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„Heißer Herbst: Der Feuerteufel lässt eine Stadt in Angst leben“

Heißer Herbst: Der Feuerteufel lässt eine Stadt in Angst leben

Der Feuerteufel lässt eine Stadt in Angst leben

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Seit Wochen brennen in Flensburg immer wieder Autos. Zuletzt im Norden der Stadt. Foto: Heiko Thomsen/shz.de

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Flensburg rätselt. Noch immer gibt es keine Festnahme. Die Brandserie läuft nun schon seit Wochen und es entsteht Spannung in der Stadt.

Der Fördeschnack ist eine wöchentliche Rubrik, die Themen rund um Flensburg aufgreift. In dieser werden aktuelle Ereignisse und Probleme glossierend kommentiert.

Aufgeschnappt: Gesprächsfetzen in der Schlange am Supermarkt. „Wann werden sie ihn endlich schnappen?“ Ja, wann? Ein jeder weiß, um wen es geht. Denn diese Frage treibt seit Wochen viele Flensburger um.

Aber warum eigentlich „ihn“? Es könnte genauso heißen „sie“, also die Täter oder die Täterinnen. Niemand weiß, wie viele Brandstifter oder -stifterinnen in Flensburg am Werk sind. Unabhängig voneinander, in Absprache oder gar in abartig sich befeuernder Konkurrenz.

Die Bedrohung ist spürbar, und der Feuer legt, ist unter uns. Nimmt keine Rücksicht auf Menschenleben, fackelt Fahrzeuge reihenweise ab. Morgens der bange Blick aus dem Fenster: Ist das Auto noch unversehrt? Der Absatz von Alarmanlagen und Bewegungsmeldern hat Hochkonjunktur. Und so beäugt man sich misstrauisch. Die Angst ist allgegenwärtig. Besonders dort, wo es bereits gebrannt hat.

Misstrauen unter den Flensburgern

Der Skater, der mit Kapuze vom Hafermarkt die Straße herunterrollt: ein potenziell Verdächtiger – oder gar ein verdeckter Ermittler? Die Omi, die so unverdächtig die Apenrader Straße entlang schlendert, womöglich in Diensten der Polizei – oder hat sie, ganz im Gegenteil, einen Brandsatz in ihrer Handtasche versteckt?

Warum guckt der Mann da hinten eigentlich so hartnäckig den linken Hinterreifen des schicken Porsche Cayenne an? Der ist wohl kaum am Kauf eines neuen Autos dieses Formats interessiert. Sieht jedenfalls nicht danach aus. Ist die Frau mit dem Kinderwagen, die so scheinbar desinteressiert das Geschehen verfolgt, undercover für das LKA unterwegs? Und überhaupt: Hing die Videokamera da oben eigentlich schon immer?

Zwei Jugendliche stehen vor dem Hochhaus Hohe Mark 16 in Harrislee. Sie betrachten den abgebrannten Schuppen, das rot-weiße Flatterband an der Treppe, die zum Keller führt. Was mag in deren Köpfen vorgehen? Jemand, der ein Feuerzeug mit sich führt, sei es, um sich nur eine Zigarette anzuzünden, fühlt sich beobachtet, fühlt sich unwohl in seiner Haut, irgendwie.

Die Polizei hält sich bedeckt

Die Spekulationen schießen wild ins Kraut, nehmen die abstrusesten Formen an. Die Polizei hält sich bedeckt, aus naheliegenden Gründen. Stichwort Täterwissen. Wie beruhigend, dass ab und zu ein Streifenwagen betont langsam die verschiedenen Gefährdungsorte abfährt. Da gibt es gern auch mal einen „Daumen hoch“ vom Bürgersteig – und ein „Daumen hoch“ zurück. Dein Freund und Helfer. Aber: war es wirklich die Polizei? Man kann ja nie wissen in diesem heißen Herbst.

Ein Psychogramm von Brandstiftern ist ebenso schwer zu fassen wie deren Motive oder die Täter selbst. Vandalismus dürfte bei den Flensburger Serienbränden kaum eine Rolle spielen. Vielmehr Rache, Geltungssucht, mangelnde Anerkennung, reiner Spaß am Zündeln – oder schlicht eine Psychose.

Die Ermittler rätseln. Und der Druck wächst.

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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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