Mediziner aus Flensburg

Erste Hilfsgüter in der Ukraine abgeliefert – Engpass bei Notfall-Ausrüstung

Erste Hilfsgüter in der Ukraine abgeliefert – Engpass bei Notfall-Ausrüstung

Erste Hilfsgüter in der Ukraine abgeliefert

SHZ
Flensburg
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Die ersten zwei mit medizinischen Hilfsgütern beladenen Transporter aus Flensburg haben Material für das ukrainische Ternopil geliefert. Foto: Hauke Frercks/shz.de

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Die Strukturen sind effizient, die Hilfe nötiger denn je: Davon konnten sich Zoriana Kostiuk und Dr. Hauke Frercks nach der ersten Lieferung medizinischer Hilfsgüter an die ukrainische Grenze überzeugen.

Die Viertelstunde Pause vom Operieren nutzt Dr. Hauke Frercks nicht zum Durchatmen. Der Oberarzt der Chirurgie am Flensburger Malteser Krankenhaus informiert lieber darüber, wie die erste Lieferung medizinischer Hilfsgüter für Opfer des Ukraine-Krieges angekommen ist. Und er ergreift die Gelegenheit, seinen Dank an all jene Spender auszudrücken, die für unglaubliche Solidarität stehen.

Schon 48 Stunden nach der Verbreitung seines Aufrufs – zwei Tage nach der russischen Invasion – waren 25.000 Euro auf das Spendenkonto eingegangen. Inzwischen gibt Hauke Frercks den aktuellen Kontostand mit sagenhaften 160.000 Euro an, die ausschließlich in die ukrainische Notfallversorgung investiert werden.

Große Verbände für offene Schusswunden

Einige Güter, so berichtet der Flensburger Arzt, habe man vor Ort gekauft, das meiste aber im Internet bestellt und sich dabei auf ein vertrautes Netzwerk wie die eigene Einkaufsabteilung am St. Franziskus-Hospital verlassen können. Auch die Klinikleitung habe die Helfer unterstützt, etwa bei der Organisation der Fahrzeuge.

Neben Notfallverbänden und Infusionsbesteck habe man notfallmedizinische Ausrüstung besorgt, „die man als Arzt eigentlich nie sehen möchte“, sagt Hauke Frercks. Er nennt beispielhaft Tourniquet-Verbände, die gerade für schwer Verletzte gebraucht werden, ebenso wie große Verbände für offene Schusswunden und Spezialverbände bei offenen Lungen. Weil die Nachfrage nach solcher Ausrüstung mittlerweile so enorm sei und Kunden wie die Bundeswehr natürlich bevorzugt beliefert würden, sei er inzwischen bei fünf Firmen registriert, berichtet der Chirurg.

Zwölf-Stunden-Fahrt an die polnisch-ukrainische Grenze

Mit zwei voll bepackten Transportern haben sich der Chirurg in Begleitung eines Freundes sowie seine Kollegin Zoriana Kostiuk mit ihrem Partner auf die Zwölf-Stunden-Fahrt in Richtung polnisch-ukrainische Grenze begeben. Kostiuk arbeitet seit sieben Jahren am Flensburger Franziskus-Hospital. Die angehende Fachärztin stammt aus der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk, die noch von kriegerischen Aktivitäten verschont sei.

Über Berlin und Cottbus erreichten die Helfer aus Flensburg mit den Fahrzeugen das polnische Katowice. Nach einer Übernachtung brachen sie nach Krakau auf, wo Zoriana Kostiuks Onkel eine Spedition betreibt.

Zwei Stunden haben sie sich mit dem Verwandten der ukrainischen Kollegin unterhalten, berichtet Hauke Frercks und kann nachempfinden, wie hart es für Kostiuk sein müsse, so nah der Heimat zu sein und doch nicht weiterfahren zu können. Auch wenn die Medizinerin sich in einem Ausnahmezustand befinde, verkrafte sie die Kriegssituation in ihrer Heimat erstaunlich gut, sagt Frercks und beobachtet, dass die Aktivitäten und das Gefühl, etwas Gutes zu tun, auch ihr positive Energie geben und sie ein wenig ablenken.

Ihm sei wichtig gewesen, die erste Fahrt selbst mitzumachen, erklärt der Oberarzt. Denn er habe sich davon überzeugt, dass die Hilfsstrukturen vor Ort effizient sind und die Beteiligten zuverlässig. Vor allem hat er Wert darauf gelegt, dass Fachleute die Kisten entpacken, damit das Material dort vollständig Verwendung findet, wo es gebraucht wird. Empfänger sei zunächst ein Krankenhaus in Ternopil, erläutert der Flensburger Chirurg, von dort würden Güter gegebenenfalls auch an andere bedürftige Krankenhäuser weitergegeben.

Bei allem herzlichen Dank, den er wiederholt an bekannte und unbekannte Spender ausspricht, hofft er weiterhin auf Spenden. Denn, so fürchtet Frercks, „das wird uns leider noch lange beschäftigen“.

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