Sommer

Schlechtes Wetter und Spaghettieis – auf Tour mit Eiswagenfahrer Carlo

Schlechtes Wetter und Spaghettieis – auf Tour mit Eiswagenfahrer Carlo

Schlechtes Wetter und Spaghettieis – auf Tour im Eiswagen

Inga Gercke/shz.de
Scharbeutz
Zuletzt aktualisiert um:
Carlo Ingardia fährt mit seinem Eismobil Campingplätze an der Ostsee ab. Dabei hat er immer die Zeit im Nacken. Foto: Inga Gercke/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Der 27-jährige Carlo ist Eisverkäufer. Er fährt vor allem Campingplätze ab. Warum das so ist, mit welchen Schwierigkeiten er auf seinen Touren zu kämpfen hat und welche Auswirkungen das Wetter auf das Geschäft hat.

„Kommt da noch jemand?“, murmelt Carlo Ingardia vor sich hin, während er angestrengt in den Rückspiegel seines pinken Sprinters schaut. „Japp, tatsächlich“, sagt er, dreht den Schlüssel im Zündschloss wieder um, sodass der laute Dieselmotor seine Ruhe gibt. Gekonnt schwingt er sich vom Fahrersitz und verschwindet im hinteren Teil des Wagens. Ein Junge steht vor der Verkaufsluke. „Ich möchte bitte eine Kugel Schokolade“, sagt er. „In der Waffel?“, fragt Carlo. „Klar“, sagt der Junge.

Carlo Ingardia ist Eismann. „Oder Eiswagenfahrer oder Eismacher. Meinetwegen auch einfach Eisverkäufer“, sagt der 27-Jährige, während er die Kugel Schokoladeneis in die Waffel drückt. „Ich weiß gar nicht, ob es dafür überhaupt eine richtige Bezeichnung gibt.“

Eiswagen steuert gezielt Campingplätze an 

Seit er zwölf Jahre alt war, hilft er im Eiscafé seiner Eltern in Neustadt in Holstein (Kreis Ostholstein) mit. Auch auf Neustadts Straßen verkauft die Familie seit 14 Jahren Eis. Auch Carlo übernimmt Fahrerschichten im Eiswagen. Aber es hat sich etwas verändert. Heute fahren die Ingardias vor allem Campingplätze an, mit denen die Familie feste Verträge hat. Von April bis Ende August, 22 Stück, jeden Tag. „Den typischen Straßenverkauf mussten wir erst einmal auf Eis legen“, sagt Carlo. Für die zusätzlichen Fahrten fehle schlicht das Personal - „und die Campingplätze sind eine sichere Einnahmequelle“, sagt er. Neben dem fehlenden Personal sind die Ingardias auch von den gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreisen betroffen. „Eis herzustellen verbraucht viel Strom. Das glauben viele immer nicht, aber allein die Kühlung verbraucht echt viel davon – und auch unsere Wagen müssen vollgetankt werden.“

Kunden haben kein Kleingeld

Sobald Carlo auf einen Campingplatz fährt, klingelt er alle paar Sekunden. „Da hat jeder Fahrer so seinen eigenen Rhythmus“, sagt er. Mehrmals hält er und hofft auf Kundschaft. Der dritte Kunde an dem Tag ist ein Urlauber aus Olpe (Nordrhein-Westfalen). Er kauft drei einzelne Kugeln, zwei im Becher, eine in der Waffel. 4,20 Euro soll er dafür bezahlen. Er zückt einen 100-Euro-Schein. „Ich habe es leider nicht kleiner“, sagt er und wedelt dabei mit dem Schein, sodass ihn auch keiner übersehen kann. Carlo zieht die Augenbrauen hoch und schaut den Mann dabei an. „Das ist aber schlecht“, sagt er. Viel Wechselgeld ist noch nicht in der Kasse. Mit Ach und Krach kramt er das Kleingeld zusammen. Der Mann stopft sich das ganze Kleingeld in die Tasche, hantiert mit seinem Eis herum, wünscht Carlo noch einen schönen Tag und geht. „Das kommt schon mal vor“, sagt Carlo und verstaut den grünen Schein sicher in der Kasse. Manchmal ärgert er sich über solche Situationen. „Dann frage ich mich, ob sich die Leute überhaupt keine Gedanken machen, aber bisher haben wir immer alles hinbekommen“, sagt er und guckt Richtung Himmel, wo sich schon wieder dunkle Wolken zusammenziehen. „Gut, an dem Wetter können wir natürlich nichts ändern.“

Schlechte Saison mit Vorteilen

Das Regenwetter der vergangenen Wochen habe natürlich Auswirkungen auf das Eisgeschäft. „Mit dem Wetter haben wir dieses Jahr eine Niete gezogen.“ Im Vergleich zum vergangenen Jahr, als das Wetter deutlich besser war und es noch viele Corona-Touristen gab, habe er diese Saison weniger verkauft. „Nach diesem Wochenende ist die Saison auch größtenteils vorbei. In NRW sind nächste Woche die Ferien vorbei. Die aus NRW machen schon immer einen Großteil der Camper aus.“

