Kieler Landtag

NDR-Affäre im Innen- und Rechtsausschuss: Die Suche nach dem Systemfehler

NDR-Affäre im Innen- und Rechtsausschuss: Die Suche nach dem Systemfehler

NDR-Affäre: Die Suche nach dem Systemfehler

Martin Schulte/shz.de
Kiel
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Innen- und Rechtsausschuss hört NDR-Spitze Foto: Axel Heimken/shz.de

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Der Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtags hat viele Fragen zur NDR-Affäre.

Bernd Buchholz hat mal einem Medienkonzern vorgestanden. Daraus macht der FDP-Abgeordnete keinen Hehl, ganz im Gegenteil: Er spricht gern und ausführlich darüber. So war es denn auch der ehemalige Wirtschaftsminister, der beantragt hatte, dass sich der Innen- und Rechtsausschuss mit den Vorwürfen gegen die Senderleitung des Kieler NDR-Landesfunkhauses befassen möge.

Ein Antrag, der nicht nur reichlich Publikum in Saal 122 des Landtags zog, sondern bei dem auch mehrfach deutlich wurde, dass dieser Rollenwechsel – Politik befragt Medien – nicht jedem in der Runde unbedingt behagte.

Viele Fragen an die stellvertretende Funkhaus-Leiterin

Buchholz aber fühlte sich in diesem Thema hörbar wohl, er hatte viele Fragen an die stellvertretende Funkhaus-Leiterin Bettina Freitag und die Vorsitzende des Landesrundfunkrates, Laura Pooth. Letztere ist mit ihrem Gremium für die Aufklärung der Vorgänge beim NDR verantwortlich, allerdings erst seit wenigen Wochen, was ihre Aufgabe nicht einfacher macht: „Ich leite dieses Gremium erst seit dem 27. Juni, das bitte ich deutlich zur Kenntnis zu nehmen“, sagte Pooth.

Denn die Vorwürfe, um die es geht, liegen schon eine Weile zurück. Im Mittelpunkt steht eine angebliche Parteilichkeit in der Berichterstattung am Standort Kiel, Auslöser der Affäre war ein interner Konflikt um ein Interview mit dem zurückgetretenen CDU-Innenminister Hans-Joachim Grote. Das wurde von der Redaktionsleitung abgelehnt, ein Vorgang mit dem sich der Redaktionsausschuss des Senders vor zwei Jahren beschäftigte.

„Ein ganz normaler redaktioneller Konflikt“, sagte Freitag, die vor dem Ausschuss auch die Arbeitsweise der Redaktion skizzierte: „Die Diskussion über Themen ist nicht nur ein übliches Vorgehen, sondern auch ein notwendiges. Aber dann muss eine Entscheidung getroffen werden.“

„Ein Fehler, den wir sehr bedauern“

Dass diese nicht immer optimal ausgefallen sind, räumte auch Freitag ein, ganz besonders in einem Fall, der im Zuge der Causa Grote wieder hochgespült wurde: Über eine Alkoholfahrt des damaligen CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Jörn Arp hatte der NDR gar nicht berichtet: „Wir hielten das tagesaktuell nicht für erforderlich. Das war ein Fehler, den wir sehr bedauern“, sagte Freitag. Die Journalistin wurde mehrfach emotional.

Nun war der Ausschuss aber nicht nur an den Einzelfällen der möglichen Einflussnahme interessiert, sondern vor allem an der Kultur, die dahinter steht. „Es geht hier nicht nur um die inhaltlichen Vorwürfe, sondern auch um den Prozess der Aufklärung“, sagte Buchholz. Was er meinte: Zwischen vielen Absichtsbekundungen, Berichten von redaktionellen Compliance-Regeln, journalistischen Standards und Worten der Reue fehlten verbindliche Aussagen darüber, wo eigentlich genau die Aufklärung ansetzen sollte. Oder wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Losse-Müller es ausdrückte: „In dem Moment, in dem alle in der Redaktion das Gleiche denken, gibt es keine Meinungsvielfalt.“

Vieles bleibt im Ungefähren

Damit bezog er sich auch auf die Kultur der Angst, die im Ressort „Politik und Recherche“ geherrscht haben soll. Auch die Führungskultur soll sich ändern, das machte Freitag deutlich: „Wir wollen das Arbeitsklima verbessern.“

Ansonsten blieb vieles im Ungefähren, was Losse-Müller auch kritisierte: „Ich bin enttäuscht von Ihren einleitenden Ausführungen, Frau Freitag, weil mir da Selbstkritik und Reflexion fehlten.“

Immerhin wurde das Prozedere der Aufklärung grob skizziert. Laura Pooth machte deutlich, dass ihr ein geordneter Prozess wichtig sei, auch mit externer Expertise: „Wir suchen Menschen, die einen journalistischen Background haben und gleichzeitig eine juristische Qualifikation. Da sind wir in Gesprächen.“ Noch im September seien zwei Sitzungen des Landesrundfunkrates geplant, sagte Pooth.

Und wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

Eine Neuigkeit war die Ankündigung Freitags, dass ein Team von Journalisten aus den NDR-Standorten Hamburg und Hannover eingesetzt werden soll, um die Vorgänge in Kiel zu prüfen. Dieses Gremium soll direkt an die stellvertretende NDR-Intendantin Andrea Lütke berichten.

Und dann war da noch die naheliegende Frage, wann mit Ergebnissen zu rechnen sei. „Das muss schnell gehen“, sagte Freitag. Konkreter wurde sie nicht. Aber eine schnelle Aufklärung wäre ganz bestimmt auch im Sinne der vielen NDR-Mitarbeiter, an die sich der SSW-Fraktionsvorsitzende Lars Harms wandte: „Sie haben keine leichte Zeit. Und ich fürchte, bei einigen, über die wir hier sprechen, ist der Ruf angekratzt, wenn nicht sogar nachhaltig beschädigt.“

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