Flensburgs Oberbürgermeisterin

„Ich war schon richtig krank“: Simone Lange spricht über ihre Corona-Infektion

Simone Lange spricht über ihre Corona-Infektion

Simone Lange spricht über ihre Corona-Infektion

SHZ
Flensburg
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Simone Lange: „Ich hatte vor allem die Sorge, dass ich jemanden angesteckt haben könnte.“ Foto: Michael Staudt/shz.de

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Im Interview spricht die frisch genesene Simone Lange auch über die Entwicklungen in Dänemark und die Proteste der „Spaziergänger“.

Mehr als 1300 Flensburger sind derzeit mit Corona Infiziert – die Inzidenz bewegt sich weiter auf Höchstständen. Hinter einem der Fälle in der Statistik verbirgt sich auch Flensburgs Oberbürgermeisterin. Nach ihrer Infektion ist Oberbürgermeisterin Simone Lange inzwischen wieder genesen. Im Interview berichtet sie, wie sie die Isolation erlebt hat, wie Flensburg auf die Lockerungen in Dänemark reagiert und was sie von Corona-„Spaziergängen“ hält.

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Frau Lange, wie geht es Ihnen denn heute?
Mir geht es soweit wieder gut. Was noch geblieben ist, ist ein wenig Atemnot.

Hatten Sie denn starke Symptome?
Ja, das ist etwas, das ja trotz Impfung auch durchaus vorkommt. Ohne Impfung wäre ich möglicherweise noch stärker betroffen gewesen. Jeder Mensch ist anders und bringt andere Voraussetzungen mit.

Wissen Sie etwas über die Ansteckungswege und wie haben Sie Ihre Infektion gemerkt?
Nein, in der Tat ist es nicht nachvollziehbar, wo ich mich angesteckt haben könnte, weil ich außer Aufenthalten auf der Arbeit und Zuhause nichts gemacht hatte. Was nachvollziehbar ist, ist dass die Corona-Warnapp tatsächlich beinahe zeitgleich signalisiert hat, dass ich in einem bestimmten Zeitraum einem erhöhten Risiko ausgesetzt war.

Sie haben ja jetzt die Corona-Bestimmungen, den PCR-Test und den Kontakt mit dem Gesundheitsamt erstmals aus der – ich sag mal – Nutzerperspektive erfahren. Wie haben Sie das erlebt?
Nun war mir natürlich aus meiner beruflichen Tätigkeit sehr bewusst, welche Schritte ich gehen musste. So wie jeder andere auch, bin ich nach einem positiven Schnelltest zur Teststation gegangen und habe mich dort unter Vorlage des Schnelltestes PCR-testen lassen. Am Folgetag habe ich dann den Anruf des Gesundheitsamtes erhalten. Natürlich ist das ein komisches Gefühl. Als die Kollegin sich vorstellte, wusste ich gleich – das musste mit dem PCR-Test zusammenhängen.

Wir sind ja in einer Phase, wo der Betroffene die Kontaktpersonen selbst informieren soll. Ich wusste zwar vorher theoretisch, was zu tun ist, was ich aber gemerkt habe ist: Da hängt eine ganze Menge Arbeit dran, auch wenn ich nicht sehr viele Kontaktpersonen hatte. Ich hatte vor allem die Sorge, dass ich jemanden angesteckt haben könnte. Umso glücklicher bin ich – aber das erfährt man ja erst später – dass sich aus meinem näheren Bereich niemand angesteckt hat.

Isolation und Homeoffice sind ja nicht ganz einfach – wie ist es Ihnen damit ergangen?
Ich habe mich zu Hause isoliert – das hat zum Glück so gut funktioniert, dass sich familiär niemand angesteckt hat. Homeoffice war für mich aufgrund der Erkrankung ehrlich gesagt nicht möglich. Es gab einen Punkt, wo ich gesagt habe: Nee, das geht einfach nicht. Ich war schon richtig krank.

