschaut – und die richtigen Lehren zieht. Die Mitarbeiter des RBB hätten sie auf ihrer Seite.

In dem Beitrag, der so prominent in der ARD-Mediathek beworben wird, demonstrieren RBB-Angestellte vor der Senderzentrale. Ihre Botschaft: „Bloß nicht weiter so.“

Mehr lesen