Zweiter Weltkrieg

Mühsame Detektivarbeit an Enigma-Funden aus der Ostsee

Mühsame Detektivarbeit an Enigma-Funden aus der Ostsee

Mühsame Detektivarbeit an Enigma-Funden aus der Ostsee

SHZ
Schleswig
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In der Restaurationswerkstatt, vertreten durch Corinna Mayer, im archäologischen Museum auf Schloss Gottorf werden Enigma Verschlüsselungsmaschinen aus dem zweiten Weltkrieg, die vor Kappeln und Gelting in der Ostsee gefunden wurden präsentiert. Foto: M. Staudt Foto: 90037

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Wo wurden die Enigma-Chiffriermaschinen eingesetzt? Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler, seitdem aus der Ostsee und der Schlei sieben Maschinen geborgen wurden.

Die in der Ostsee und der Schlei gefundenen Enigma-Chiffriermaschinen bergen weiter Rätsel. „Bei mir tauchen bei der Arbeit an den Maschinen immer wieder neue Fragezeichen im Kopf auf“, sagte die archäologische Restauratorin Corinna Mayer der Deutschen Presse-Agentur. Seit Monaten arbeitet die 42-Jährige in der Archäologischen Zentralwerkstatt auf Schloss Gottorf in Schleswig an den Funden. Sie sind nach Jahrzehnten im Wasser in desolatem Zustand.

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Nur zwei der sieben Maschinen sind überhaupt komplett, die anderen wurden bereits vorher zerstört. „Bei der Ende 2020 in der Geltinger Bucht gefundenen Enigma handelt es sich um ein Modell M4 mit vier Chiffrierwalzen“, sagt Mayer. Zu dem Konglomerat aus sechs Enigmen aus der Schlei gehörten mindestens drei M4 und zwei M3 mit drei Walzen. Bei der letzten sei sie noch nicht sicher. „Die Frage lautet: Wie gelangen M4 von U-Booten in den Hafen von Kappeln.“ Fest stehe, dass dort gegen Kriegsende viele Schiffe gelegen hätten.

Funde waren reiner Zufall

Durch Zufall waren Taucher im November 2020 in der Geltinger Bucht und im Januar 2021 in der Schlei auf die Enigmen gestoßen – sie wollten in einem Fall eigentlich Geisternetze und im anderen einen Propeller bergen. Im Zweiten Weltkrieg diente die Enigma mit ihren 26 Buchstaben-Tasten und ebenso vielen Leuchtfeldern mit jenen Buchstaben, die den Text bildeten, der Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs. Es handelt sich um eine für damalige Verhältnisse komplexe Maschine – benannt nach dem griechischen Wort für Rätsel.

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Auch der Marinehistoriker Jann M. Witt vom Deutschen Marinebund geht davon aus, dass die in der Geltinger Bucht gefundene Enigma von einem U-Boot stammt. „Im Zusammenhang mit dem sogenannten Regenbogen-Befehl haben Marineoffiziere gegen Ende des Krieges dort 50 U-Boote selbst versenkt“, sagte Witt der dpa. Kommunikationstechnik sei ebenfalls auf dem Meeresgrund gelandet. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stammt diese Enigma von einem dieser Boote.“ Um welches genau es sich dabei gehandelt hat, ist aber unbekannt. Die Restauration der Enigmen und die Fundorte werfen neue Fragen auf und es gebe auch Widersprüchlichkeiten sowie Rätsel, wie Witt sagte. Auch ihn interessiert, wie die anderen Enigmen im Hafen von Kappeln landeten und woher sie stammen.

Alan Turing knackte den Code

Der britische Mathematiker Alan Turing trug während des Zweiten Weltkriegs maßgeblich dazu bei, den Enigma-Code zu knacken. „Die Entschlüsselung der Enigma hatte massiven Einfluss auf den U-Boot-Krieg im Atlantik“, sagte Witt. Die Kriegsmarine habe zu sehr auf die Sicherheit der Technik vertraut. „Dabei gab es bereits während des Krieges Hinweise, dass der Schlüssel geknackt war. Das wurde jedoch komplett ignoriert.“ Dadurch konnten die Alliierten verschlüsselte Funk-Codes an deutsche Boote unbemerkt mitlesen.

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Bevor sich Restauratorin Mayer an die eigentliche Konservierung macht, will sie so gut wie möglich den Erhaltungszustand dokumentieren. „Bei einem Modell haben wir die Seriennummer identifiziert. Wir wissen aber nicht, auf welchem Schiff das Gerät zum Einsatz kam.“ Sie will die Maschinen auch röntgen und mit Hilfe eines sehr genauen Computertomographen (CT) der Lübecker Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik untersuchen, um möglicherweise an den Bodenplatten weitere Seriennummern zu erkennen.

Für Sammler wertlos

„Die Erhaltung der Technik steht für uns bei der Konservierung hinten an“, sagte Mayer. Ziel bleibe es, die Enigmen der Öffentlichkeit künftig in ihrem Zustand bei Entdeckung zu zeigen. Das werde aber sicher nicht mehr in diesem Jahr passieren. Denn die Chiffriermaschinen sind nur 7 von aktuell knapp 500 Funden, um die sich Mayer kümmert. Anfragen von Militaria-Sammlern hat sie bislang nicht. „Welcher Sammler will auch so einen Schrotthaufen haben?“ An einigen ist die Einwirkung stumpfer Gewalt vor der Versenkung, um die Technik unbrauchbar zu machen, deutlich sichtbar. „Für Sammler sind die wertlos.“

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Kommentar

Hannah Dobiaschowski
Hannah Dobiaschowski Projekte / Marketing
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