Kunst

„Er hatte ein schönes Leben“

„Er hatte ein schönes Leben“

„Er hatte ein schönes Leben“

Martin Schulte/shz.de
Flensburg
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Nikolaus Störtenbecker bei der Arbeit: Der Realist ist im Alter von 82 Jahren verstorben. Foto: Nikolaus Störtenbecker/shz.de

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Der Maler und Gründer der Norddeutschen Realisten, Nikolaus Störtenbecker, ist mit 82 Jahren gestorben.

Es fing mit Blumen an. Die hatte Nikolaus Störtenbecker in den 1960er-Jahren für seine Mutter gekauft, aber zum Verschenken, so fand er, waren sie eigentlich viel zu schade. Er wollte die blühende Pracht malen. Wenn man so will, war das der realistische Erweckungsmoment, der seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollte, als Mensch und als Maler.

Denn für den damaligen Kunststudenten war die Abkehr von der abstrakten Kunst, die damals das Maß aller Dinge war, nicht nur eine Bauchentscheidung, sondern auch eine sehr rationale. Er wollte malen, was ist, auch wenn es vermeintlich aus der Mode war. „Ich wollte das echte Gesicht der Welt zeigen“, hat er mal gesagt. Und das tat Nikolaus Störtenbecker, der in Munkbrarup bei Flensburg lebte und am Dienstag im Alter von 82 Jahren verstorben ist, von diesem Moment an. Mit großer Konsequenz und mit großem Erfolg.

Kritischer Blick auf menschliche Einflüsse

An der Hochschule für bildende Künste in Hamburg traf er mit Dieter Asmus, Peter Nagel und Dietmar Ullrich Gleichgesinnte, sie gründeten zusammen die Gruppe Zebra und machten sich um den sogenannten Neuen Realismus verdient. Die Gruppe hatte mit ihrer außergewöhnlichen und gesellschaftskritischen Bildsprache Erfolg, auch monetär. Für Störtenbecker ein besonderer Punkt in seiner Biografie. „In der Zeit bekam ich das Gefühl, von der Kunst leben zu können“, hat er mal verraten. Nach einem kurzen Ausflug in den Schuldienst, wo er als Kunsterzieher tätig war, entschied er sich 1977, als freier Maler zu arbeiten.

Große Ausstellung auf dem Flensburger Museumsberg

Und konsequent, wie er immer war, stieg er auch bei der Zebra-Gruppe aus, um sich allein mit der Staffelei in die Natur zu begeben, dorthin also, wo sich das echte Gesicht der Welt zeigte. Dass er dabei nicht nur die schönen Seiten der Landschaft abbildete, fand er selbstverständlich. Wie zivilisationskritisch seine realistischen Bilder waren, konnten die Besucher nicht zuletzt vor zwei Jahren auf dem Flensburger Museumsberg erfahren, dort wurde zu seinem 80. Geburtstag die Ausstellung mit dem schönen Titel „Unsere letzte Welt“ gezeigt. Ein Titel, der heute noch aktueller scheint als damals, der aber vor allem Störtenbeckers Anspruch an seine Arbeit beschrieb: „Manchmal sehe ich da draußen Dinge, die mir große Schwierigkeiten bereiten.“ Diese Dinge fand er dort, wo Natur und Mensch aufeinandertrafen und die sogenannte Zivilisation sich in die Landschaft eingeschrieben hatte. So kritisch er das Wirken des Menschen auch sah, es löste bei ihm oft genug den kreativen Prozess aus: „Aus diesen Schwierigkeiten entstehen oft gute Bilder.“

Dass er damals, im Jahr 2020, auch noch ein großes Geburtstagsfest auf dem Museumsberg feierte, war ihm ebenso eine Freude wie die Anwesenheit vieler künstlerischer Mitstreiter der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Denn als Gründer, Motor und Vermarkter der Norddeutschen Realisten hatte er ab Ende 1989 sein Lebensprojekt gefunden. Die Gruppe, in der großartige Maler gemeinsam durch die Landschaft zogen, um sich den gleichen oder ähnlichen Motiven zu widmen, wurde zu einer echten Marke, die vor allem im Norden Deutschlands, aber auch darüber hinaus nicht nur viele Anhänger fand, sondern mit der sich auch gute Geschäfte machen ließen.

Das Erfolgsmodell der Norddeutschen Realisten

So sah man den Realisten Störtenbecker auf Feldern stehen, auf Gebäuden oder auf wackeligen Schiffen, wo der Kampf mit der Staffelei mitunter anstrengender war als die Suche nach dem richtigen Motiv. Von dieser Gruppe profitierten alle, aber nicht alle blieben dabei, denn – auch das gehört zu diesem Leben – nicht jeder mochte sich auf Dauer den Ideen des beharrlichen Gruppenkopfes Störtenbecker unterordnen. Voller Respekt und Freundschaft haben sie aber alle bis zuletzt über ihn gesprochen.

Schwere Krebserkrankung am Lebensende

Am Dienstagvormittag ist Nikolaus Störtenbecker eingeschlafen, nach einigen Monaten schwerer Krankheit und einigem Leiden. „Die Krebs-Diagnose war ein Schock, weil er sein Leben lang eigentlich immer gesund war“, hat seine Frau Inga gestern am Telefon erzählt. Und fügt hinzu, was sie viel wichtiger findet: „Er hatte ein schönes Leben.“ Ein Satz, dem der Realist Nikolaus Störtenbecker, der immer seinen Weg gegangen ist, bestimmt zugestimmt hätte.

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