Absentismus

Karin Prien zieht Zügel gegen Schul-Verweigerer an

Karin Prien zieht Zügel gegen Schul-Verweigerer an

Karin Prien zieht Zügel gegen Schul-Verweigerer an

SHZ
Kiel
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Nicht allein für den Lernerfolg, auch für soziale Teilhabe ist regelmäßige Präsenz in der Schule da. Foto: Gregor Fischer/shz.de

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Wenn Schüler dem Unterricht unentschuldigt fern bleiben, fühlen sich ihre Lehrkräfte oft auf sich allein gestellt. Das will die Bildungsministerin ändern. Sie zieht mehr Regeln für Schulen gegen Fehlzeiten ein.

Bildungsministerin Karin Prien (CDU) weist die Schulen an, konsequenter gegen Absentismus vorzugehen. Nicht allein gelegentliches „Schwänzen“ soll stärker bekämpft werden. Mehr noch zielt die erhöhte Aufmerksamkeit auf hartnäckiges Fernbleiben vom Unterricht, das laut Schul-Praktikern während der Pandemie noch verstärkt aufgetreten ist – teils sogar auf Initiative von Eltern.

Schutz vor Leistungseinbrüchen und sozialer Abkopplung

Bisher beruhe die Reaktion einer Schule häufig auf subjektiven Einschätzungen der Lehrkräfte, heißt es in der neuen Strategie des Bildungsministeriums gegen Absentismus. Dasselbe Fehlverhalten könne deshalb auf stark verschieden ausgeprägte Toleranz treffen. Entsprechend uneinheitlich falle auch das Vorgehen dagegen aus. Nicht alle Maßnahmen hätten bisher „in ausreichendem Maße zu einer Reduzierung des prozentualen Anteils von absenten Schülern beigetragen“. Künftig gelten dafür deshalb landesweit einheitliche Standards. Nicht Disziplin als Selbstzweck steht über allem. Es geht Prien in erster Linie darum, „Schüler vor Leistungseinbrüchen und sozialer Abkopplung zu schützen“.


Jede Schule wird deshalb aufgefordert, Konzepte gegen Absentismus zu entwickeln. Diese müssen „gezielt Maßnahmen der Prävention beschreiben sowie Verfahrensabläufe im Umgang mit den Schülern“ auflisten. Ebenso nötig sei die Unterstützung der Lehrkräfte, für die der Umgang mit Schülern, die gehäuft der Schule fernbleiben, sehr herausfordernd und belastend sei. „Hier kann die Vereinbarung klarer Verfahrenswege mit den Schülern und deren Eltern helfen“, heißt es in der Strategie des Bildungsministeriums.

Je früher, desto einfacher

Eine weitere Botschaft: Je frühzeitiger das Problem angegangen werde, desto einfacher ließen sich Lösungen finden. Und umso eher lasse sich die Situation ohne Gesichtsverlust der Betroffenen klären. Gerade in der Grundschule komme einem Vorgehen gegen Absentismus eine hohe Bedeutung zu.

Drei Eskalations-Stufen

Das Einschreiten der Schulen soll an drei verschiedenen Intensitäts-Stufen von Schulverweigerung anknüpfen: Als „problematisch“ gelten elf bis 20 Fehltage pro Halbjahr, als „gravierend“ bis zu 40 und als „massiv“ alles darüber. In letzterer Kategorie müssen die Schulen die Schulaufsicht verständigen und dokumentieren, wie sie dagegen pädagogisch vorgehen. Für die Datenerfassung gibt das Ministerium spezielle Dokumente aus.


Auch nach Einschätzung der Lehrer-Gewerkschaft Erziehung & Wissenschaft (GEW) hat Schulabsentismus durch Corona zugenommen. „Schüler haben durch die Pandemie zeitweise ihren geordneten Tagesablauf verloren. Einer ganzen Reihe von ihnen fällt es nun total schwer, sich wieder an den Schulalltag zu gewöhnen“, sagt GEW-Geschäftsführer Bernd Schauer. „Oft bleiben sie einfach weg.“ In dieser Gruppe befänden sich hauptsächlich Personen, die auch zuvor schon Probleme mit der Schule hatten. „Eine neue coronabedingte Form des Absentismus liegt darin, dass es vermehrt Eltern gibt, die aus Angst ihre Kinder nicht oder nicht regelmäßig zur Schule schicken.“ Schauer unterstützt den Ansatz, „seitens der Schule so schnell wie möglich mit den Eltern Kontakt aufzunehmen.“

Hilfe von außen

Ebenfalls begrüßt die Gewerkschaft den Ansatz des Konzepts, dass die Schulen je nach Problemlage Unterstützung von außen mit ins Boot holen sollen: über Jugendämter, Träger der freien Jugendhilfe, psychologische oder psychotherapeutischen Praxen und Erziehungsberatungsstellen. Und wenn alles nichts hilft, gilt: „Neben den pädagogisch und psychologisch orientierten Hilfen können im Einzelfall beim Schulschwänzen oder Zurückhalten ordnungsrechtliche Maßnahmen erforderlich werden.“ In allen Kreisen und kreisfreien Städten müssen regionale Konzepte mit konkreten Verfahrenswegen zwischen allen Beteiligten vorgehalten werden.

Zweifelhafte Atteste

Nicht zuletzt will man Ärger mit zweifelhaften ärztlichen Attesten in den Griff bekommen: „Aufmerksam werden sollte man dann, wenn ärztliche Bescheinigungen über längere Zeiträume als 14 Tage, unbegrenzt oder von immer wieder wechselnden Ärzten ausgestellt werden“, appelliert das Ministerium. Höchste Vorsicht sei auch geboten, wenn die ausstellende Arztpraxis außerhalb Schleswig-Holsteins liegt, ohne dass es für deren Einschalten eine plausible Erklärung gibt. In begründeten Fällen könne die Schule durchaus ab dem ersten Tag die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung verlangen. Etwa dann, wenn jemand immer wieder direkt vor den Ferien fehlt oder wenn Arbeiten geschrieben werden.

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