Trotzdem sieht er auch Vorteile: „Die Urlaube, die noch da sind, kaufen trotzdem Eis - auch wenn eben schon viele abgereist sind, weil das Wetter einfach schlecht ist.“ Schließlich müssten die sich nicht aufraffe, bei Regen zu einer Eisdiele zu gehen. „Die bekommen ihr Eis ja quasi bis vor die Tür gebracht.“

Urlauber haben immer Zeit – Carlo nicht

Die nächsten Kunden sind vier Kinder, die je eine Kugel haben wollen. „Kinder sind manchmal etwas unentschlossen“, sagt Carlo. „Man könnte auch sagen, dass es die anstrengendsten Kunden sind“, sagt er, was aber nicht ganz ernst gemeint wirkt. „Da muss man manchmal einfach Vorschläge machen.“

Ein paar Stopps später bestellt ein Mann zwei Kugeln. Bezahlen will er mit einem 50-Euro-Schein. „Das kann ich gerade leider nicht wechseln“, sagt er zu dem jungen Mann, der sich und seiner Freundin eine Kugel Eis spendieren wollte. „Wir treffen uns da an der langen Seite an der dritten Einfahrt wieder“, schlägt er vor und flitzt los, um sein Kleingeld zusammen zukratzen. Einige Minuten später steht Carlo an der verabredeten Kreuzung. Der Mann ist nicht zu sehen. „Eigentlich würde ich hier gar nicht halten“, sagt Carlo und guckt etwas nervös auf seine Uhr. Gerade will er den Motor wieder anschmeißen, da kommt der Mann um die Ecke gelaufen. „Glück gehabt“, lächelt Carlo ihn an. Nun hat er auch Kleingeld dabei.

Kunden bummeln – strenger Zeitplan

Die Zeit hat Carlo bei seiner Tour ständig im Nacken sitzen. „Ich weiß nicht, warum die Menschen immer denken, ich hätte Zeit ohne Ende“, sagt er und luschert dabei auf seinen Fahrplan, den er vorne auf der Armatur kleben hat. Und der sagt, dass Carlo bereits jetzt aus dem Zeitplan geraten ist. Zwölf Campingplätze in sechs Stunden mit unzähligen Stopps und einem außerplanmäßigen Halt für zwei Kugeln. Und trotzdem fährt er gern. Und auch wenn es ab und an stressig wird, lautet sein Kredo: „Immer die schönen Momente sehen. Es ist schön zu sehen, wenn man die Leute mit einer Kugel Eis glücklichen machen kann. Und das macht einen dann auch zufrieden“, sagt er.

Aktuell springt Carlo als Vertretung ein. Der gelernte Konditor macht gerade seinen Meister. Nächstes Jahr soll er den Betrieb seiner Eltern übernehmen. Dann will er sich auf die administrativen Aufgaben konzentrieren. Denn schon jetzt wächst ihm die Planung manchmal über den Kopf. „Uns kann man nämlich auch mieten. Zum Beispiel für Hochzeiten oder Firmenfeiern“, sagt er. „Da muss viel geplant werden.“

Heimlicher Star: Das Spaghettieis

Carol verkauft aus seinem Eismobil die gängigen Sorten. Schokolade, Vanille, Stracciatella und so weiter. Und Malaga – aus Rum und Rosinen. Das ist so ein typisches Rentnereis. Und Rentner gibt es auf den Campingplätzen viele. Was auch immer gut geht, ist ein Spaghettieis. „Ich weiß nicht warum, ich frage mich das schon seit Jahren“, sagt Carlo. 


Der nächste Kunde bestellt dann, als hätte er es geahnt, tatsächlich das erste Spaghettieis des Tages. „Die erste Schicht unten ist ja die Sahne. Wenn da das kalte Eis draufkommt, dann friert die so ein bisschen an. Und das ist einfach so lecker“, sagt der Kunde. Erfunden wurde der Klassiker übrigens 1969 in einer Mannheimer Eisdiele. Der Erfinder, Dario Fontanella, wurde damals von seinem Vater und dessen Anwalt davon abgehalten, ein Patent darauf anzumelden. Hätte er das getan, dann hätte er sicher ausgesorgt. Aber damals versprach man sich von der Idee keinen großen Erfolg, also wurden die 200 Mark Patentgebühr gespart. 

Exotische Sorten und alte Familienrezepte

Egal, welches Eis durch die Verkaufsluke geht: Alle Sorten sind nach ein alten Familienrezepten hergestellt – was an dieser Stelle natürlich nicht verraten wird. Und auch wenn die Rezepte auf alte Traditionen zurückgehen, findet Carlo Neuheiten wie exotische Sorten gut. „Kreativität ist immer gut“, sagt er. Auch er hat schon herumexperimentiert. Für den Geburtstag seiner Schwester habe er mal Weißwein-Basilikum, Orange-Aperol und ein Biersorbet hergestellt. „Mal gucken, was die Zukunft so bringt“, sagt er. 

Und welche Eissorte mag Carlo am liebsten? „Ganz klar: Pistazie! Meine Eltern kommen aus Sizilien und das ist sehr eng verbunden mit der Pistazie. Das ist wie bei München und der Weißwurst“, sagt er. 

Dann fährt er zielsicher die nächste Kreuzung auf dem Platz an. Er klingelt er wieder. Dieses Mal ein älterer Mann. Er bestellt gleich zwei Spagettieis.

Mehr lesen