Sorge um Wald und CO2-Bilanz

Klimakiller oder nicht? Der neue Hunger auf Holz in SH

Klimakiller oder nicht? Der neue Hunger auf Holz in SH

Klimakiller oder nicht? Der neue Hunger auf Holz in SH

Frank Jung
Kiel
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Die Nachfrage nach Brennholz steigt aufgrund der Energiekrise auch in SH rapide. Foto: Markus Dewanger/shz.de

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Die Energiekrise rückt den archaischsten aller Brennstoffe in den Fokus: Holz zum Heizen erfreut sich angesichts der Knappheit an Gas und Öl auch in Schleswig-Holstein neuer Beliebtheit. Die Preise haben sich vervielfacht. Doch ist der Run mit d...

Rund die Hälfte des Walds in Schleswig-Holstein ist in Landesbesitz. Wer sich bei den dortigen Forstrevieren mit Holz zum Heizen eindecken will, der muss sich in diesem Herbst anders als sonst mit einer Obergrenze begnügen: Voraussichtlich allenfalls höchstens 20 Raummeter pro Kunde werden abgegeben, stellt der Sprecher der Landesforsten, Ionut Huma, in Aussicht.

So wolle man sicherstellen, dass weniger Interessenten mit leeren Händen wieder von dannen ziehen. „Wir versuchen, möglichst viele Privathaushalte mit Teilmengen zu bedienen“, versichert Huma - und schiebt zur Klarstellung hinterher: „Wir können dies aber nur im Rahmen des anfallenden Holzes gewährleisten.“

Preise 80 Prozent über Vorjahres-Niveau

Denn die Nachfrage nach Brennholz steigt angesichts von Versorgungsmängeln und Preisexplosion bei Gas und Öl rapide. Wer einen Ofen hat, versucht, mehr Material zu bekommen als in den Vorjahren. Schon im August - so die aktuellste verfügbare Zahl - sind die Preise für Brennholz laut Statistischem Bundesamt um 85,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat nach oben geschnellt. Die Verbraucherpreise insgesamt nahmen in diesem Zeitraum um 7,9 Prozent zu.

Beim Landesverband der privaten Waldbesitzer sorgt man sich schon vor Hamsterkäufen. „Wir empfehlen den Kunden, ihren Bedarf mit Augenmaß zu decken“, sagt Geschäftsführer Jens Fickendey-Engels.

Umweltschützer beobachten den Run aufs Holz „mit großer Sorge“, betont Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des Naturschutzbundes (Nabu) Schleswig-Holstein. „Jetzt vermehrt CO2 durch Heizen mit Holz freizusetzen, ist für die Klimabilanz kontraproduktiv“, kritisiert Ludwichowski. „Um in neugepflanzten Bäumen die gleiche Menge CO2 zu binden wie diejenige, die jetzt freigesetzt wird, dauert viele Jahrzehnte, wenn nicht 100 Jahre.“ Denn so alt ist das Holz, das geerntet wird.

Holzverbrennung setzt mehr CO2 frei als Erdgas

Berechnungen des Weltklimarats stützen die Bedenken: Demnach setzt das Verbrennen von Holz fast doppelt so viel CO₂ frei wie der Einsatz von Erdgas. Zudem muss für die Ausbeute der selben Energiemenge mehr Holz verbrannt werden als es bei Erdgas, Erdöl oder Kohle der Fall ist. Denn Holz enthält schlicht weniger Energie als diese fossilen Träger.

Ludwichowski ergänzt, dass auch der „Naturschutzwert“ von frisch aufwachsendem Gehölz „nicht vergleichbar“ sei mit dem 100 Jahre alter Bäume, schon allein wegen der anderen Größe nicht. Für Insekten und Vögel sei es außerdem wichtig, dass als Lebensraum auch Totholz in den Wäldern stehen- und liegen bleibe. Deshalb beunruhigt den Nabu, dass nach Beobachtung Ludwichowskis versucht wird, aus den Wäldern alles herauszuholen, was irgendwie übrig ist.

Warum Holz-Importe kritisch sein können

Am allerkritischsten sehen der Nabu und andere Umweltorganisationen den Boom bei Holzpellets. Teils sei unklar, ob das Holz von außerhalb Mitteleuropas stamme. Da sei das Risiko groß, dass es aus nicht nachhaltig bewirtschafteten Wäldern komme. Also aus solchen, wo einfach abgeholzt wird ohne Gedanken an Neuanpflanzungen. Der Nabu registriert vor allem in Ost- und Nordeuropa angesichts der Energieknappheit Extra-Abholzungen. Aber auch Kanada und die USA exportieren demnach immer mehr Holz. Sogar in den wertvollen Sumpfwäldern der US-Ostküste würden große Flächen abgeholzt.

