Ohne Unterschenkel

Maximilian Schwarzhuber beginnt seine Extremradtour in Flensburg

Maximilian Schwarzhuber beginnt seine Extremradtour in Flensburg

Max Schwarzhuber beginnt seine Extremradtour in Flensburg

SHZ
Flensburg
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Max Schwarzenhuber (links) und Achim Heukemes wagen sich auf die Deutschlandquerung, die in Flensburg startet. Foto: privat

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Der 29-Jährige aus Oberbayern hat eine lange Krankheitsgeschichte hinter sich. Nach der Amputation beider Unterschenkel begann er mit Extremsport. Sein aktuelles Projekt: 1001 Kilometer per Rad in 48 Stunden.

Sein Leben startete mit einer Reihe von Aufenthalten in Krankenhäusern. Als er zwei Jahre alt war, konnte Maximilian Schwarzhuber nach dem Mittagsschlaf plötzlich seine Füße nicht mehr bewegen. Nach diesem einschneidenden 19. Oktober 1994 musste er immer wieder monatelang ins Krankenhaus in unterschiedlichen Orten seiner bayerischen Heimat.

Nach über 22 Jahren Krankheitsgeschichte entscheidet er sich für eine Amputation beider Unterschenkel, das war im Winter 2017. „Ich habe mir extrem viele Gedanken gemacht“, erinnert sich der heute 29-Jährige an sehr intensive anderthalb Jahre vor dieser Entscheidung. „Ich hatte enormen Schiss, weil es ein Sprung ins Unbekannte war“, gibt er zu, „und endgültig“.


Nach der Operation, die ohne Komplikationen verlief, sei er „total erleichtert“ gewesen. Ab da gab es nur noch diesen einen Weg – den nach vorn, der gut werden musste. Es mache einen Unterschied, resümiert Maximilian Schwarzhuber, dass er selbst die Entscheidung für die Amputation getroffen habe und niemand anderes. Davor hatte sich alles um seine Krankheit gedreht, ohne Aussicht auf Besserung. Danach habe er versucht, Wunden und Alltag in den Griff bekommen – und wie!

Sehr früh, nur vier Tage nach der OP habe er unter anderem mit Krafttraining angefangen, lief die ersten Schritte mit Prothesen sechs Wochen später. Vier Monate nach der Amputation absolviert der Oberbayer seinen ersten 10-Kilometer-Lauf – in 68 Minuten.

„Deutschlanddurchquerung“: 1001 Kilometer in 48 Stunden

Eine sportliche Herausforderung nach der nächsten bewältigt Schwarzhuber, darunter im Sommer 2021 die Alpenüberquerung. Nun steht am 6. Mai das nächste Projekt bevor: eine „Deutschlanddurchquerung“ von Nord nach Süd. Ab Flensburg will der Oberbayer 1001 Kilometer mit dem Fahrrad bis nach Oberstdorf in 48 Stunden zurücklegen.


Mit der Hafenspitze habe er sich im vorigen Herbst schon mal vertraut gemacht, erzählt er. Da hatte er einen Termin mit dem Norddeutschen Rundfunk in Hamburg und machte bei der Gelegenheit einen Abstecher an die Förde.

Experte für Motivation und Resilienz

Max, der als professioneller Redner und Experte für Themen wie Motivation und Resilienz arbeitet, fuhr die ersten Kilometer der geplanten Strecke ab und stellte gleich mal fest, dass auf dem kurzen Stück neun Ampeln den Flow unterbrechen. „Und ich war erstaunt, dass es so was wie 'Berge' gibt“, meint er lachend am Telefon. Er lebt in Wolnzach im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, einem Ort mit 12.000 Einwohnern. Und er liebe das, wenn er vor die Tür tritt, sofort im Wald ist und den Blick über Felder streifen lassen kann.

Drei Stunden Pause auf 48-stündige Tour

Seine Deutschlandquerung hat er minutiös vorbereitet, obwohl er dennoch davon ausgeht, „dass irgendetwas schiefgehen wird, bei so einer langen Tour“. Auf 48 Stunden sollen insgesamt drei Stunden Pausen kommen, in Portiönchen von je einer Viertelstunde. Anfangs rechnet Schwarzhuber mit einer Fahr-Geschwindigkeit von 26 Kilometern pro Stunde, im Durchschnitt betrage sie 23,3 km/h.

Sein Hauptrad sei mit einem Cube nichts Besonderes, aus früheren Aktionen habe er gelernt und nimmt ein Ersatzrad, ein Gravelbike mit dickeren Reifen mit. Feierlicher Zieleinlauf soll in der Oberstdorfer Skisprung-Arena sein.

Neun Leute in drei Fahrzeugen werden ihn begleiten, darunter ein Kamerateam, auch mit Drohnen, im Medienbus. Wer will, kann den Verlauf über das Livetracking mit Moderation und auf Insta verfolgen. Sein Bruder als Teamchef sei für die schwierigen Entscheidungen unterwegs zuständig und war auch schon bei der Überquerung der Alpen dabei.


Und seinem Team, das über den Zeitplan wacht, gibt der sympathische Radler fast ernstgemeint auf den Weg, „mit Härte, Gewalt und ohne Mitleid“ zu agieren.

Eine ganz wichtige Stütze wird sein Kompagnon Achim Heukemes sein, der ihn auf dem Rad begleitet. Jugendlicher Leichtsinn trifft hier auf Erfahrung, sagt Max. Der 70-jährige Rentner habe einen coolen Humor und „kann gut abschätzen, wie ich drauf bin“, erklärt er. „Wenn ich Schlangenlinien fahre, ist es Zeit, einen Power-Nap zu machen.“ Über Schlaf werde spontan entschieden.

Für die Versorgung der Menschen mit Getränken und Kalorien, des Navis mit Strom und der Gefährte mit Luft und Licht ist gesorgt – „wie bei der Formel 1“.

Keine Kaffeefahrt

„Es wird keine Kaffeefahrt, sondern eine harte Nummer“, ahnt der Extremsportler. Für sich und seine Vorträge über mentale Stärke lerne er immer viel aus solchen Herausforderungen. Max hat festgestellt, dass der Körper sehr viel mehr aushalte als man denkt, denn oft schwächele der Geist zuerst.


Im Unterschied zu gesunden Menschen fehle ihm die Muskulatur der Unterschenkel, die etwa ein Drittel der Gesamtmuskulatur im Bein ausmachten. Unterwegs müsse er zudem seine Stümpfe versorgen, und Schweiß könne den Halt beeinträchtigen. In jedem Fall schwört der Experte auf Melkfett.


Und was gefragt werden muss: Warum tut er sich das an? „Ich habe einfach Bock drauf, weil ich weiß, dass ich das schaffen kann, aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe“, sagt der Oberbayer.

Er freue sich auf den Start, sagt der 29-Jährige, am Freitag um 12 Uhr an der Hafenspitze. Da sei man noch ausgeruht, sicherlich gut drauf und hätte zunächst nur wenige Höhenmeter vor sich. Der einzige, der den Plan verschieben könnte, sei der Wind, sehr viel davon, oder sehr schlechtes Wetter, meint Max. Laut Wetterbericht sind die Prognosen hervorragend.

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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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