Gibt es durch Ihre persönlichen Erfahrungen irgendwelche Impulse oder Ideen, wie man die Situation für Infizierte verbessern kann?
Auf der einen Seite gibt es für mich die Bestätigung, dass dieses Virus wirklich tückisch ist und dass man es nicht herausfordern sollte. Man ist ja als Oberbürgermeisterin so ein bisschen in einer Dauerschleife, wie eine Platte mit Sprung, wenn ich den Menschen immer wieder dasselbe sagen muss: Passt auf, schützt auch, nehmt Abstand. Ich weiß, dass viele Menschen es nicht mehr hören können. Aber jetzt habe ich die Bestätigung, dass es richtig ist, es immer wieder zu sagen.

Was wir besser machen können, unterliegt vielen Faktoren, weil die Gemengelage in Deutschland so komplex ist und sich die Entscheidungen so schnell ändern. Hier vor Ort müssen wir vor allem darauf schnell reagieren. Diese Gemengelage macht es den Betroffenen so schwer. Die Frage: Welche Regel gilt eigentlich heute und hat sich da von letzter Woche schon wieder was geändert? Irgendwann habe ich mich als Patientin gefragt, wie viele Tage sind es denn jetzt in der Quarantäne? Aber ich habe das sofort rausbekommen können und der Kontakt zum Hausarzt war sehr gut.

Nun ist man als Oberbürgermeisterin ja in einer privilegierteren Situation als der Arbeitnehmer, der seinen Chef informieren muss oder als Familien, die in sehr engen Verhältnissen wohnen. Ist Ihnen deren Situation auch durch den Kopf gegangen?
Natürlich ist mir durch den Kopf gegangen, dass wir familiär mit der Wohnsituation einen Vorteil haben gegenüber Familien, die sich kleine Wohnungen teilen müssen. Ich bin aber auch jemand, dem das auch vorher schon durch den Kopf gegangen ist. Das sind Momente, in denen uns bewusst wird, dass die überwiegende Mehrheit in Flensburg sehr vieles und Großes geleistet hat die letzten zwei Jahre.

Nun wird ja Dänemark die Maßnahmen fast alle fallen lassen. Wie bereitet sich Flensburg darauf vor?
Wir haben da sicher vor allem eine kommunikative Aufgabe, weil in Flensburg da nunmal noch sehr restriktive Regeln bestehen, aufgrund der Lage, wie wir sie in Deutschland haben. Die Aufgabe wird sein, dass Menschen, die zu Hause gar keinen Regeln mehr unterliegen, wissen müssen, welche Regeln es hier gibt. Und den Leuten, die nach Dänemark fahren, müssen wir sagen: Passt trotzdem auf.

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Nun haben wir ja mehrfach in der Woche Leute, die dafür auf die Straße gehen, dass auch hier alle Maßnahmen wegfallen und die kritisch sind gegenüber einer Impfpflicht. Wie beobachten Sie das?
Die kritischen Einstellungen zu einer Impfpflicht teile ich nicht. Ich finde das Impfen eine große Errungenschaft. Demonstrationen sind natürlich erlaubt und ein probates Mittel, um seine Meinung kundzutun. Was wir ja aber derzeit in Flensburg erleben, ist kein normales Demonstrationsgeschehen. Das ist etwas, worauf ich mit Sorge schaue. Deswegen wird zu beobachten sein, wie sich diese Forderungen am Ende auch auflösen. Denn der Gesetzgeber hat ja eine Entscheidung getroffen und es gilt letzten Endes auch, diese Entscheidungen gemeinsam zu leben.

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Wir können uns sicher mit bestimmten Problemlagen auseinandersetzen. Es gibt ganz bestimmt viele alleinlebende und auch alleinerziehende Menschen, die wirklich viele Sorgen haben. In Anerkennung dessen gibt es ganz viel noch zu besprechen und zu regeln, aber ich würde mir wünschen, dass wir das viel konstruktiver tun und die Frage stellen, ob es wirklich hilft, Katz und Maus auf der Straße zu spielen oder ob es nicht viel fruchtbarer wäre, sich konstruktiv an den Tisch zu setzen und sich der Sache sachlich zu widmen.

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