Lübeck

Hochwasser: Große Gefahr für Travemünde und das Brodtener Ufer

Hochwasser: Große Gefahr für Travemünde und das Brodtener Ufer

Hochwasser: Gefahr für Travemünde und das Brodtener Ufer

SHZ
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Das Brodtener Ufer ist durch den Klimawandel und den dadurch bedingten Anstieg des Meeresspiegels besonders gefährdet. Foto: Frank M. Wagner / SHZ

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Steigende Meeresspiegel: Welche Risiken bestehen für die südliche Lübecker Bucht? Und wie bereitet sich die Stadt darauf vor?

Lübeck wird ähnlich wie Kiel und Eckernförde in den kommenden Jahren die eine oder andere Hochwasserschutzmaßnahme vornehmen müssen, um sich auf den steigenden Meeresspiegel einzustellen. Auch für das Brodtener Ufer sieht es nicht gut aus.

Das Problem: In Travemünde gibt es keine technischen Hochwasserschutzeinrichtungen, wie der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN) in Husum mitteilt. In den sogenannten „Hochwassergefahrenkarten“ sind daher sogenannte „Betroffenheiten“ für ein 200-jährliches Hochwasser zu erkennen.

„Land unter“ an der Travemündung

Einer, der bereits jetzt schon die eine oder andere Hochwasser in Travemünde mitgemacht hat, ist Andreas Mitgutsch, Inhaber des Lübecker Teekontors in der Alten Vogtei in der Vorderreihe. „Das Wasser stand hier zuletzt bis zur obersten Treppenstufe“, sagt er und deutet auf den Eingangsbereich seines Geschäfts.


Aktuell bemüht Mitgutsch sich um eine Elementarschadenversicherung und zeigt sich durchaus überrascht, dass der Abschluss einer solchen Versicherung in dieser Lage tatsächlich möglich ist. Zwei Gedenksteine in der Außenmauer des Teekontors markieren den Hochwasserstand aus dem Jahre 1625 und vom bislang schwersten bekannten Ostseesturmhochwasser von 1872. Die aktuell draußen aufgebauten Tische sind etwas niedriger als die Markierungen, das darauf servierte Essen wäre damals also weggeschwemmt worden. Und die Gefahr für noch mehr Hochwasser, das in Zukunft in die Vorderreihe strömt, ist hoch.


Auch der Priwall ist nicht durch eine Hochwasserschutzanlage geschützt. „Das heißt“, sagt Dr. Thomas Hirschhäuser vom LKN, „hier werden die niedrigeren Flächen dann auch überflutet. Randlich ist dementsprechend auch Bebauung betroffen.“ Also eine ähnliche Situation wie bei der Alten Vogtei in der Vorderreihe.

Was tut Lübeck?

Für den Schutz der Menschen, Gebäude, Promenade und Straßen ist die Hansestadt bereits aktiv. Bislang gibt es in Travemünde „Objektschutzmaßnahmen“, also mobile Schutzmaßnahmen an Gebäuden entlang der Vorderreihe. Stadtsprecherin Nicole Dorel erklärt die derzeitige Situation an der Ostsee und in der Stadt: „Durch den Trichtereffekt der sich von Travemünde in Richtung Innenstadt verengenden Trave sind die Schwankungen des Wasserstands in der Altstadt meist größer als direkt an der Küste. Daher ist in der Lübecker Altstadt regelmäßig die Überflutung von Straßen zu beobachten.“

Bürger über Überflutungsrisiken informieren

Viele Anwohner sorgen mit sogenannten Dammbalkenverschlüssen vor und sichern so ihre Häuser. Diese individuelle Vorsorge bei Überflutungsrisiken sei gesetzlich verankert. Da jedoch viele Bürger nicht davon wüssten, ist die Hansestadt seit Herbst 2021 Partner im Forschungsprojekt „Komm.Flut.Ost“. „Ziel ist es, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, um die Bürger über die Überflutungsrisiken zu informieren und Anpassungsmöglichkeiten aufzuzeigen“, sagte Dorel. Dies soll durch Informationsveranstaltungen ergänzt werden, die wahrscheinlich in diesem Jahr starten.

