Ausländerbehörde Nordfriesland

Insolvenz, Poker, Drohungen – das Geständnis des Ex-Fachgruppenleiters im Betrugs-Prozess

Geständnis des Ex-Fachgruppenleiters im Betrugs-Prozess

Geständnis des Ex-Fachgruppenleiters im Betrugs-Prozess

SHZ
Flensburg/Husum
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Zum Prozessauftakt saß der angeklagte ehemalige Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde des Kreises Nordfriesland komplett vermummt im Gerichtssaal des Landgerichts Flensburg. Foto: Marcus Dewanger/shz.de

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Er habe sich in einer aussichtslosen Situation befunden, so der angeklagte Ex-Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde Nordfriesland. Der 54-Jährige steht vor Gericht, weil er Aufenthaltstitel verkauft haben soll.

Es ist ein unauffälliger Mann, der sich da am Dienstag vor dem Landgericht Flensburg verantworten musste: Schlichte Brille, Gesundheitsschuhe, gedecktes Hemd – ein klassischer Beamtentyp, bei dem man nicht auf die Idee käme, er könne eventuell gewerbsmäßig als Schleuser arbeiten, säße er einem in einer Behörde gegenüber. Doch dieser Vorwurf steht im Raum. Als Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde des Kreises Nordfriesland soll der heute 54-Jährige von 2005 bis 2009 in 14 Fällen Aufenthaltstitel gegen Bargeld vermittelt haben.

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Mit ihm vor Gericht steht ein 52-Jähriger, der ihm in drei Fällen Kontakte zu zahlungswilligen kosovarischen Staatsangehörigen vermittelt haben soll. Der Tatvorwurf: Bestechung, Bestechlichkeit, Amtsanmaßung, Einschleusen von Ausländern. Der zweite Angeklagte bestreitet alle Vorwürfe. Im Raum steht, dass er lediglich versucht haben soll, seinen Bruder und dessen kranke Tochter aus dem Kosovo nach Deutschland zu holen.

So wurden die Vorwürfe öffentlich

An die Öffentlichkeit kamen die Vorwürfe gegen den Ex-Fachgruppenleiter, als die Staatsanwaltschaft Kiel 2010 in einer großangelegten Razzia die Ausländerbehörde im Kreishaus in Husum durchsuchte. Der Polizei waren bei Routinekontrollen Ausländer aufgefallen, die erst eine Woche in Deutschland waren, aber schon eine Aufenthaltsgenehmigung hatten. Ermittler durchforsteten die Datenbank des Ausländerzentralregisters und fanden auffällig viele Unstimmigkeiten im Kreis Nordfriesland.

Umfassendes Geständnis

Am ersten Prozesstag am Dienstag einigten sich die Beteiligten darauf, dass der angeklagte Fachgruppenleiter umfassende Geständnisse zu sieben der ihm vorgeworfenen Taten ablegt. Dafür sichert ihm die Strafkammer zu, dass er eine Bewährungsstrafe von höchstens zwei Jahren erhält. Da der Angeklagte aufgrund einer möglichen Spielsucht gegebenenfalls nicht voll schuldfähig gewesen sein könnte, könnte das Strafmaß auch geringer ausfallen.

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Der 54-Jährige scheint sich zumindest in Teilen als Opfer von unglücklichen Umstände und verschieden Menschen zu sehen, die ihn in eine aus seiner Sicht aussichtslose Situation manövriert haben: Der unseriöse Verkäufer seines Hauses, der ihn abgezockt habe, ein Kollege beim Kreis, der ihn bequatscht habe, in ein Schneeballsystem zu investieren und schlussendlich ein offenbar krimineller Poker-Partner.

Versuch, sich aus den Schulden zu spielen

Der Angeklagte berichtet, wie er nach der Zwangsversteigerung seines Hauses 2004 immer tiefer in die Schuldenfalle geraten sei. Er schildert, wie er versucht habe, sich vermeintlich wissenschaftlich ins Lotto-Spielen, Roulette und Pokern einzuarbeiten, um so wieder an Geld zu kommen. Letztendlich, erzählt er, landete er in einer privaten Poker-Runde, verliert, kann seine Schulden nicht bezahlen. Erst sei ihm von einem Hamburger Poker-Bekannten, von dem er lediglich den Spitznamen „Elvis“ kenne, mit Gewalt gedroht worden, dann habe es geheißen, er könne ihm einen „Gefallen“ tun, um die Schulden zu begleichen.

„Elvis“ kommt zurück

Dieser „Gefallen“ war demnach, 2005 den ersten Aufenthaltstitel für einen Menschen aus dem Kosovo unrechtmäßig auszustellen. Er habe gedacht, danach sei das Thema erledigt, erklärt der 54-Jährige. Doch wenige Wochen später sei „Elvis“ bei ihm zu Hause aufgetaucht und habe unter Drohungen gefordert, das Ganze noch einmal zu wiederholen.


„Ich habe überlegt, mich selbst anzuzeigen, mich versetzen zu lassen, mich krank zu melden“, sagt der Angeklagte. „Man kommt auf die blödesten Ideen, wenn man keinen Ausweg mehr weiß.“ Schlussendlich habe er eingewilligt – und „das war wahrscheinlich der größte Fehler“. Nach getaner Arbeit habe er von „Elvis“ einen Umschlag mit 2000 Euro erhalten. Auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters sagt der Angeklagte, er könne sich nicht mehr an alle Details der verschiedenen Fälle erinnern. Er habe nach dem Ende der Ermittlungen versucht, die Geschehnisse bewusst zu verdrängen.

2000 Euro pro Aufenthaltstitel

Grundsätzlich aber sei es in den darauffolgenden Jahren immer gleich abgelaufen: Er habe die Aufforderung erhalten, zu einem Treffpunkt zu kommen. Dort habe er einen Umschlag mit Unterlagen erhalten, dann – wenn es möglich war – den Aufenthaltstitel für den ihm unbekannten Menschen ausgestellt und anschließend die entsprechenden Unterlagen wieder übergeben. Dafür habe er jedes Mal 2000 Euro angenommen. Er habe sich nicht getraut, nicht zu dem Treffpunkt zu gehen, sagt der Angeklagte. Und das Geld habe er aufgrund seiner finanziellen Misere gebraucht.

Auf Nachfrage des Richters erklärt er zudem, er habe mehrfach pro Woche Roulette in verschiedenen Casinos in Schleswig-Holstein gespielt und auch dafür die Mittel teilweise eingesetzt. Beim Spielen habe er sich gut gefühlt, „wie im Urlaub“, und außerdem habe er gehofft, irgendwann so gut zu sein, um Profispieler zu werden und der Ausländerbehörde den Rücken kehren zu können: „Es war ja auch immer die Frage: Wie kriege ich diesen Job weg?“

Zweiter Angeklagter habe nichts damit zu tun

Den zweiten Angeklagten entlastet der Ex-Fachbereichsleiter mit seinen Einlassungen: Dieser habe in der Ausländerbehörde unter anderem als Betreuer und Dolmetscher ausgeholfen. Warum er mit den Vorwürfen in Zusammenhang gebracht würde, könne er sich nicht erklären, so der Ex-Fachgruppenleiter, er habe damit nichts zu tun.

Der Prozess wird am morgigen Mittwoch fortgesetzt. Dann soll der Ex-Fachgruppenleiter weitere Fragen beantworten, zudem sollen Zeugen vernommen werden.

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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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