Fanfarenzug Niebüll aufgelöst

Jetzt ist endgültig Schluss: Die spannendsten Erinnerungen aus 50 Jahren Vereinsgeschichte

Die spannendsten Erinnerungen aus 50 Jahren Vereinsgeschichte

Erinnerungen aus 50 Jahren Vereinsgeschichte

Arndt Prenzel
Niebüll
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Erfolgreich in der ganzen Republik: der Freie Fanfarenzug Niebüll. Foto: Fanfarenzug Niebüll/shz.de

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50 Jahre ist es her, dass der Freie Fanfarenzug in Niebüll von Karl-Wilhelm Jannsen gegründet wurde und seine ersten Mitglieder an der Fanfare und der Tenortrommel ausbildete. Tragisch, aber wahr: Das Jubiläum fiel in diesem Sommer aus, da sich...

Die frühere Vorsitzende Birgit Werner nimmt es wie Kollegin Maike Schmäschke gelassen hin. „Es ist eben so!“ Phantomschmerzen habe sie nicht, obwohl Fanfare und Uniform noch oben im Schrank hängen und die Urkunden wie goldene Schallplatten an der Wand hängen. „Wir haben weitgehend alles verkauft, z. B. an die „Kometen“, die gern trommeln.“ Ein schönes Emblem hängt nun in einer Autogarage, manche Instrumente haben anderswo einen sinnvollen Platz gefunden.

Anfragen zum Mitmachen gibt es jedoch immer wieder. „In Lübeck könnte ich jederzeit mitspielen“, sagt Birgit Werner. Die Vergangenheit im Fanfarenzug ist bedeutsamer Bestandteil ihres Lebens. „38 Jahre war ich dabei, ich möchte nichts missen. Ich habe echte Freundinnen gefunden.“ Sie schluckt doch ein wenig. Wie zum Beweis kommt eine WhatsApp eingeflogen. Die Mitbläserinnen von einst sind engste Freundinnen geblieben.

Das Gemeinsame ist eben der Klebstoff für nahezu alle Musikgruppen. Nicht nur das Musizieren, auch die Ausflüge zu deutschlandweiten Auftritten. „In unserem Bus war immer der Teufel los!“ Ob Fahrten nach Polen, zum Laternenumzug in Hamburg vor tausenden Zuschauern oder errungene Deutsche Meisterschaften: Das alles (ver)bindet. „Wir waren eine Familie, Geburten und Todesfälle wurden gemeinsam gefeiert oder betrauert.“ Es war eine Erfolgsgeschichte, allerdings mit Verfallsdatum.

Immer weniger Nachwuchs

„Wir hatten schon seit Jahren mit immer weniger Nachwuchs zu kämpfen“, sagt Birgit Werner. Sie führt es unter anderem darauf zurück, dass man Fanfare nicht mal ebenso spielen könne. „Es braucht schon ein bis zwei Jahre, bis man die Töne richtig trifft.“ Ohne regelmäßiges Üben geht es nicht. Dazu kommen im Sommer  an den Wochenenden bis zu 25 Auftritte. Freizeit, die nicht mehr jeder hat. Oder für ein Hobby opfern will. Früher ging es über Familien, die komplett dabei waren. Oder aber junge Frauen kamen nach der Babypause wieder zurück. „Deren Kinder stiegen automatisch mit ein.“ Trommeln oder Fanfare spielen ist auch eine körperliche Herausforderung. „Wir marschieren bis zu drei Kilometer“, sagt Birgit Werner. Zuletzt habe der Fanfarenzug „gerade noch so“ auftreten können, mit zehn, zwölf Musikern. Dann kam noch Corona dazu, zu den Proben kamen immer weniger Bläser. „Verständlich“, bekennt die Vorsitzende.

Proben bis die Lippen brannten

Auch Sohn Sebastian Werner, damals Schriftführer des Vereins, hat sich mittlerweile damit abgefunden, dass er nicht mehr zusammen mit den anderen trommelt. Das war nicht immer so: In den 80er Jahren zählte der Verein 60 Mitglieder. Die Mitglieder setzen sich aus einer bunten Mischung von Mädchen und Jungs, Frauen und Männern im Alter von 13 bis 70 Jahren zusammen. Große Erfolge wie Deutsche Meisterschaften waren jedoch nur möglich durch hartes Training und viel Hingabe. In der Alwin-Lensch-Schule war einst der Proben und der Versammlungsraum. Die Niebüller Anwohner rund um die Marktstraße bekamen es mit: Zweimal die Woche wurde lautstark trainiert, „Ich höre das ‚Nochmal‘ von Werner Sönnichsen noch“, berichtet Birgit Werner. „Da brannten die Lippen.“

Meistertitel bei den German Championships

Mit dieser Einstellung haben sie 2006 den begehrten Meistertitel bei den German Championships errungen. Mit großer Resonanz und folgender Ehre: Die Landesmeisterschaft der Spielmanns-Vereinigung Schleswig-Holstein (SVSH) kam 2013 nach Niebüll. Es war ein letzter Höhepunkt, es sind vergangene Zeiten. Vorbei die Zeit, da man mit anderen Musikzügen wilde Bälle veranstaltete oder aber Rallyes durch Niebüll zelebrierte. „Bei der Aufgabe, eine möglichst lange Klamottenkette aneinander zu knoten, fielen die Kleidungsstücke bis auf die Unterhose“, lacht Maike Schmäschke. Geschichten gibt es ohne Ende. Oft hören die beiden Vorstandsdamen, wie sehr doch der Fanfarenzug auf dem Weihnachtsmarkt oder bei der Biike fehle. „Das tut uns gut“, sagen sie. Doch nun ist endgültig „Schicht im Schacht“: Sie wollen das Geld aus der Vereinskasse den Kleinen spenden. „Wir möchten die Pfadfinder und die Kinder in der Alwin-Lensch-Schule und der Dänischen Schule beglücken.“

Info: Der Freie Fanfarenzug Niebüll von 1972 war einer der wenigen Naturton-Fanfarenzüge in Norddeutschland. Viele Erfolge gehen auf das Konto der Spielleute: So wurden sie unter anderem bei der Deutschen Meisterschaft 2010 in Königslutter Deutscher Vizemeister und Meistercorps des DBV in der Marschklasse Senioren. Damit verteidigten sie ihre schon 2006 bei der Deutschen Meisterschaft in Meinerzhagen errungenen Titel.

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