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Mann aus Aarhus soll seine Frau getötet haben: Dänische Polizei verweigert die Aussage

Mann aus DK soll seine Frau getötet haben: Dänische Polizei verweigert Aussage

Dänische Polizei verweigert die Aussage

Annika Kühl/shz.de
Flensburg
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Am Morgen des 20. November 2021 kam es auf der A7 bei Schuby zu einem Gewaltverbrechen. Auch zwei Jahre danach dauert der Prozess am Landgericht Flensburg weiter an. Foto: Benjamin Nolte/shz.de

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Die Umstände um den Mord auf der A7 bei Schuby vor zwei Jahren sind komplex. Der mutmaßliche Täter wohnte zuletzt in Dänemark. Doch dass ausgerechnet die dänische Polizei nicht an der Aufklärung mitarbeiten möchte, sorgt auf deutscher Seite für Empörung.

Als die Ermittler am frühen Morgen des 20. November 2021 zu einem Verbrechen auf die A7 bei Schuby gerufen werden, wissen sie noch nicht, mit was für einem außergewöhnlichen Fall sie es zu tun haben werden.

Erst einige Monate später entspinnt sich vor dem Landgericht Flensburg eine Geschichte, in der die eigentliche Tat beinahe in den Hintergrund rückt. Eigentlich geht es um einen Mordvorwurf: Der 35-jährige, aus Syrien stammende Angeklagte soll seine Frau auf dem Seitenstreifen der A7 mit einem Messer angegriffen haben, bevor sie anschließend – mutmaßlich in Panik – auf die Fahrbahn lief und von einem Lkw überfahren wurde.

Geflecht aus familiären Strukturen und Gewalt

Als Motiv vermutet die Staatsanwalt einen Streit, nachdem die Getötete ihren Trennungswunsch äußerte und ihre Kinder zu sich holen wollte.

Doch in der Geschichte geht es auch um das verworrene Geflecht einer syrischen Großfamilie, um Gewalt, um „Ehre“ und nicht zuletzt um die Frage, was von all diesen Einflüssen mit zu der Tat beigetragen hat. Was passierte wirklich an jenem Morgen? Und wie konnte es zu dieser schrecklichen Tat kommen?

Komplexes Geschehen vor der Tat

Das versucht die erste Große Strafkammer des Flensburger Landgerichts seit Monaten aufzuklären – mit der Herausforderung, dass die meisten Zeugen aus dem Ausland kommen. Bisher schweigt der Angeklagte zu den Vorwürfen. So sind bisher 53 Verhandlungstage und Dutzende Zeugenvernehmungen ins Land gegangen und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Das Gericht selbst spricht von einem komplexen Indizienprozess. Die letzten Jahre verbrachten der Angeklagte und seine Partnerin mit ihren beiden Kindern in Aarhus. Schon damals soll der Angeklagte gewalttätig und kriminell gewesen sein. Vor der Tat suchte die Getötete Schutz in einem dänischen Frauenhaus. Allein die entsprechenden Zeugen aus dem Nachbarland zu laden, erweist sich als Herausforderung.

Kommunikation mit dänischen Behörden erweist sich als schwierig

Zudem will die Strafkammer klären, in welcher psychiatrischen Verfassung der Angeklagte vor und während der Tat war. „Diesbezüglich sind umfangreiche Anhaltspunkte auszuwerten, die sich unter anderem aus (zum Teil unvollständigen und unzulänglichen) Auszügen aus dänischen Verfahren ergeben“, heißt es vom Gericht.

Auch bei der grenzüberschreitenden Kommunikation der dänischen und deutschen Behörden scheint es zu hapern. So sind unter anderem zwei Gewalttaten bei der dänischen Polizei dokumentiert. Bei einer Tat soll der Angeklagte einen damaligen Arbeitskollegen mit einem Messer und/oder einem Schlagring angegriffen haben. Bei einer anderen Tat soll er auf offener Straße einen Taxifahrer mit einer Axt angegriffen haben. Doch Details dazu sind noch unklar:

Um diese Vorgänge aufzuklären, habe der Vorsitzende der Strafkammer Kontakt mit der dänischen Polizei aufgenommen, erklärt Gerichtssprecher Stefan Wolf. Doch offenbar nur mit mäßigem Erfolg: „Von dort hat die Strafkammer zunächst keine Reaktion, insbesondere keinen Rückruf erhalten.“

Daraufhin habe der Richter über einen anderen Weg einen weiteren Versuch unternommen, Kontakt zu den dänischen Beamten aufzubauen. „Nach diversen Versuchen der Kontaktaufnahme per E-Mail und Telefon haben sich die meisten Polizeibeamten nicht zurückgemeldet“, sagt Wolf. Lediglich eine Polizistin habe reagiert und sei vergangene Woche als Zeugin vernommen worden.

Dänische Polizeibeamtin verweigert ihre Aussage

Dort habe sie mitgeteilt, dass sie kaum Angaben machen könne, weil das Verfahren – ein Vorfall aus Januar 2020 – in Dänemark noch nicht abgeschlossen sei. Zudem habe sie erwähnt, dass ein Vernehmungsprotokoll existiere. „Dieses wurde der Kammer von den dänischen Behörden bislang nicht zur Verfügung gestellt“, so der Gerichtssprecher.

Nebenklagevertreter Christian Hecken spricht von einem „Skandal, der seinesgleichen sucht.“ So soll die dänische Polizei kurz vor der Tat gewarnt worden sein. „Mein Eindruck ist, dass sie versuchen, etwas zu vertuschen“, lautet sein Vorwurf. In einem offiziellen Brief hat er sich nun an den dänischen Justizminister Peter Hummelgaard gewandt und Konsequenzen gefordert – bislang ohne Reaktion.

Offizielles Rechtshilfeersuchen bislang ohne Erfolg

Nach Angaben des Landgerichts hat es bereits Versuche seitens der Staatsanwaltschaft gegeben, über ein offizielles sogenanntes Rechtshilfeersuchen an Informationen über mögliche Vorerkenntnisse des Angeklagten in Dänemark zu gelangen. „Die Kammer ist davon ausgegangen, dass eine Unterstützung durch die dänische Polizei auch ohne ein (weiteres) Rechtshilfeersuchen stattfinden wird, da von den dänischen Strafverfolgungsbehörden bereits erste Informationen über diese mutmaßlichen Vorfälle übermittelt worden waren“, so Gerichtssprecher Wolf.

Inzwischen hat auch die dänische Tageszeitung „Berlingske“ über den Vorfall berichtet. „Opsigtsvækkende konflikt mellem dansk politi og tysk domstol i drabssag“ heißt es in der Schlagzeile. Auf Deutsch: „Erschreckender Konflikt zwischen dänischer Polizei und deutschem Gericht im Mordfall“.

Doch wie geht es jetzt weiter? Die Kammer erwäge nun, zunächst erneut auf das bereits vorliegende Rechtshilfeersuchen zu verweisen, so Gerichtssprecher Wolf. Anschließend würde gegebenenfalls ein weiteres Ersuchen gestellt werden.

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