Schwere Prognosen

Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Welche Koalitionen möglich sind

Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Welche Koalitionen möglich sind

Landtagswahl: Welche Koalitionen möglich sind

SHZ
Kiel
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CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther sollte ein starkes Ergebnis einfahren und wird wohl einen Koalitionspartner benötigen. Foto: Lars Berg via www.imago-images.de

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Daniel Günther kann hoffen, dass seine CDU stärkste Kraft bei der Landtagswahl am 8. Mai wird. Doch auch im Erfolgsfall muss eine Wiederwahl zum Ministerpräsidenten kein Selbstgänger werden.

Die Programme und Personaltableaus stehen, Plakate hängen, der Wahlkampf läuft: Die Parteien in Schleswig-Holstein steuern eine Landtagswahl an, die auch angesichts der weltpolitischen Lage am 8. Mai unter ungewöhnlichen Vorzeichen steht. Eine Neuauflage der Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP erscheint möglich, aber es kann auch ganz anders kommen. Vielleicht werden die Liberalen nicht mehr gebraucht oder gar in einer völlig neuen Konstellation.

Für den Politikwissenschaftler Prof. Wilhelm Knelangen ist nicht ausgemacht, dass Daniel Günther (CDU) Ministerpräsident bleiben wird. „Es ist immer noch alles völlig offen und das wird auch bis zum 8. Mai so bleiben“, sagt Knelangen. Möglicherweise werde selbst am Wahlabend nicht klar sein, welche Koalition künftig das Sagen hat.

Viele Faktoren lassen kaum Prognosen zu

Zu viele Unwägbarkeiten erschweren Prognosen, zu viele Regierungsbündnisse sind politisch denkbar. Außer den „Jamaikanern“ gibt es mit der SPD und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der als Partei der dänischen und friesischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist, zwei weitere Kandidaten. Sie alle „könnten“ im Zweifel miteinander, je nach Lage und politischen Durchsetzbarkeiten - ein höchst unwahrscheinliches Bündnis aus CDU und SPD mal ausgeklammert.

Nach aktuellem Stand zeichnet sich Günthers CDU erneut als stärkste Kraft ab. Die jüngste Umfrage von Infratest dimap im NDR-Auftrag sah sie bei 36 Prozent. Das waren 16 Punkte mehr als für die SPD und sogar doppelt so viele wie für die Grünen. Damit würde Günther das Wahlergebnis von 2017 sogar verbessern und der gesamten Union nach dem Machtverlust im Saarland und nur eine Woche vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen neue Hoffnung machen.

Weiterlesen: Politologe Knelangen: Daniel Günther braucht klaren Vorsprung bei der Wahl

Bündnis mit dem SSW denkbar

Eine Ampel nach Bundesvorbild oder ein SPD-Bündnis mit Grünen und SSW wären dieser Umfrage zufolge nicht möglich. CDU-Strategen hoffen auf einen so großen Vorsprung der Union, dass es für ein Zweierbündnis mit der FDP reichen würde. Diese stand in der Umfrage aber nur bei 8 Prozent. Sollte sie auf etwas mehr kommen, wäre auch ein Bündnis aus CDU, FDP und SSW denkbar. Das gab es noch nie. Der SSW hat nur einmal mitregiert, 2012 bis 2017 mit SPD und Grünen.

Hätte Günther die Wahl, könnte ein Trio mit FDP und SSW für ihn weniger anstrengend werden als eine Koalition mit den Grünen. Diese eint ein Ziel mit der FDP: So stark werden, dass ohne sie keine Regierung gebildet werden kann.

Fest absehbar ist vier Wochen vor der Wahl nicht viel. Zumal die CDU in einer anderen Umfrage (Insa im Auftrag von „Bild“) aus der vorigen Woche nur einen Punkt vor den Sozialdemokraten lag (28 zu 27 Prozent).


Grüne und FDP haben Schlüsselrolle inne

Schlüsselrolle Nr. 1 kommt wohl auf die Grünen mit Spitzenkandidatin Monika Heinold (Finanzministerin) zu. Wie werden sie entscheiden, wenn sie zwischen Jamaika, Schwarz-Grün und einer Ampel wählen könnten? Sollte es für ein Bündnis mit SPD und SSW reichen, könnte das erste Wahl sein.

Das Abschneiden von SPD, Grünen und FDP wird auch davon abhängen, wie die Wähler das Agieren der Ampel in Berlin bewerten. Der Bonus für die Zugpferde Robert Habeck und Wolfgang Kubicki dürfte für Grüne und FDP geringer ausfallen als 2017, als beide noch überwiegend auf der Landesbühne agierten.

Schlüsselrolle Nr. 2 hat die FDP. Sie würde für den Fall der Fälle klar eine Neuauflage von Jamaika gegenüber einer Ampel-Option bevorzugen. Der Spitzenkandidat, Wirtschaftsminister Bernd Buchholz, hat Jamaika-Anhänger zur Stimmabgabe für seine Partei aufgerufen, weil sonst Schwarz-Grün drohe, also eine Regierung ohne FDP.

CDU braucht deutlichen Vorsprung

Aus Sicht von Politikwissenschaftler Knelangen braucht die CDU einen deutlichen Vorsprung, wenn sie wieder den Regierungschef stellen will. Weiterhin würden laut der Umfrage für den NDR die meisten Schleswig-Holsteiner Günther wählen (63 Prozent). Heinold mit 11 und der im Land weithin unbekannte SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller mit 6 Prozent lagen weit dahinter.

„Die CDU wird dann argumentieren, es sei der Wählerwille, dass Günther Regierungschef bleibe“, sagt Knelangen. Doch dieser stehe eben nicht direkt zur Wahl. In der Folge könne der Druck auf die Grünen steigen.

Das verspricht Spannung, zumal die Landtagsliste der Grünen einen möglichen Ruck nach links andeuten könnte. Einerseits offenbarten sie in Regierungsverantwortung viel Pragmatismus. Andererseits lehnte ein Parteitag noch vor kurzem gegen das Votum der Führung ein LNG-Terminal für Flüssigerdgas ab – das Bundeswirtschaftsminister Habeck nun vorantreibt, um nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.

Jamaika-Bilanz überwiegend positiv

Jamaikas Leistungsbilanz wird im Land als überwiegend positiv bewertet; die Zahl relevanter Fehler blieb in engen Grenzen. Das Corona-Management wird über die Koalitionsgrenzen hinaus gelobt. Doch die Qual der Wahl ist für viele im Norden eben besonders groß, weil die Fülle der möglichen Koalitionsoptionen mehr Spielraum für taktische Stimmabgaben gibt als in den meisten anderen Bundesländern.

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