Gesellschaft

In Nordfrieslands Backstuben fehlt der Nachwuchs

In Nordfrieslands Backstuben fehlt der Nachwuchs

In Nordfrieslands Backstuben fehlt der Nachwuchs

Birger Bahlo/shz.de
Husum
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Gäste im Café Nissen am Hagebaumarkt in Husum. Bäckermeister Ralf Carstensen schwört auf klassische Handarbeit im Bäckerhandwerk. Foto: Birger Bahlo/shz.de

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Bäcker in Nordfriesland sind in Not. Vom „Azubi-Vakuum“ ist die Rede. Erstes und zweites Lehrjahr gibt es an den Berufsschulen schon nicht mehr. Und erste Betriebe werben bereits für „Bäcker ohne Vorkenntnisse“.

Zum Frühstück gehört für viele neben der Lektüre der „Husumer Nachrichten“ ein knackiges Brötchen oder ein kerniges Brot und zum Nachmittagskaffee ein Stück Kuchen dazu. Doch das Bäckerhandwerk in Nordfriesland ist in Not und weiß kaum noch, wie die Teams in den Backstuben gebildet werden können. Vor allem geht den Betrieben der Nachwuchs aus, wie eine Nachfrage von shz.de bei den Beruflichen Schulen in Nordfriesland zeigt.

In Husum werde kein Bäcker mehr unterrichtet, heißt es dort, in Niebüll bereitet sich gerade noch die Abgangsklasse in der Oberstufe auf ihre Prüfungen vor. Die wenigen, die das von der Pike auf lernen wollen, müssten unter anderem nach Flensburg oder Schleswig zum Berufsschulunterricht pendeln.

Den Mangel an Auszubildenden und Arbeitskräften in den Backstuben bestätigt auch Philipp Thom, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unserer Redaktion. Die NGG warnt gar vor einem „Azubi-Vakuum“ und spitzt den Ernst der Lage so zu:

Die Zahl der Bäckerei-Azubis sei bereits rapide nach unten gegangen: In den 14 Bäckereien und 41 Verkaufsfilialen im Kreis Nordfriesland habe es im Herbst vergangenen Jahres laut einer Statistik der Arbeitsagentur noch 43 Auszubildende (Bäcker und Bäckereifachverkäufer) gegeben. Vor zehn Jahren seien es noch 134 Azubis in der Herstellung und im Verkauf von Backwaren gewesen. Verantwortlich dafür seien vor allem die Ausbildungsbedingungen im Bäckerhandwerk.

Damit werde es immer schwieriger, junge Menschen für das Backen als „Frühaufsteher-Handwerk“ zu begeistern. Das Bäckerhandwerk müsse dem Nachwuchs mehr bieten. „Und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt: Mit 680 Euro im ersten und 885 Euro im dritten Ausbildungsjahr kann man junge Menschen weder in die Backstube noch an die Verkaufstheke locken.“ Mit „so wenig Geld“ komme keiner mehr zurecht. Thom fordert die Anhebung der Ausbildungsvergütung auf 850 Euro im ersten und auf 1075 Euro pro Monat im dritten Ausbildungsjahr. Zusätzlich fordert die NGG ein „Ausbildungs-Ticket“ von 49 Euro, um die Azubis mobil zu machen.

Wie kommen die regionalen Bäckereien mit dem Mangel an Nachwuchs und der Suche nach gestandenen Fachkräften klar? Vergangene Woche veröffentlichte die Bäckerei Hansen in Hattstedt in den sozialen Medien eine Anzeige mit folgendem Text:

Inhaber Niels Hansen zeigt Wege aus dem Dilemma auf. So straffe er das Sortiment, sortiere also das ein oder andere Produkt aus, was nicht so stark nachgefragt werde. Außerdem würden manche Abläufe stärker automatisiert. Und manches werde über den Tagesbedarf hinaus produziert und in der Kühlung aufbewahrt. Zwei Lösungen wolle er auf keinen Fall: Etwa einen Werktag die Backstube schließen oder zu Fertigmischungen wechseln. Schließlich solle alles frisch in den Verkauf. Die Ursprünglichkeit seiner Waren sei ihm wichtig: „Wo Bäckerei Hansen draufsteht, sind Backwaren von Hansen drin“.

Handarbeit im Bäckerhandwerk hochgehalten

Ganz ähnlich sieht das Ralf Carstensen, Bäckermeister im Café Nissen in Bredstedt. „Das Bäckerhandwerk ist und bleibt im besten Sinne Handarbeit“, sagt er. Der Betrieb hat Filialen im mittleren Nordfriesland und zwei in Husum (Hagebau und Markant). Carstensen betont, dass Brot, Brötchen, Laugenstangen oder auch Gebäck jeden Tag frisch hergestellt werden.

In der aktuellen Not, Mitarbeiter zu finden, müsse ständig neu überlegt werden, wie das tägliche Pensum zu schaffen ist oder es müssten auch mal Arbeitsabläufe neu überdacht werden.

Hinderlich sei laut Carstensen nach wie vor das Verbot, dass Minderjährige nicht vor drei Uhr eingesetzt werden dürften. Das sollte eher pragmatisch geregelt werden, denn es gehe vorrangig darum, wer mit Lust und Leidenschaft bei der Arbeit sei.

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