Gesundheit

Krankenhäuser bekommen Probleme - weil Patienten immer dicker sind

Krankenhäuser bekommen Probleme - weil Patienten immer dicker sind

Krankenhäuser bekommen Probleme

Christoph Schumann/shz.de
Pinneberg
Zuletzt aktualisiert um:
Übergewichtige stellen Krankenhäuser und Pflegeheime zunehmend vor Probleme. Foto: dpa/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Menschen werden immer schwerer – das stellt das Gesundheitswesen auch in Schleswig-Holstein vor große Herausforderungen.

Dieser Einsatz bereitete im Sommer selbst den erfahrenen Ersthelfern der Feuerwehr Pinneberg Schwierigkeiten: Mitte Juli musste eine übergewichtige Person aus ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der Kreisstadt gerettet und in ein Krankenhaus in Hamburg gebracht werden.

Dazu war zunächst die Freiwillige Feuerwehr mit einer üblichen Trage angerückt. „Aufgrund des hohen Gewichts von mehr als 200 Kilogramm und des Krankheitsbildes der Person konnte die Rettung jedoch nicht über das Treppenhaus erfolgen. Stattdessen wurden die Höhenretter und ein Kran des Technischen Hilfswerks aus Pinneberg sowie der Berufsfeuerwehr aus Hamburg an die Einsatzstelle alarmiert“, meldete der Feuerwehrbericht. Erst mit einem Ladekran des THW konnte der Patient dann „schonend und sicher“ aus dem ersten Stock gehoben und den Sanitätern übergeben werden.

Zwei Drittel der deutschen Männer sind übergewichtig

Mit den Ersthelfern wie hier steht das gesamte Gesundheitswesen zunehmend vor einem echten Größenproblem: Immer öfter müssen Patienten außerhalb der Norm versorgt werden – entweder weil sie größer, meist jedoch, weil sie schwerer sind als der bundesdeutsche Durchschnitt. „Und diese Tendenz hält seit etwa drei Jahrzehnten verstärkt an“, sagt Joß Giese im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Facharzt für Anästhesiologie ist seit rund zehn Jahren als OP-Manager für den reibungslosen Ablauf der Eingriffe in den 30 Operationsälen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am Standort Kiel zuständig.

Dass dies kein subjektiver Eindruck ist, bestätigen die letzten Zahlen des Robert Koch-Instituts in Berlin: Danach sind zwei Drittel der bundesdeutschen Männer (67%) und etwas mehr als die Hälfte der Frauen (53%) übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen – nämlich 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen – sind laut RKI sogar adipös, also stark übergewichtig.

Dabei weichen die volljährigen Schleswig-Holsteiner dem Statistischen Bundesamt zufolge gleich doppelt vom „Bundesdurchschnitt“ ab: Die Männer wiegen 85,8 Kilogramm und damit anderthalb Kilo mehr als im Bundesmittel. Die Frauen liegen mit 68,6 Kilo nur 200 Gramm über dem Durchschnitt. Gleiches gilt für die Körpergröße: Die Männer in Schleswig-Holstein messen im Schnitt 1,80 Meter, das sind etwa zwei Zentimeter mehr als der Durchschnitt. Die Frauen übertreffen den Bundesschnitt mit 1,66 Metern immerhin um einen Zentimeter.

Belastung für Geräte und Personal

Doch es ist nicht die Länge, die das Gesundheitswesen belastet, unterstreicht Joß Giese: „Das oft überhohe Gewicht von Patienten, aber auch Patientinnen erfordert von Klinikgebäuden über medizinische Geräte und Ausstattung bis zum Ärzte- und Pflegepersonal höchste Anstrengungen.“ Seien beispielsweise Operationstische oder Betten vor 20 Jahren noch auf eine Traglast von rund 125 Kilogramm ausgelegt worden, sei deren Belastbarkeit über 180 Kilogramm auf jetzt 250 und bis zu 300 Kilogramm ausgelegt.

„Das bedeutet aber gleichzeitig, dass auch die Belastbarkeit von Böden und Decken, an denen Umlagerungshilfen wie etwa Deckenlifter angebracht sind, entsprechend erhöht werden musste“, ergänzt Giese und verweist gleichzeitig auf die hohe Belastung beim gesamten Personal. In der Uniklinik Kiel ebenso wie in Lübeck seien durch Neu- oder Umbau heute drei Viertel der 30 Operationssäle darauf ausgelegt. Dies könne sich aber nicht jedes kleine Krankenhaus leisten.

„Die Mehrkosten allein für Baumaßnahmen und Gerätebeschaffungen liegen bei fünf bis acht Prozent“, so Giese weiter. Hinzu komme der erhöhte Personalbedarf bei pflegerischen Maßnahmen wie der Umlagerung, die regelmäßig mindestens vier statt wie üblich zwei Mitarbeiter beanspruche – und in den OP-Schleusen packen oft zusätzlich Ärzte mit an. Zusätzliche Pflegende aber seien in Zeiten des Fachkräftemangels kaum zu finden. Auch der Transport adipöser Patienten sei teurer und die Behandlungsdauer gegenüber normalgewichtigen Kranken meist deutlich länger.

Industrie entwickelt mehr XXL-Geräte

Die Medizingeräteindustrie reagiert auf diesen XXL-Trend mit der Entwicklung von XXL-Geräten, von OP-Instrumenten bis zu gewachsenen Computer- oder Magnetresonanztomographen (CT bzw. MRT). „Unsere MRT zum Beispiel sind in den vergangenen Jahren von anfangs 50 über 60 und 70 auf jetzt bis zu 80 Zentimeter gewachsen“, sagt Heiko Jahr von Siemens Healthieers in Erlangen auf Anfrage.

Jahr unterstreicht, dass jedoch nicht nur stark adipöse Menschen auf die Möglichkeit einer „XXL-Diagnostik“ mit einem Spezial-MRT angewiesen sind: „Auch Kraftsportler und andere Athleten oder besonders muskulöse Menschen entsprechen oft nicht der Norm – aber besonders sie sind bei Verletzungen auch auf die schnelle und exakte Diagnose mit Bildverfahren wie beim MRT angewiesen.“

Mehr lesen