Schöffengericht in Niebüll

Diebstahl und Tritt ins Gesicht eines Kindes: 30-Jähriger aus Südtondern vor Gericht

Diebstahl und Tritt ins Gesicht eines Kindes: 30-Jähriger aus Südtondern vor Gericht

Diebstahl und Tritt ins Gesicht eines Kindes: 30-Jähriger aus Südtondern vor Gericht

SHZ
Niebüll
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Vor dem Amtsgericht Niebüll wurde gegen einen 30-Jährigen aus Südtondern verhandelt. Foto: DPA Foto: 90037

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Als er wegen einer anderen Tat unter Bewährung stand, wurde der Mann erneut straffällig. An zwei Tagen wurden die Vorwürfe gegen ihn nun verhandelt.

Die Anklage gegen einen 30-Jährigen aus einer Gemeinde in Südtondern wog so schwer, dass sich ein Schöffengericht in Niebüll mit dem Fall beschäftigte. Ursprünglich waren von dem Gericht für den Strafprozess drei Verhandlungstage eingeplant worden.

Doch der Auftakt hatte in der vergangenen Woche verschoben werden müssen, nachdem der Angeklagte aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Verhandlung erschienen war. So blieben die beiden in dieser Woche vorgesehenen Termine übrig.

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Gleich mehrere Straftaten hatte die Staatsanwaltschaft Flensburg dem Mann vorgeworfen; ein Teil davon wurde von der Anklagebehörde nach Erkenntnissen in der Beweisaufnahme jedoch fallen gelassen.

Schwerwiegende Tatvorwürfe

Die beiden schwerwiegendsten Tatvorwürfe waren laut der Anklage ein räuberischer Diebstahl mit Körperverletzung in einem Lecker Einkaufsmarkt im Sommer 2020 sowie ein Tritt in das Gesicht eines Kindes aus dem familiären Umfeld des Mannes, was die Staatsanwaltschaft als gefährliche Körperverletzung angesehen hatte.

Bei dem dritten Tatvorwurf schließlich handelte es sich um eine Beleidigung mit versuchter gefährlicher Körperverletzung; dabei soll der Angeklagte bei einer Auseinandersetzung mit einem Baseballschläger auf einen anderen Mann losgegangen sein; zu Schlägen damit kam es aber letztendlich nicht, weil Letzterer sich erfolgreich wehrte und seinerseits den Angeklagten außer Gefecht setzte.

Drogenkarriere

In dem Fall des 30-Jährigen spielen Drogen eine gewisse Rolle. Der Angeklagte gab an, seit seinem 19. Lebensjahr Betäubungsmittel konsumiert zu haben; die Ursache dafür führte er auf einen harten persönlichen Schicksalsschlag damals zurück. In den Aufzählungen über seinen Rauschgiftkonsum fehlte praktisch nichts, was an harten und weichen Drogen gemeinhin bekannt ist.

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Ein Polizeibeamter, der als Zeuge geladen war, beschrieb den 30-Jährigen, der schon mehrfach straffällig geworden ist und der dem Vernehmen nach häufiger „Besuch“ von den Ordnungshütern erhält, als jemanden, der schnell aufbrausend werde und sich nicht unter Kontrolle habe. „Er hat sich allen Kredit bei den Kollegen verspielt“, sagte der Polizist.

Vorwürfe abgemildert

Aus dem räuberischen wurde im Verlauf des Prozesses ein einfacher Diebstahl. Unter anderem deshalb, weil eine Verkäuferin, die von dem Angeklagten beim Verlassen des Geschäfts gestoßen worden sein soll, bei ihrer Aussage den Schlag gegen ihren Oberkörper als nicht so dramatisch und eher als Reflexbewegung des mutmaßlichen Ladendiebs einstufte, der eine Überprüfung seines Rucksacks verweigerte.

Beute von geringem Wert

Davon, dass der Mann etwas gestohlen hatte, war das Schöffengericht letztlich aber überzeugt. Tatsächlich ging es um Waren im Wert von gerade einmal 16 Euro.

Auch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung gegen das Kind wurde abgemildert; Der damals achtjährige Familienangehörige war offenbar aus Angst vor dem aufgebrachten Erwachsenen unter ein Bett geflüchtet. Dort trat ihn der Angeklagte ins Gesicht; nicht mit Schuhen, sondern mit Latschen, wie es vor Gericht hieß. Weil keine äußerliche Wunde entstanden war, blieb am Ende eine versuchte Körperverletzung übrig.

Selbsteinschätzung

Der Angeklagte versuchte das Gericht davon zu überzeugen, dass er sich ändern wolle. Bereits seit zwei Jahren sei er clean mit synthetischen Drogen, seit zehn Tagen lasse er auch von Cannabis und Alkohol die Finger. „Ich bin auf einem guten Weg“, bescheinigte sich der 30-Jährige selbst und sprach auch von einer möglichen Langzeittherapie. Er bemühe sich um Arbeit, wolle seine Familie nicht verlieren. Doch Letzteres drohe, wenn er sich nicht ändere.

Bewährungshelfer spricht Klartext

Der Bewährungshelfer des Mannes – eine Verurteilung wegen einer anderen Straftat war Ende Februar 2020 erfolgt – stellte seinem Klienten kein gutes Zeugnis aus. Zu den meisten vereinbarten Gesprächsterminen sei der Angeklagte nicht erschienen, von 200 Arbeitsstunden, die ihm das Amtsgericht Niebüll vor knapp zwei Jahren aufgebrummt hatte, sei noch keine einzige abgeleistet. „Eine Zusammenarbeit fand nicht statt“, so der Bewährungshelfer, der keine positive Sozialprognose stellen wollte.

Psychiatrisches Gutachten

Der psychiatrische Sachverständige attestierte dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung. Die Drogen sind dagegen mit Blick auf die Straftaten nach seiner Ansicht nicht das Problem. „Dem Drogenkonsum wird eine Bedeutung beigemessen, die er nicht hat“, sagte der Mediziner. „Vom Kiffen begeht man keine Straftaten“, so der Psychiater.

Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer eine Haftstrafe von sieben Monaten, ohne Bewährung. Der Strafverteidiger versuchte dagegen, das Gericht davon zu überzeugen, dass es auch ohne offensichtliche günstige Sozialprognose Bewährung geben könne. „Ab in den Knast ist immer auch ein Aufgeben“, sagte der Rechtsanwalt. Das Gericht habe die Möglichkeit, mit dem Urteil Weisungen zu erteilen, die eine günstige Sozialprognose erst schüfen.

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Das Gericht bestätigte schließlich das beantragte Strafmaß der Anklage – setzte die Haftstrafe allerdings zur Bewährung aus. In der Urteilsbegründung sagte die Vorsitzende Richterin Eva-Maria Krupp, von einem räuberischen Diebstahl sei das Gericht nicht überzeugt; und bei dem Tritt gegen den Jungen habe dieser keine sichtbaren Verletzungen erlitten.

Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Der Angeklagte muss eine ambulante Drogentherapie machen. „Das ist Ihre letzte Chance. Es wird Zeit, Verantwortung zu übernehmen“, sagte die Vorsitzende.

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