Das Umweltbundesamt warnt vor Gesundheitsgefahren durch Feinstaub bei der Holzverbrennung. „Generell und unabhängig von der Quelle führt die Inhalation von Feinstaub zu relativ hohen Krankheitslasten in der Bevölkerung“, heißt es dort.

Der Geschäftsführer des Waldbesitzerverbands Schleswig-Holstein empfindet die klimapolitische Kritik am Heizen mit Holz aus heimischen Wäldern als „Versuch, eine ideologische Debatte loszutreten“. Sie sei „keinesfalls gerechtfertigt“. Denn so werde „der Eindruck erweckt, als ob nicht nachhaltig gewirtschaftet würde.“

Dazu aber sind sowohl die Eigentümer von Privatwäldern als auch die Landesforsten laut schleswig-holsteinischem Waldgesetz verpflichtet. „Es besteht kein Anlass zur Sorge, dass zur Zeit mehr Holz genutzt wird als im Rahmen einer nachhaltigen und ordnungsgemäßen Waldbewirtschaftung geboten ist“, teilt deshalb das auch für die Forstwirtschaft zuständige CDU-geführte Kieler Agrarministerium mit.

Fickendey-Engels erklärt das konkret so: „Der Wald in seiner Gesamtheit bleibt. Im Zuge der Bewirtschaftung werden einzelne Stämme entnommen, damit an der selben Stellen etwas nachwächst. Der Bindungsprozess von CO2 geht also der selben Fläche ständig weiter. Das ist ein Kreislauf, ein sich selbst tragendes System.“

Damit unterscheide es sich fundamental von fossiler Energie. „Die emittiert einfach nur CO2, das vor vielleicht 200 Millionen Jahren eingelagert worden ist.“ Danach werde dort nichts mehr neu gebunden.

Der Vertreter des Waldbesitzerverbands geht noch weiter: „Mit der Nutzung der in Holz gebundenen Energie lässt sich verhindern, dass umso mehr Erdöl oder Erdgas verheizt werden. Holz substituiert also die Verwendung fossiler Energieträger geradezu.“

Weshalb kontinuierlich ausgelichtet wird

Fickendey-Engels verdeutlicht, dass Holzernte in moderatem Umfang zum Wald dazugehört: Die Bäume, die besonders stark werden sollen, brauchen genug Licht und Luft. Dazu müssen drumherum einzelne Gewächse entnommen werden. Ein gesunder Wald bestehe aus Bäumen verschiedener Altersklassen. Ganz überwiegend bestehe das Brennholz aus Schleswig-Holsteins Wäldern aus Kronenmaterial und niedriger wachsenden Ästen. Oder aus Bäumen, die ein Sturm umgeknickt hat.

„Beliebig steigerbar ist das nicht“, unterstreicht der Geschäftsführer des Waldbesitzerverbands angesichts des Holzhungers in der Bevölkerung. „Kein Waldbesitzer würde seine Bestände übernutzen, nur weil die Nachfrage jetzt so groß ist.“ Unter „Übernutzen“ versteht Fickendey-Engels „Extra-Einschlagmaßnahmen“.

Landesforsten versuchen sich mit kleinen Extra-Reserven

Die Landesforsten versuchen, wegen der besonderen Nachfrage zumindest marginal  mehr Menge zu mobilisieren. Sprecher Ionut Huma skizziert: Pflegemaßnahmen, die in jüngster Zeit aufgrund nasser Witterung mit durchweichten Böden oder Stürmen zum Erliegen gekommen waren, werden jetzt nachgeholt. Sofern das Wetter es zulässt. „So können wir die liegengebliebenen Holzmengen aus den Vormonaten mit den aktuellen, regulären Holzmengen zusammen ernten. Das ermöglicht uns einen gewissen Spielraum bei der Erhöhung der nachhaltigen Mengen.“

Näher beziffern die Landesforsten diese noch nicht. Jede Försterei ermittle derzeit, was sie an Arbeiten umsetzen könne. Auch dabei wachsen die Bäume nicht in den Himmel: „Zusätzliche Kapazitäten können wir nur in bedingtem Umfang zur regulären Holzernte einsetzen“. so Huma. Zeit also für Interessierte, sich zu sputen, wenn sie zumindest bis zu 20 Raummeter ergattern wollen.

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