Klimaanpassungskonzept der Bürgerschaft

Doch damit nicht genug: Die Hansestadt ist seit vergangenen Sommer auch Partner des Forschungsprojekts „Seascape II“. Darin untersuchen Forscher der Universitäten Kiel und Rostock sowie des „Global Climate Forums“ in Berlin anhand von Lübeck die zukünftigen Hochwasserrisiken und möglichen Anpassungsmaßnahmen. Dorel: „Die Teilnahme an dem Forschungsprojekt ist ein wichtiger Baustein zur Umsetzung der Maßnahme M 11 ,Gefahren durch Ostseehochwasser für bebaute Bereiche analysieren und eine Anpassungsstrategie entwickeln', die im Klimaanpassungskonzept definiert wurde.“ Die Lübecker Bürgerschaft hat das Konzept im September 2020 beschlossen. Heißt: Die aktuelle Situation und die notwendigen Maßnahmen haben Politik und Verwaltung also durchaus im Blick.

Gefahr für das Brodtener Steilufer

Doch zurück nach Travemünde beziehungsweise etwas nördlich davon: an das Brodtener Steilufer. Dieses ist durch den Klimawandel und den dadurch bedingten Anstieg des Meeresspiegels besonders gefährdet. Die Lage ist hier ganz anders als in den bekannten Touristenhochburgen. Für diese gilt grundsätzlich: Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Grömitz und Kellenhusen sind durch qualitativ hochwertige Landesschutzdeiche beziehungsweise vergleichbare Maßnahmen gut geschützt und sollen auch ein 200-jährliches Hochwasser aushalten. Dieses liegt heute bei ungefähr 2,50 Meter über dem mittleren Meeresspiegel.


Aber was passiert, wenn das Hochwasser der Ostsee ein Steilufer ins Visier nimmt? „Wenn die Wellen dort für Erosionen sorgen und das Steilufer erodieren, dann ist es weg und wird zur Sandquelle für angrenzende Gebiete. Das erleben wir beispielsweise am Brodtener Ufer: Der Sand, der dort erodiert wird, gelangt im Anschluss Richtung Timmendorfer Strand und nährt dort die Strände. Dementsprechend schützen wir keine Steilufer, sondern nehmen die Erosion in diesem Bereich hin“, gibt Thomas Hirschhäuser zu bedenken.

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Der LKN will Bebauungen entlang von Steilufern und auch aus Hochwasserrisikogebieten heraushalten, um an diesen Orten nachhaltig zu sein. Es gehe darum, in denjenigen Bereichen keine Werte anzuhäufen, von denen man wisse, dass sie in Zukunft nicht mehr wie jetzt existieren. Dementsprechend wird man beispielsweise bei touristischer Infrastruktur, darunter auch auch Cafés mit Meerblick, konsequent darauf achten müssen, wie ortsfest oder mobil diese Anlagen sind. Die sogenannte „hochwasserangepasste Bauweise“ wird immer wichtiger.

Wer sich selbst ein detailliertes Bild der Situation für seinen Wohnort in der Lübecker Bucht für die nächsten 20, 100 oder 200 Jahre machen möchte, der kann dies über die entsprechenden Hochwassergefahrenkarten des Landes Schleswig-Holstein tun.

Daneben erlaubt das „Coastal Risk Screening Tool“ des Anbieters Climate Central den Nutzern zu überprüfen, welche Auswirkungen ein globaler Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius oder sogar von 2,5 Grad Celsius auf die Küsten der Region hierzulande und im Rest der Welt hat.

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Niels Christian Aahøj Bech, Forperson LGBTQ+ Sønderborg
„LGBTQ+ personer skal fortsat lede langt efter rådgivning“